Propst Bohl bietet Ex-Sicherungsverwahrten und Anwohnern Gespräche an. Ängste könnten nur durch Kommunikation abgebaut werden.

Hamburg. Die evangelische Kirche hat im Streit um die Unterbringung der ehemaligen Sicherungsverwahrten Hans-Peter W. und Karsten D., die in das Haus am Elfsaal in Jenfeld eingezogen sind, ihre Vermittlung angeboten. Aufgabe der Kirche sei in dieser Situation, beiden Seiten - also den Anwohnern und den verurteilten Schwerverbrechern - seelsorgerliche Gespräche anzubieten, sagte der zuständige Propst Matthias Bohl.

"Die Kirche nimmt die Ängste der Bewohner sehr ernst", sagte Bohl. Diese Ängste könnten nur durch Kommunikation abgebaut werden. Doch auch die Würde der ehemaligen Sicherungsverwahrten müsse gewahrt werden. Bohl wies darauf hin, dass Hamburg die Europäische Rechtsprechung umsetzen müsse. Fragwürdig sei allerdings, warum gerade der Stadtteil Jenfeld mit seinen sozialen Belastungen nun noch mehr auffangen soll. "Jetzt kommt es darauf an, dass wir einen christlichen Umgang in unserer Zivilgesellschaft unter Beweis stellen."

Viele Jenfelder sind empört, dass Hans-Peter W. und Karsten D. seit Montag in ihrer Nachbarschaft leben. Täglich demonstrieren sie gegen die Unterbringung von dem verurteilten Sexualstraftäter und dem 1993 wegen Totschlags verurteilten Mann in dem gelben Klinkerhaus in Jenfeld. Seinen Plan, die Männer für ein Jahr in dem ehemaligen Altenheim einzuquartieren, hatte der Senat der Öffentlichkeit Anfang Dezember vorgestellt - seitdem laufen die Bewohner Sturm gegen das Vorhaben. Zuvor hatte die Justizbehörde sogar extra eine Berliner Agentur mit einem Kommunikationskonzept zur Sicherungsverwahrung beauftragt. Die Agentur hatte zum Beispiel eine Unterrichtung der Öffentlichkeit in einem "mehrstufigen Verfahren" empfohlen.

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+++ Jenfelder protestieren täglich gegen Ex-Sicherungsverwahrte +++

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Mit dieser transparenten Informationspolitik hat Hamburg einen gänzlich anderen Weg im Umgang mit Ex-Sicherungsverwahrten eingeschlagen als andere Bundesländer. In Berlin und Bayern etwa werden die Wohnsitze der verurteilten Schwerverbrecher den Bürgern nicht bekannt gegeben. Massive Anwohnerproteste sind dort dementsprechend ausgeblieben. "Die Praxis hat gezeigt, dass es nicht von Vorteil ist, die Wohnsitze zu nennen", sagt Arnd Bödeker, Sprecher der Berliner Justizverwaltung. In der Hauptstadt wurden aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach dem die Sicherungsverwahrung nicht nachträglich auf unbestimmte Zeit verlängert werden darf, 2011 zehn Menschen freigelassen, in diesem Jahr war es bislang eine Person. Bödeker: "Wir würden die Adressen nicht mitteilen, um somit zu verhindern, dass Anwohner die ehemaligen Sicherungsverwahrten angehen."

In Bayern, wo nach dem Urteil bislang acht Sicherungsverwahrte entlassen werden mussten, herrscht eine ähnliche Praxis. "Eine Information der Öffentlichkeit über den Wohnort der Probanden ist vor dem Hintergrund des Persönlichkeitsrechts des entlassenen Sicherungsverwahrten nicht vorgesehen", sagt Wilfried Krames, Sprecher des bayerischen Justizministeriums. Denn die Information könne die Reintegration des Sicherungsverwahrten in die Gesellschaft erheblich beeinträchtigen und daher zu einer Erhöhung des Rückfallrisikos führen.