Das war’s dann: Am Sonntag wird Günther Jauch zum letzten Mal seine Gesprächspartner zum ARD-Polittalk nach Berlin bitten.

Berlin/Hamburg. Günther Jauch verbindet mit der ARD keineswegs eine durchgehende Liebesbeziehung - eher ein Wechselspiel der Gefühle. Vor knapp neun Jahren platzte Jauchs sicher geglaubter Einstieg als Polittalker, weil er sich ARD-intern einer starken Kritikerfront gegenübersah. Vor gut vier Jahren schienen die Wogen geglättet, Jauch legte im September 2011 doch als Polittalker Nummer eins der Nation los. Und jetzt ist schon wieder Schluss. Der gemeinsame Weg, den Jauch und die ARD gegangen sind, war holprig.

An diesem Sonntag (21.45 Uhr) lädt der mittlerweile 59-Jährige zum letzten Mal zum Polittalk ins Gasometer im Berliner Stadtteil Schöneberg. Sein einziger Gast zum Finale ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (73), mit dem Jauch über das zurückliegende Krisenjahr reden will.

Die Quoten waren meist gut, daran lag es nicht: Fünf Millionen Zuschauer erreichte Jauch nach dem starken „Tatort“ meistens. Doch zunehmend sah er sich in der Öffentlichkeit der Kritik und teilweise auch der Häme ausgesetzt. Das nagte am Ehrgefühl eines Mannes, der es über Jahre gewohnt war, dass ihn die Öffentlichkeit mochte. Zu den Gründen seiner Abkehr vom System ARD wollte sich der Talkmaster auf Anfrage nicht äußern.

Höhepunkte aus vier Jahren „Günther Jauch“

So fing es an: Der SPD-Politiker Peter Struck (r.) und der Autor Jürgen Todenhöfer gehörten zu den Gästen der ersten Jauch-Sendung 2011. Peter Struck, der im Dezember 2012 verstarb, lobte damals die Premiere des Gastgebers: „Sie haben das sehr gut gemacht, Herr Jauch.“ Für die ARD war Jauch ein zuverlässiger Quotenbringer – fast immer knackte er die Marke von fünf Millionen Zuschauern. Die meist gesehene Ausgabe von „Günther Jauch“ registrierte der Sender am 1. September 2013 nach dem TV-Duell von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück. Bei der Jauch-Runde sahen 8,25 Millionen Zuschauer zu.
So fing es an: Der SPD-Politiker Peter Struck (r.) und der Autor Jürgen Todenhöfer gehörten zu den Gästen der ersten Jauch-Sendung 2011. Peter Struck, der im Dezember 2012 verstarb, lobte damals die Premiere des Gastgebers: „Sie haben das sehr gut gemacht, Herr Jauch.“ Für die ARD war Jauch ein zuverlässiger Quotenbringer – fast immer knackte er die Marke von fünf Millionen Zuschauern. Die meist gesehene Ausgabe von „Günther Jauch“ registrierte der Sender am 1. September 2013 nach dem TV-Duell von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück. Bei der Jauch-Runde sahen 8,25 Millionen Zuschauer zu. © ARD | ARD/Günther Jauch
Solo für die Kanzlerin: Im September 2011 war Angela Merkel der einzige Gast Jauchs. Die Griechenlandkrise, damals auf ihrem Höhepunkt, war das beherrschende Thema des Abends.
Solo für die Kanzlerin: Im September 2011 war Angela Merkel der einzige Gast Jauchs. Die Griechenlandkrise, damals auf ihrem Höhepunkt, war das beherrschende Thema des Abends. © NDR/Marcel Mettelsiefen | ARD/NDR GÜNTHER JAUCH
Ein Altbundeskanzler – Helmut Schmidt – und einer, der gern Kanzler geworden wäre –  Peer Steinbrück – waren im Oktober 2011 zu Gast bei Jauch. Schmidt traute Steinbrück den Job als Regierungschef zu. Die Merheit der Wähler war anderer Ansicht.
Ein Altbundeskanzler – Helmut Schmidt – und einer, der gern Kanzler geworden wäre – Peer Steinbrück – waren im Oktober 2011 zu Gast bei Jauch. Schmidt traute Steinbrück den Job als Regierungschef zu. Die Merheit der Wähler war anderer Ansicht. © NDR/Max Kohr | ARD/NDR GÜNTHER JAUCH
Abdul Adhim Kamouss, ein wortgewandter Imam aus Berlin, schmiss die Jauch-sendung am 28. September 2014 fast ganz allein. Jauch war dem Redeschwall des dauergrinsenden Geistlichen nicht gewachsen.
Abdul Adhim Kamouss, ein wortgewandter Imam aus Berlin, schmiss die Jauch-sendung am 28. September 2014 fast ganz allein. Jauch war dem Redeschwall des dauergrinsenden Geistlichen nicht gewachsen. © imago/Müller-Stauffenberg | imago stock&people
Was hat Helmut Kohl gesagt, was darf davon gedruckt werden? Kohl-Biograf Heribert Schwan (Foto) verteidigte bei Jauch am 12. Oktober 2014 die Zitate des Altkanzlers in seinem Buch. Inzwischen hat ein Gericht Schwan den weiteren Abdruck der wenig schmeichelhaften Zitate Kohls über alte Weggefährten verboten.
Was hat Helmut Kohl gesagt, was darf davon gedruckt werden? Kohl-Biograf Heribert Schwan (Foto) verteidigte bei Jauch am 12. Oktober 2014 die Zitate des Altkanzlers in seinem Buch. Inzwischen hat ein Gericht Schwan den weiteren Abdruck der wenig schmeichelhaften Zitate Kohls über alte Weggefährten verboten. © imago/Müller-Stauffenberg | imago stock&people
Die Krim-Krise durfte bei Günther Jauch nicht außen vor bleiben. Liedermacher Wolf Biermann (r.) hatte im November 2014 eine klare Meinung über Kreml-Chef Wladimir Putin. Er sei ja „nicht mal fähig, wie Adolf Hitler eine Autobahn zwischen St. Petersburg und Moskau zu bauen“, befand Biermann. Mit mehr als sechs Millionen Zuschauern lag die Zuschauerbeteiligung an diesem Abend über dem Durchschnitt. Wohl weniger wegen Biermann, als viel mehr wegen des Putin-Interviews der ARD, das Teil der Sendung war.
Die Krim-Krise durfte bei Günther Jauch nicht außen vor bleiben. Liedermacher Wolf Biermann (r.) hatte im November 2014 eine klare Meinung über Kreml-Chef Wladimir Putin. Er sei ja „nicht mal fähig, wie Adolf Hitler eine Autobahn zwischen St. Petersburg und Moskau zu bauen“, befand Biermann. Mit mehr als sechs Millionen Zuschauern lag die Zuschauerbeteiligung an diesem Abend über dem Durchschnitt. Wohl weniger wegen Biermann, als viel mehr wegen des Putin-Interviews der ARD, das Teil der Sendung war. © imago/Müller-Stauffenberg | imago stock&people
Ein starker Jauch-Moment: Mit Margot Friedländer (l.) und Eva Erben hatte der Talkmaster im Januar 2015 zwei Auschwitz-Überlebende in seine Sendung geholt. Die eindringlichen Berichte der beiden Frauen, die dem Holocaust nur knapp entkommen waren, und Jauchs behutsame Moderation machten den Abend zu einer kleinen TV-Sternstunde.
Ein starker Jauch-Moment: Mit Margot Friedländer (l.) und Eva Erben hatte der Talkmaster im Januar 2015 zwei Auschwitz-Überlebende in seine Sendung geholt. Die eindringlichen Berichte der beiden Frauen, die dem Holocaust nur knapp entkommen waren, und Jauchs behutsame Moderation machten den Abend zu einer kleinen TV-Sternstunde. © imago/Müller-Stauffenberg | imago stock&people
Es der wohl größte Aufreger in einer Jauch-Talkrunde: Am 15. März 2015, es ging um die griechische Schuldenkrise, ließ der Gastgeber ein Video einspielen, in dem der damalige griechische Finanzminister Yannis Varoufakis bei einer Rede zu sehen war. Er sprach über die Schulden, die Griechen und die Deutschen – und zeigte den Stinkefinger. Varoufakis, aus Athen zugeschaltet, tobte: Fälschung, Skandal! Jauch blieb dabei: Die Aufnahme ist echt. Tagelang ging es hin und her, der TV-Satiriker Jan Böhmermann machte den „Fall“ zu einem Medienereignis. Selten wurde so heftig und so lange über eine Jauch-Sendung gestritten.
Es der wohl größte Aufreger in einer Jauch-Talkrunde: Am 15. März 2015, es ging um die griechische Schuldenkrise, ließ der Gastgeber ein Video einspielen, in dem der damalige griechische Finanzminister Yannis Varoufakis bei einer Rede zu sehen war. Er sprach über die Schulden, die Griechen und die Deutschen – und zeigte den Stinkefinger. Varoufakis, aus Athen zugeschaltet, tobte: Fälschung, Skandal! Jauch blieb dabei: Die Aufnahme ist echt. Tagelang ging es hin und her, der TV-Satiriker Jan Böhmermann machte den „Fall“ zu einem Medienereignis. Selten wurde so heftig und so lange über eine Jauch-Sendung gestritten. © dpa | ---
Überraschendes Ende: Als es im April bei Günther Jauch wieder einmal um die Flüchtlingskrise ging, sorgte der Menschenrechtsaktivist Harald Höppner (r.) für einen ungewöhnlichen Höhepunkt. Als Jauch schon zur Abmoderation ansetzte, sprang Höppner auf uns bat alle in der Gesprächsrunde zu einer Schweigeminute für die im Mittelmeer ertrunkenen Bootsflüchtlinge. Jauch ließ ihn gewähren – zu Recht.
Überraschendes Ende: Als es im April bei Günther Jauch wieder einmal um die Flüchtlingskrise ging, sorgte der Menschenrechtsaktivist Harald Höppner (r.) für einen ungewöhnlichen Höhepunkt. Als Jauch schon zur Abmoderation ansetzte, sprang Höppner auf uns bat alle in der Gesprächsrunde zu einer Schweigeminute für die im Mittelmeer ertrunkenen Bootsflüchtlinge. Jauch ließ ihn gewähren – zu Recht. © ARD/Günther Jauch | ARD/Günther Jauch
Der AfD-Politiker Björn Höcke, einer von Jauchs Gästen am 19. Oktober 2015 beim Thema Zuwanderung, war von Beginn an auf Provokation aus. Schon nach wenigen Minuten zog er eine kleine Deutschland-Fahne aus der Jacke und hängte sie für den Rest der Sendung über die Sessellehne. Höcke wurde anschließend von der eigenen Partei für seinen krawalligen Auftritt gerüffelt.
Der AfD-Politiker Björn Höcke, einer von Jauchs Gästen am 19. Oktober 2015 beim Thema Zuwanderung, war von Beginn an auf Provokation aus. Schon nach wenigen Minuten zog er eine kleine Deutschland-Fahne aus der Jacke und hängte sie für den Rest der Sendung über die Sessellehne. Höcke wurde anschließend von der eigenen Partei für seinen krawalligen Auftritt gerüffelt. © dpa | ---
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Ein Vorfall im Frühjahr dieses Jahres dürfte zur Entscheidung beigetragen haben. Ein Einspieler in seiner Sendung zeigte den griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis mit ausgestrecktem Mittelfinger - gegen die wirtschaftlich dominanten Deutschen? Der Film war alt, aus dem Zusammenhang gerissen und Stoff für einen Coup des ZDFneo-Satirikers Jan Böhmermann, der den Stinkefinger als Fälschung seiner Redaktion ausgab und damit richtig schöne Diskussionen entfachte. Allerdings nicht um Griechenlands wirtschaftliche Lage, sondern mehr um Jauchs Sendung.

Was bleibt von der Ära Jauch? Manche Experten sagen: Das Kapitel bleibt ohne Nachhall. „So gut wie nie hat Jauch die politische Agenda geprägt oder von sich aus Themen auf die Tagesordnung gebracht, stattdessen wurde das, was ohnehin im Schwange war, noch einmal mit bekannten Gästen aus der ersten oder zweiten Reihe von Politik und Journalismus verhandelt“, sagt der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler, früher Chef des Grimme-Instituts und Kritiker des Talküberangebots im TV, der Deutschen Presse-Agentur.

Zu selten sei es Jauch gelungen, aus der Gästekonstellation eine neue Dynamik der Debatte zu kreieren. Gäbler weiter: „So blieb der Talk vor allem die erwartbare TV-Show. Zu einem bedeutenden gesellschaftlichen Salon reifte das Gespräch nicht.“ Bei „heiklen“ Gästen aus der Pegida-Szene oder von der AfD seien die Gespräche meist schief gelaufen.

Auch der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen von der Uni Tübingen bilanziert die Ära mit wenig Begeisterung. „Am Ende dürfen sich alle bestätigt sehen: diejenigen, die schon immer vor Günther Jauch als einer Ikone des Privatfernsehens gewarnt haben“, sagt Pörksen. „Und diejenigen, die das Ende dieser Beziehung vor allem durch manche Gehässigkeit der ARD-Oberen verursacht sehen und darauf verweisen, dass man den Quotenbringer Jauch erst engagierte, um dann seine Sendung umso leidenschaftlicher als seichte Unterhaltung zu kritisieren.“ Es bleibe der Eindruck einer Vernunftehe.

Der Medienjournalist Hans Hoff schrieb in seiner Kolumne im Branchendienst „DWDL.de“, dass „eine Menge mehr als nur Interesse“ dazugehöre, wenn man solch eine Gesprächsrunde führen will. „Da muss der Moderator sehr präsent sein und mehrere Ebenen koordinieren und kontrollieren. Er muss ein Konzept haben, er muss Fragen stellen, er muss zuhören, er muss die Antworten koordinieren, er muss reagieren, Gesprächsteilnehmer vernetzen, und er muss einschreiten, wenn es aus dem Ruder läuft. Alles zur selben Zeit. All das kann Jauch nicht.“ Fürs Erste könne Jauchs Abschied daher ein „Befreiungsschlag“ sein.

Jauch selbst hat sich Geprächssperre auferlegt. Bereits im Oktober teilte er lediglich mit: „Die Sendungen werden ordentlich (vor allem in den letzten Wochen mit zum Glück richtig tollen Quoten) zu Ende geführt und dann ist eben Schluss.“ Bei seinem Stammsender RTL seien „keine Besonderheiten“ zu erwarten. Sein Quiz „Wer wird Millionär?“ laufe weiter. Über die beiden anderen Formate („5 gegen Jauch“, „Die 2 - Gottschalk & Jauch gegen alle“) werde man, wie in den vergangenen Jahren auch, etwa Anfang des kommenden Jahres reden.

Fest steht: Im Ersten folgt nach einer längeren Pause „Anne Will“ auf Jauch. Sie öffnet ihren „gesellschaftlichen Salon“ am 17. Januar.