Ein Ja-Wort unter Wasser, eine Trauung auf dem Hochseil – Hochzeiten müssen heute oft nicht nur besonders, sondern extravagant sein. Alles dreht sich um die perfekte Location, das perfekte Essen und das perfekte Kleid.

Frankfurt/Main. Die Hochzeitssaison steht bevor, die Hochzeitsmessen rollen an. Für die Einstimmung gibt es Shows im Fernsehen – von „Mein perfektes Hochzeitskleid“ (Sixx) bis zu „4 Hochzeiten und eine Traumreise“ (Vox). Und während manche ihre Heirat ganz schlicht feiern wollen, muss es für andere wie in den TV-Shows sein: Je spektakulärer, desto besser. „Die wirklich heftigen Ausprägungen sind nach wie vor eine Besonderheit – aber sie nehmen zu“, sagt Stephan von Dassel, Stadtrat für Soziales und Bürgerdienste in Berlin-Mitte und damit auch politischer Leiter des Standesamts.

Bei solchen Eventhochzeiten verschiebe sich der Fokus von dem eigentlich traditionellen Aspekt der Trauung hin zu einer perfekten Inszenierung, erklärt Jana Ehret vom Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main. „Es geht nicht mehr nur um Liebe oder Tradition, sondern zunehmend um einen perfekt geplanten und ausgeführten Event.“

Heutzutage drehe sich alles um die perfekte Location, das perfekte Essen, das perfekte Kleid, beschreibt Ehret. „Planungen gehen bis ins noch so kleine Detail wie Tischkarten, Kirchenbücher, Farbwahl.“ Die Hochzeitsshows spiegeln diesen Trend – und haben wiederum Einfluss auf die Paare. „Sie setzen Brautpaare unter Druck, die perfekte Hochzeit veranstalten zu müssen.“ Statt sich nur gegenseitig seine Liebe zu versprechen, sei vielen nun auch wichtig, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Ja-Wort im Rathaus reicht nicht mehr aus

Das kann zum Beispiel die Wahl der Hochzeits-Location bewirken. Denn ein „Ja“ im Rathaus reicht manchen Paaren nicht aus, um herauszustechen. Willi Weber, der als schnäuzbärtiger Standesbeamter der „Traumhochzeit“ bekannt wurde, sagt: „Es gibt keinen Platz, wo ich nicht war.“ Ein Artistenpaar gab sich auf dem Hochseil das Wort – Weber vermählte es vom Hubwagen aus. Ein anderes Paar gab sich unter Wasser das Eheversprechen – dank Tauchschein konnte Weber auch dort trauen. „Es muss zum Paar passen und es muss authentisch sein“, sagt er über die ausgefallenen Wünsche.

Weber glaubt, dass Eventhochzeiten auch deshalb zunehmen, weil viele Paare ihr Jawort nicht auf einen nüchternen Verwaltungsakt beschränken wollen. „Im Standesamt, da kriegt man Standardware.“ Aber viele wünschten sich eine individuelle Zeremonie. Da kann Frank Matthée alias „Froonck – Der Wedding Planner“ nur zustimmen. Er glaubt, dass hinter diesem Wunsch ein gesamtgesellschaftlicher Wandel zur Individualisierung steckt. „Das Individuum stand, denke ich, nie so im Mittelpunkt wie heute.“ Alles sei immer stärker auf die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten. Auch die Hochzeit.

Das kann sogar zu einer Art Wettbewerb werden. „Wie war die Hochzeit der Schwester, der besten Freundin, der Arbeitskollegin? Hiervon möchte die Braut sich unterscheiden“, erklärt Froonck. Er sieht das positiv: Denn durch den Vergleich können die Brautleute auch Fehler vermeiden.

Die Erwartungen steigen

Immer individueller, origineller, kreativer – durch den Trend werden Hochzeiten aber auch komplexer, die Erwartungen höher, die Unsicherheiten größer. Als Wedding Planner profitiert Froonck davon. Denn mehr Paare nehmen nun professionelle Unterstützung in Anspruch, um das große Event rund um das „Ja“ zu planen.

Denn nicht nur die Wahl der Location bedarf heute mitunter ein Mehr an Organisation. Zu einer richtigen Eventhochzeit gehören auch noch andere Dinge, die früher eher unüblich waren: zum Beispiel eine Hochzeitshomepage, Give-aways für die Gäste oder eine Candy Bar, zählt Froonck auf.

In Sachen Perfektionismus können sich die Deutschen laut Froonck noch etwas von den USA und Großbritannien abgucken. Dort würden zum Beispiel Themen viel stringenter durchgezogen. Immerhin: Den großen Brautzug, inklusive einer Vielzahl gleich gekleideter Brautjungfern, übernehmen manche deutsche Paare schon.

Auch wenn manche Hochzeiten zunehmend spektakulär ausfallen, geht die Zahl die Eheschließungen in Deutschland insgesamt zurück. Laut statistischem Bundesamt gab es 2012 nur noch 390.000 Eheversprechen, im Jahr 2000 noch 420.000 – kein Vergleich zu den 750.000 Eheschließungen 1950.

Gerade in einer Single-Gesellschaft, in der die Angst vor Enttäuschung und Unglück viele Menschen präge, kämen die heilen Welten der Hochzeiten – ob real oder im TV – genau richtig, sagt Ehret. „Es ist eine Art sicherer Hafen und eine bekannte langjährige Tradition, die für ein einheitliches, sicheres Weltbild steht.“

Und Froonck erklärt, was die Menschen an den Hochzeitsserien so fasziniert: „Die Menschen sehnen sich immer nach den großen Gefühlen, möchten träumen und mitfiebern – gerade in einer immer digitaleren, digitalisierteren und anonymeren Welt.“

Zehn ausgefallene Locations

Von luftigen Höhen bis unter die Erde – das Ja-Wort können sich Paare an vielen ungewöhnlichen Orten geben. Eine Liste von ausgefallenen Hochzeits-Locations in Deutschland – und auf See.

Fernsehturm: Ein „Ja“ hoch über der Hauptstadt – im Berliner Fernsehturm ist das möglich. Im Barbereich auf 203 Metern Höhe findet dort die standesamtliche Trauung statt – anschließend können die Frischvermählten 21 Stufen höher im Restaurant mit ihren Gästen weiter feiern.

Aquadom: Gleich nebenan, im Aquadom des Sea Life Berlin, geben sich Braut und Bräutigam umgeben von Wasser und Fischen in einem Aquarium ihr Eheversprechen. In den gläsernen Aufzug passen neben dem Paar rund 15 Gäste.

Leuchtturm: Wenn das Aquarium nicht reicht und es mehr Meer sein muss, stehen auch Leuchttürme für das Ja-Wort bereit. Auf vielen Nord- und Ostseeinseln, zum Beispiel auf Pellworm oder Rügen, gibt es dafür Angebote.

Kreuzfahrtschiff: Paare, denen das noch nicht genug Kontakt zum Wasser ist, können auch auf einigen Kreuzfahrtschiff heiraten. Sie laufen dann ganz sprichwörtlich in den Hafen der Ehe ein.

Zoo: Besondere Hochzeitsgäste hat das Paar auf jeden Fall, wenn es sich für eine Hochzeit im Zoo entscheidet. Flusspferde oder Elefanten als Zeugen der Trauung – das ist zum Beispiel in den Zoos von Berlin und Wuppertal möglich.

Mühle: Unter alten Holzbalken heiraten Paare in der Hochzeitsmühle Vergissmeinnicht in Friedrichskoog (Schleswig-Holstein). Besonderes Angebot: Auch um Mitternacht lässt sich hier die Trauung feiern.

Höhle: Unter der Erde lockt eine etwas unheimliche Romantik: In den Feengrotten im thüringischen Saalfeld ist die Hochzeitsgesellschaft umgeben von Tropfsteinen.

Gondel und Schwebebahn: Höher hinaus geht es in Bad Harzburg (Niedersachsen). Dort kann das Brautpaar in der Trau-Gondel der Burgberg-Seilbahn in die Ehe starten. In Wuppertal steht die Schwebebahn Heiratswilligen offen.

Schokoladenmuseum: Im Kölner Schokoladenmuseum finden Naschkatzen einen besonderen Ort für ihre Trauung – gleich neben dem drei Meter hohen Schokoladenbrunnen.

Zugspitze: Auch auf dem höchsten Berg Deutschlands kann geheiratet werden. Allerdings gibt es nur einmal im Monat einen Termin. Sportliche Paare können vor der Trauung noch den Gipfelsturm in Angriff nehmen.