Manche Männer können sich gut kleiden, und das ganz mühelos. Andere greifen immer daneben. Wie findet man aber den Sinn für Stil und Mode?

Berlin. Passt die Hose zum Hemd? Beißen sich die Farben? Habe ich überhaupt einen Stil oder kopiere ich nur? Wer sich zumindest ansatzweise für das eigene Erscheinungsbild interessiert und sich nicht nur kleidet, um nicht frieren zu müssen, kennt solche Fragen. Wer aber dem Urteil von Freunden, Partnern oder Verkäufern nicht traut und im Dickicht der Modezeitschriften verloren zu gehen droht, kann zu Ratgeberbüchern greifen. Die Autoren von zwei Neuerscheinungen, die sich explizit an Männer richten, versuchen eine Antwort zu finden.

Es sind der Berliner Herrenmodeexperte Bernhard Roetzel („Mode Guide für Männer“) und der Londoner Modeautor Josh Sims („Männer mit Stil“). Stil zu haben, das bedeutet bei jedem etwas anderes – auch bei diesen Autoren. Roetzel benennt den Wunschzustand: „Stil hat jemand, der ein in sich geschlossenes Erscheinungsbild zeigt, das sich mit der eigenen Person deckt.“

Dieses Bild könne Brüche haben und Mut zum Anderssein ausdrücken, es sollte im Idealfall einem scheinbar ungeplanten Konzept folgen und dabei möglichst mühelos wirken. „Ich habe Stil, wenn ich eine bestimmte Kleidung trage, um meine eigene Persönlichkeit auszudrücken, und nicht etwas, das die Werbung oder Leute, die Geld an mir verdienen wollen, für mich herbeifantasieren, indem sie mich bei meinen Unsicherheiten packen“, sagt Josh Sims.

Man sollte also versuchen, eher seinen Charakter zu zeigen, als dass man sich abschaut, was die Modebranche vorgibt. Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts in Köln, zitiert deshalb das Diktum der britischen Designerin Victoria Beckham: „Gut auszusehen hat nichts mit Geld zu tun, sondern mit Stil - denn Stil kommt nie aus der Mode.“

Vom Himmel allerdings fällt er nicht, der Stil. Um ihn zu finden, braucht es Geduld, Lust am Ausprobieren und durchaus auch gelegentliches Scheitern. Und das ist der einzige Rat, den die Modeautoren geben wollen: Probieren, probieren, probieren.

Roetzel vergleicht den Lernprozess mit dem eines Künstlers: „Wie ein Musiker, der ein Instrument lernt und erst allmählich seinen eigenen Stil ausprägt, muss jeder anfangen, für sich selbst Stück für Stück das Passende zu entwickeln.“ Der eigene Stil entwickele sich dann oft fast unbemerkt. Wie ein Musiker an einem bestimmten Punkt merkt, er kann von den Noten abweichen und improvisieren.

Weil aber nur die wenigsten den Mut besäßen, sich außerhalb der gängigen Farbschemata und Formspektren zu kleiden, ist laut Müller-Thomkins das Lernen durch Imitation durchaus ein Weg. Doch man sollte nicht alles zwanghaft abkupfern – besonders nicht jenes, was nicht zu einem passt. Denn dann wirke man auf andere Menschen meist eher verkleidet als stilvoll. „Ich muss modisch mit mir selbst identisch sein, um authentisch zu wirken“, umschreibt Müller-Thomkins das. „Ich muss das, was ich trage, auch tragen wollen, und zu den Teilen, die ich trage, einen Bezug haben.“ Wer sportlich ist, trägt vielleicht gerne sportlichere Alltagskleidung.

„Teure Designerkleidung ist für die Herausbildung eines eigenen Stils fast kontraproduktiv“, sagt Roetzel. „Es ist eigentlich hinderlich, zu viel Geld zu haben.“ Denn der Glamour der Markenware übertöne das Eigene am Outfit. Ein Blick auf zahllose Stilikonen zeige das: Künstler oder Literaten hätten oft trotz bitterer Armut und aus der Not heraus stilprägend gewirkt.

Unsicherheit, was richtig sein könnte, hängt oft auch damit zusammen, dass gerade Männer sich nicht ausgiebig im Spiegel betrachten. Roetzel rät zu ehrlichen Antworten auf Fragen wie „Passt die derzeit aktuelle Hose überhaupt zu mir?“. Denn nicht jeder Trend sei für jeden geeignet. Man sollte sich auch schlau machen, welche Kleidungsschnitte besonders gut zu welchen Körperproportionen passen.

Auch grundlegende Farbkenntnisse seien unerlässlich: „Ein blonder, hellhäutiger Mensch sieht mit weißem Hemd und schwarzem Sakko leichenblass aus“, nennt Roetzel Beispiele. „Und ein Rothaariger muss wissen, wie er mit rötlichen oder aber komplementären Farbtönen Wirkung erzeugt.“

Und schließlich sollte jeder über ein Repertoire an Outfits verfügen, um vom Opernbesuch bis zum Grillabend anlassgerecht erscheinen zu können. „Damit meine ich nicht das sozial angeblich Vorgeschriebene, sondern das Outfit, in dem ich mich zum jeweiligen Anlass am wohlsten fühle.“ Wer also lieber keine Krawatte trägt, sollte es lassen, aber wenigstens einen schicken Blazer besitzen.

Und dann ist Konstanz wichtig: „Wer einem persönlichen Stil folgt, kann nicht pausenlos mit der saisonal wechselnden Mode gehen.“ Und Josh Sims empfiehlt sogar ganz unverblümt, alle Modetrends zu ignorieren: „Tragen Sie nur das, was Sie möchten und nie das, was Ihnen die Fashion-Industrie diktiert.“ Und vor allem: „Tragen Sie es nie so, wie man es Ihnen zu tragen rät, sondern stets so, wie es Ihnen am meisten Freude bringt.“ Dann ist Stil auch authentisch.