Über den Wolken muss bald jeder den anderen misstrauisch beäugen – er könnte eine Gefahr sein.

Am Anfang herrschte mitten im schrecklichsten Schrecken nach dem Absturz des Germanwings-Airbus in dieser Woche eine winzige Erleichterung. Terror war es nicht. Wirklich nicht? Die Wahrheit ist, dass die Folgen von 9/11 genau die Tat ermöglicht haben. Der Terror hatte sich ins innerste System der Terrorvermeidung eingeschlichen. Wie es aussieht, benutzte der mutmaßliche Selbstmörder, der einen Massenmord zynisch einkalkulierte, die Blockade des Cockpits, die gegen das Cockpit stürmende Terroristen nach dem Sturz der Zwillingstürme in Manhattan eingeführt worden war, um nicht nur die ihm anvertrauten Passagiere zu ermorden, sondern auch, um seinen Teamkollegen auszusperren und ihn, ohne dass er eingreifen kann, mit in den Tod zu reißen.

Es hat, man muss es sagen, schon etwas von einem biblischen Kains-Zeichen. Es ist die Aufkündigung des Teamgeistes, der ein Bruderverhältnis ist wie das von Kain und Abel. „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“, fragt der Brudermörder Kain scheinheilig seinen Gott. Und schon werden Maßnahmen diskutiert, in denen keiner im Team, das bei Lufthansa und Germanwings bisher als „kollegial, ja familiär“ beschrieben wird, keinen Kollegen allein lassen darf, sondern misstrauisch zu beäugen hat. Gut, man kann es als Fürsorge bei gesundheitlicher Schwäche tarnen. In Wahrheit hat jeder den anderen künftig eventuell als gefährlichsten Feind zu beäugen und ja nicht allein an den Schalthebeln zu lassen. Der Himmel ist vergiftet.

Das war er übrigens schon, als die niederländisch-malaysische Maschine über der Ukraine vom Himmel geholt wurde. Da wurde der Augenschein auf die Unfallstelle ebenfalls lange Zeit verwehrt und behindert. Inzwischen wissen wir, dass bei den russischen Separatisten der Ukraine kein Spatz vom Himmel fällt, ohne dass Putin und seine Militärs es nicht anordnen. Die Schuldigen werden nie zur Verantwortung gezogen werden.

Dass in Polen sich inzwischen Milizen zur Verteidigung der polnischen Heimat zu Manövern treffen, hat auch damit zu tun. In Polen glauben nicht viele an den bösen Zufall, dass ausgerechnet bei Katyn die gesamte konservative anti-russische Regierung 2010 mit einem Flugzeug zu einer Gedenkfeier der Opfer Stalins abstürzte. Böse Zufälle sind auf einmal keine mehr. Jetzt will Polen russische Offiziere wegen des Unglücks anklagen.

Und obwohl inzwischen Untersuchungen deutlich darauf hinweisen, warum das Passagierflugzeug voller holländischer Urlauber im russischen Krieg gefallen ist, wird niemand die Schuldigen dingfest machen. Denn vom Osten droht inzwischen der neu erwachte Nationalismus mit der ganz großen Keule. Dem Atomschlag. Manchmal wiederholt sich Geschichte auf symbolisch furchtbare Weise.

Mitten im Zweiten Weltkrieg ist die westlich orientierte polnische Exilregierung schon einmal bei einem Flugzeugunfall vom Himmel geholt worden. Der Dramatiker Rolf Hochhuth hat diese Sikorski-Tragödie in seinem Luftkriegsstück „Soldaten“ dokumentiert. Und der Terror der Nach-68er-Jahre hat mit Zürich, Mogadischu und Lockerbie angefangen.

Der Himmel hält keine Spuren, Kondensstreifen vergehen, aber ins Gedächtnis sind so furchtbare Ereignisse eingegraben wie ein Menetekel.