Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt

Das war kein Honigschlecken für Putin, die jährliche große Dezember-Pressekonferenz, denn Russland befindet sich in der größten Finanzkrise seit dem Zusammenbruch unter Jelzin 1998. So war es kein Wunder, dass sich sogar Gerüchte zu einem Machtwechsel im Kreml breitmachten, das Wort „Palastrevolution“ machte die Runde.

Nun hat das Wort „Palastrevolution“ gleich zwei bittere sprachliche Konnotationen, denn einmal heißt Palastrevolution (ich habe mir extra ein Lexikon herausgesucht, in dem alle Revolutionen des 20. Jahrhunderts noch nicht stattgefunden hatten) „der Sturz eines Staatsbeherrschers, der sich ohne Erhebung der Massen im Innern des Palastes durch eine Intrige vollzieht.“ Demokratische Herrscher werden abgewählt, monarchische Herrscher (auch das nordkoreanische Kommunisten-Herrscherhaus) vererben ihre absolutistische Macht. Bei der Palastrevolution weiß man aus der Geschichte: „Sie ist in Sonderheit bei den Orientalen zu Hause.“ Wir denken an Topkapi in Konstantinopel, wo beim Tod des Herrschers bei den Aufständen im Harem im „goldenen Käfig“ alle erbberechtigten Prinzen außer dem der herrschenden Lieblingskonkubine von Eunuchen mit Seidenschlingen getötet wurden.

Ist Russland also so ein spätorientalischer Staat, dessen Herrschaft sich nur durch Palastrevolutionen verändern könnte, weil in der Alleinherrschaft Putins eine Abwahl bisher nur durch gekungelten Tausch mit Medwedew stattfand? Einmal Medwedew Präsident und Putin Ministerpräsident, dann Putin Präsident und Medwedew Ministerpräsident, und so weiter und so fort. Alles ohne Palastrevolution?

Doch Putin war offenbar zu Scherzen aufgelegt, deshalb hob er nicht auf die Palastrevolte, sondern auf die Paläste ab. Putin stammt aus Leningrad, das heute wieder Petersburg heißt, und er weiß, dass die Oktoberrevolution, als deren Nachfolger er sich mehr und mehr aufspielt, durch die Erstürmung des Winterpalais durch die Bolschewiki erfolgte. Putin kam sich also besonders bescheiden vor, als er sich folgenden makabren Scherz erlaubte: „Wir haben keine Paläste, deshalb wird es keine Palastrevolte geben.“ Sehr kommunistisch von Anfang an. Büchner war es, der als 21-jähriger 1834 im „Hessischen Landboten“ die Losung ausgab: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“, und Karl Marx war es, der prophezeite, nicht das Leben in Hütten treibe die Menschen zur Revolution, sondern der Anblick des neben der Hütte stehenden Palasts. Da müsste Putin in Russlands neuem sozialen Elend zittern, denn er soll, so wird kolportiert, 20 Paläste besitzen, über Russland gestreut, von Sotschi bis Petersburg. Den dortigen hat er aber verscherbelt, für 250 Millionen Euro.

PS: In Kiew wurde die groteske Palastvilla von Putin-Freund Janukowitsch gestürmt und geplündert.