Nachgedanken zu den großen Volksfesten im Süden Deutschlands – Cannstatter Wasen und Münchner Wiesn

Wenn die Bahn nicht streikt, rüstet sie auf. Nach dem Cannstatter Wasen hatte ein genervter Bahnmitarbeiter auf das Laufband den Hinweis gestellt: „Cannstatter Wasen: Es ist mit Verspätungen, mit überfüllten Zügen und verhaltensgestörten Personen zu rechnen.“ 45 Minuten hielt die Bahn an der Formulierung fest, dann entschuldigte sie sich für ihren Mitarbeiter: „Die Formulierung tut ihm und uns sehr leid.“

Dabei ist der Hinweis auf den Zustand der Besucher bei den großen süddeutschen Erntedankfesten (Münchner Wiesn und Cannstatter Wasen) treffend gewählt, weil sich die Teilnehmer nach literweisem Einschütten des Gerstensafts in einem Zustand befinden, bei dem tatsächlich Hopfen und Malz verloren gehen. Komatöses Vollgesoffensein, lallende Artikulation und Abfluss des reichlich Genossenen gehören zur Bilanz dieses so beliebten „Eins, zwei, g’suffa!“-Festivals. Gebrochene Nasen, eingeschlagene Schädel sind keine Seltenheit, doch diese Opfer fahren nicht mit der Bahn, sondern werden vom Notarzt abgeschleppt. Schon Horváth notierte in seinem Oktoberfest-Stück „Kasimir und Karoline“, wo ein deutschnationaler Arzt in Hitlers München wenige Jahre vor der Machtergreifung resümiert: „Also wir haben sechs Gehirnerschütterungen, einen Kieferbruch, vier Armbrüche, davon einer kompliziert, und das andere sind Fleischwunden. Ein schöner Saustall, so was! Deutsche gegen Deutsche!“ Inzwischen ist auch das globalisiert.

Seit Bahnchef Dürr bei der Eisenbahnreform vor Mehdorn die Bahn zum Dienstleistungsbetrieb und den Reisenden zum Fahrgast und Kunden erklärt hat, ist der Kunde König und darf nicht als hirnrissig angesprochen werden, selbst wenn er es noch so sehr ist. Es gibt die Geschichte von der Kundin im Label-Geschäft, die sagt, sie hätte gern eine Tasche von Gukki, und die Verkäuferin korrigiert sie: „Sie meinen, von Gucci (Gutschi)!“ Darauf die Kundin: „Sie können sie aussprechen, aber ich kann sie bezahlen.“ König Kunde.

Manchmal rächt es sich, wenn man wie Brüderle einer Journalistin oktoberfestlaunig zuflüstert, sie könnte ein Dirndl füllen. Da sind zumindest die Trittbrettfahrer der Brüderle-Partei vom FDP-Zug endgültig abgesprungen.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt