Randale verhindert Diskussion: Wie die Feinde von Thilo Sarrazin seine Thesen schlagend bestätigen

Thilo Sarrazin ist das, was man einen politischen Querkopf nennt. Er war das schon als Senator im Berliner Wowereit-Senat, als er Hartz-IV-Empfängern riet, einen Pullover in der Wohnung anzuziehen, wenn das Geld für Heizkosten nicht reichte. Das war ruppig formuliert, wie der Mahlzeit-Vorschlag, man könne für 3,76 Euro bequem satt werden.

Solche Widerborste sind in Zeiten, in denen die Politik immer stromlinienförmiger in politischer Korrektheit den Bach runtergeht, wie Geröllsteine im Wasser. Peter Gauweiler war in Bayern in der absolutistischen Stoiber-Phase so ein Brocken. Oder der späte Heiner Geißler in der Kohl-Ära.

Als Sarrazin 2010 sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ vom Aussterben der Deutschen durch türkische Kopftücher schrieb, schrille, aber durchaus diskutable Thesen, geriet er in den allgemeinen Verschiss der Braven und Tugendhaften. Damals war ich in London beim German Symposium der School of Economics am King's College bei einer Diskussion mit dem zum Delinquenten Nummer eins aufgestiegenen Ex-Senator und Bestsellerautor. Die Debatte konnte allerdings nicht auf dem Uni-Campus stattfinden, weil dort handgreifliche Proteste drohten. Sie fand, Stunden verspätet, in einem Hotel statt. Sarrazin war dort Teilnehmer einer kontroversen, aber vernünftig geführten Round-Table-Debatte.

Jetzt hat er sein neues Buch vom Tugendterror im Berliner Ensemble (BE) vorstellen wollen und sollen. „Tugendterror“, so schmunzelte es in den meisten Rezensionen, das sei ja wohl im freiesten Deutschland der tolerantesten Meinungsvielfalt eine persönliche Empfindlichkeit des wohl zu Ich-bezogenen Autors.

Typischer Fall von Denkste, sagt da der Berliner, denn der standhafte Tugend-Mob der linken Selbstgerechtigkeit, ein Hunderter-Haufen, verhinderte durch Randale die Diskussion im BE am Schiffbauerdamm. Und bestätigte so die These vom Jugendterror. Wäre ja noch schöner, wenn jeder seine Meinung diskutieren dürfte. Der zweite Fall ist die Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff. Als die in einer Dresdner Rede ein paar eigenwillige, meinetwegen abseitige, Gefühle zum Nachwuchs aus dem Beischlaf oder dem aus künstlicher Befruchtung äußerte, kommandierte sie der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, mit jakobinischer Strenge guillotinehaft zurück: „Wir weisen den menschenverachtenden Ton und Gestus aufs Schärfste zurück.“

Mir wird bei dieser aggressiv aufgeladenen Selbstgerechtigkeit der organisierten Tugendwächter allmählich angst und bange.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt