Das Jahr 2014, dem wir uns mit den Weihnachtskerzen und den Silvesterkrachern entgegenfeiern, ist ein ganz besonderes Gedenkjahr, dessen Gewicht und geschichtlicher Bedeutung wir uns in den Folgen und Auswirkungen bis heute nicht entziehen können: Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914–18 jährt sich zum 100. Mal.

Wer so alt ist wie ich, hat die unmittelbaren Folgen noch miterlebt. Mein Großvater kam mit nur einem Bein aus dem russischen Feldzug zurück. Und während er mit mir tapfer auf zwei Krücken in Brünn in den steilen Jägerwald spazieren ging, es war 1938, waren wir mit der Sudetenkrise, mit Hitlers Annektion an der Schwelle des Zweiten Weltkriegs, der die Folge des Ersten Kriegs, der Kriegsschuldfrage, der Friedensverträge von Versailles und des Aufkommens eines wütend revanchistischen, revisionistischen, dumpf mörderischen Nationalismus werden sollte, sodass manche Historiker von einem Dreißigjährigen Krieg sprechen.

Da ist es gut, dass gerade drei hochgewichtige Bücher erschienen sind, die sich an die Analyse des Ausbruchs („Die Schlafwandler“ von Christopher Clark), die Schilderung seines grausigen Verlaufs („Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918“ von Herfried Münkler) und an die schreckliche Konsequenz heranwagten, mit der Hitler aus dem Ersten den Zweiten träumte und als Albtraum verwirklichte (Volker Ullrich: „Adolf Hitler. Die Jahre des Aufstiegs 1889 bis 1939“). Der australische Historiker Clark revidiert in seinem epochalen Werk die These von der Alleinschuld Deutschlands. Sicher war Wilhelm II. ein säbelrasselnder Maulheld, der seine europäischen Vettern in England und Russland nervte, sicher versprach die deutsche Reichsregierung in falsch verstandener Nibelungentreue den Österreichern Militärhilfe gegen Serbien, aber die Großmächte Europas, so zeigt er, schlitterten in eine Katastrophe, deren Ausmaß an technischer Vernichtung und politischer Fehleinschätzung sie wie in Trance überraschte.

Das Buch steht auf Platz 1 der „Spiegel“-Sachbuchliste. Man muss ihm gerade im Hinblick auf gegenwärtige Konfliktherde ebenso eine weitere Verbreitung wünschen wie der an neuen Details reichen Hitler-Biografie Ullrichs und der meisterhaft strukturierten Analyse des verhängnisvollen deutschen Primats des Militärischen über das Politische von Herfried Münkler.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt