Wenn bei Facebook, Twitter oder in den Blogs ein Sturm der Entrüstung ausbricht, ist das einfach Mist - oder der Anglizismus des Jahres.

Vom "Shit happens" (Mist passiert) ist es nur ein Atemzug bis zum "Shitstorm". Mehr Energie kostet es, den dunklen Sinn des Wortes zu erhellen. Der Anlass: "Shitstorm" ist seit gestern "Anglizismus des Jahres". Einleuchtend ist die Begründung der Jury um den Hamburger Anglistik-Professor Anatol Stefanowitsch. Es gebe "keine passende deutsche Übersetzung" für den Internet-Begriff. Zur Belohnung wurde er hochgepuscht. Das passt prima zu dem Phänomen.

Denn Shitstorm ist kaum mehr als ein Sturm der Entrüstung, nur eben im Internet. Doch ein konservativ-klassischer Ausdruck klingt im Zeitalter des Hip-Hop-Jargons wie von vorgestern. Und 48 Stunden sind im Internet eine mittlere Ewigkeit, in der eine versehentlich unbegrenzt entsandte Party-Einladung zur Demontage einer Millionen-Villa mutieren kann.

Ähnlich chaotisch verläuft ein Shitstorm: Am Anfang steht meist nur eine unbedeutende Wortmeldung bei Facebook, Twitter oder in einem der unzähligen Blogs, der tagebuchähnlichen Online-Endlos-Ergüsse. Dann folgen einzelne erregte Stimmen. Bis schließlich ein Sturm losbricht, unter dem die Urheber "fürchterlich" leiden und dem sie oft genug nicht mehr gewachsen sind. So erging es dem Bestsellerautor ("Das katholische Abenteuer") und "Spiegel"-Journalist Matthias Matussek, der eine Unterstützer-Website für den Papst ins Netz stellte. Es folgten "Beleidigungen im Sekundentakt", die "schlimmste Erfahrung meines Lebens", eine "mediale Katastrophe".

Ein Shitstorm eben, "natürlich ein gewollt derber Ausdruck" aus dem amerikanischen Slang, weiß Sprachwissenschaftler Stefanowitsch. Doch die Derbheit sei soweit abgefedert, dass das Wort auch im Sprachgebrauch akzeptiert sei. Vielleicht wie Schiet im Niederdeutschen? Da biste platt.