Abendblatt-Reporter Tino Lange wundert sich über eine E-Mail, die am 30. Dezember plötzlich in seinem Postfach auftauchte.

Fast wäre es niemandem aufgefallen, dass die ausgestrahlte TV-Neujahrsansprache des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl am 31. Dezember 1986 die Rede vom Vorjahr war. Immer diese Wiederholungen im Fernsehen! Seitdem, so das Gerücht, wird die Neujahrsansprache schon weit im Voraus in Grundzügen entworfen und über die Monate angepasst. So kann nichts schiefgehen, wären da nicht immer diese Mail-Irrläufer. Oder wie ist folgender Text, der Mittwoch plötzlich im Computer von Abendblatt-Reporter Tino Lange auftauchte, sonst zu verstehen?

"Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein ereignisreiches Jahr 2010 liegt hinter uns. Zeit, wieder Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.

Uns allen wird das entscheidende 1:0 gegen Brasilien im Finale der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika in Erinnerung bleiben. Natürlich stand Torschütze Mario Gomez wie üblich im Abseits - zumindest wurde es mir von Theodor Zwanziger zugeflüstert -, aber es braucht auch ein wenig Glück, um eine Nation in Freude zu vereinen. Denn jeder ist seines Glückes Schmied. Wer im passiven Abseits verharrt, braucht nicht auf eine Vorlage zu hoffen.

Im Oktober feierten wir das 20. Jubiläum des Tages der Deutschen Einheit mit einem neuen 10-Punkte-Plan: Gewinne sozialisieren, Verluste privatisieren, Steuern senken, GEZ-Gebühren nicht mehr versenken, mehr Demokratie wagen, weniger Dienstwagen, Unbegrenztes ermöglichen, Unmöglichkeiten begrenzen, gegen den Strom schwimmen, aber das im Fluss. Wir müssen zusammen dafür sorgen, das die Schlagwörter Zukunft und Freiheit nicht nur Wahlplakate schmücken, sondern unsere Freiheit auch in Zukunft sichern. Regieren ist mehr als rote Bänder zu durchschneiden und rote Teppiche zu beschreiten - mein ganz persönlicher Vorsatz für das neue Jahr.

Als besonderer Ansporn dient mir dabei der Nobelpreis für Physik, der mir vor wenigen Tagen in Stockholm für meine 'Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden' verliehen wurde.

Und schließen möchte ich mit dem Satz, der 1951, vor demnächst 50 Jahren, in die Geschichte einging: Unser Dorf soll schöner werden.

Ich wünsche Ihnen allen ein erfülltes, ein glückliches und ein gesegnetes Jahr 2011."