“Sein oder nicht sein“, heißt es im “Hamlet“, was aber nur im Deutschen eine Frage der Urheberschaft ist (“Von ihm oder nicht von ihm“).

In regelmäßigen Abständen taucht die These auf, dass Shakespeares Stücke, zweifellos die größten, tiefsten, universalsten Dramen, Tragödien, Komödien der Menschheit, nicht von Shakespeare stammen, nicht von Shakespeare stammen können.

Der Autor, der 1564 in Stratford-upon-Avon geboren wurde und dort 1616 verstarb, hat in seiner Heimatstadt weder eine Bibliothek hinterlassen noch Spuren seines gewaltigen dichterischen Werks. Er hat England nie verlassen. Woher sollte er also Venedig kennen, Verona, Rom wie Zypern oder Athen, wo seine tiefgründigen Stücke spielen? Er hat nicht studiert, woher sollte er also den Plutarch so gut kennen, wie dies sein Werk ausweist?

Hat also Shakespeare gar nicht die Shakespeare-Dramen geschrieben? War er ein Strohmann eines anderen gebildeten Geistes, der den geschickten Manager einer Theatergruppe benutzte, um seine Werke veröffentlichen zu können, ohne seine eigene Identität preisgeben zu müssen?

Als Favorit der "Shakespeare hinter Shakespeare"-These gilt seit Langem immer wieder Edward de Vere, Earl of Oxford (1515-1604). Er war gebildet, studiert, weit gereist, hatte den Horizont und die Tiefe, die gebildete Größe, die Shakespeares Werke vermitteln. Und: Er durfte als dem Hofe und der Königin Elizabeth I. nahestehend kein Theaterdichter sein. Das war unter seiner Würde. Also benutzte er den Strohmann Shakespeare, um sein Werk an die Öffentlichkeit zu bringen, und schenkte uns so das größte dramatische Werk der Neuzeit. Und machte Shakespeare reich und - posthum - berühmt.

"Sein oder nicht sein", heißt es im "Hamlet", was aber nur im Deutschen eine Frage der Urheberschaft ist ("Von ihm oder nicht von ihm"). Wir wissen nur, dass der echte Shakespeare einen Sohn namens Hamnet hatte und dass englische Kritiker jahrhundertelang nach besonders miserablen Shakespeare-Aufführungen vorschlugen: Jetzt müsse man nur Shakespeares Grab in Stratford öffnen. Habe sich der Dichter im Grabe vor Grausen gedreht, sei er der wirkliche Urheber.

Jetzt, in der SPD, ist ein anderer großer Sprachschöpfer abgetreten. Franz Müntefering, der Wortkarge, Münte genannt, Schöpfer des Slogans "Opposition ist Mist!", hat vor seinem Abgang offenbart, dass die Benennung der berühmt-berüchtigten "Agenda 2010" nicht von ihm oder Schröder stammt, sondern von einer Journalistin geschöpft worden sei.

Alle Beteiligten, inklusive der dem Ex-Kanzler nahestehenden Ex-Journalistin, leben noch. So wird man erst eines Tages die Gräber öffnen können, um feststellen zu können, welch kluge Köpf im Sarg rotiert, wenn von der Reform die Rede ist, die die SPD auf 23 Prozent heruntergewirtschaftet hat.