Der Steinzeitmensch musste alles stehen und liegen lassen, wenn der Säbelzahntiger auftauchte - ein Fluchtreflex.

So mancher hat sich morgens vor dem Spiegel schon gefragt: Wer ist dieses faltige, zottelige, ungepflegte Wesen, das mich da so sinnentleert anstarrt? Jetzt haben wir endlich die Antwort. Der moderne Mensch, der zum Mond fliegen, Neun-Gänge-Menüs zaubern und sphärische Sinfonien schreiben kann, lebt im Körper eines Steinzeitmenschen.

Der Mensch, sagen Wissenschaftler, ist vor Zigtausend Jahren für das Leben in der afrikanischen Savanne konzipiert worden. Heute muss er in einer Umgebung leben, für die er nicht geschaffen ist. Wenn die bessere Hälfte mal wieder den Bierbauch ihres Göttergatten beklagt, kann er locker kontern: "Schatz, ich bin eigentlich ein Mammutjäger. Ich muss so viel essen, wie es nur irgendwie geht." Es könnten ja auch schlechte Zeiten kommen.

Alles genetisch bedingt!

Der Steinzeitmensch musste alles stehen und liegen lassen, wenn der Säbelzahntiger auftauchte. Diesem Fluchtreflex können wir nicht mehr nachgeben, wenn zum Beispiel der Chef um die Ecke kommt. Wir müssen die Panikattacken im Büro tapfer ertragen.

Überlebenskampf bedeutet heute: Wir klettern nicht mehr auf Bäume, sondern wir halten unsere Feinde fern, indem wir unsere Behausungen zum Hochsicherheitstrakt machen. Die Mahlzeit muss nicht mehr unter Lebensgefahr erbeutet werden, sondern liegt eingeschweißt im Kühlregal. Statt ein Lagerfeuer zu entfachen, schalten wir kurz die Heizung und das Licht ein. Für den Wetterbericht brauchen wir keine rituellen Tänze, sondern zappen zu Kachelmann.

Unser Uralt-Körper ist ein einziger Kompromiss. Das Herz-Kreislauf-System, heute verantwortlich für jeden zweiten Todesfall, hielten die Frühmenschen fit, weil sie ihren Beutetieren hinterher- und vor ihren Feinden davonrannten. Wir dagegen sehen im HSV-Trikot "Sportschau" und gehen dann duschen. Und warum wir einen Wurmfortsatz, weiche Zähne, morsche Lendenwirbel oder Plattfüße geerbt haben, weiß niemand.

Ob die Evolution irgendwann noch einmal aufholt, ob uns Flügel wachsen, ohne dass wir Brause trinken müssen, ob wir Schwimmhäute oder Saugnäpfe an Händen und Füßen bekommen oder ob wir unseren Computer mit den Gedanken bedienen können, ist offen. Der Evolutionsbiologe Claus Wedekind meint: "Die Evolution des Menschen ist erst dann beendet, wenn wir ausgestorben sind." Daran arbeiten wir gerade.