Was Erfolg im Beruf und Höchstleistungen im Hobby mit der Sexualität zu tun haben

Guter Sex braucht Zeit, so viel steht fest. Für ein glückliches Miteinander, auch im Bett, müssen Paare zuallererst genügend Zeit miteinander verbringen. Menschen mit einem unbefriedigenden Sexualleben aber, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Universität Göttingen, stürzen sich häufig in Arbeit oder konzentrieren sich auf Hobbys und Ehrenämter. Knapp 32000 Menschen haben die Wissenschaftler zu deren Intimleben befragt. Was herauskam, kurbelt vielleicht die Wirtschaft an, für die Liebesbeziehungen der Deutschen bedeutet es nichts Gutes: Etwa ein Drittel der Männer und Frauen, die bis zu einmal in der Woche Sex hatten, versuchte sich mit Aktivitäten in anderen Bereichen abzulenken.

"Das wundert mich nicht", sagt Frank Sommer, Urologe, Sportmediziner und Universitätsprofessor für Männergesundheit am UKE. In sein Institut kommen täglich Patienten, größtenteils Männer, die beruflich erfolgreich, aber sexuell frustriert sind. "80 Prozent der Männer in meiner Sprechstunde leiden an drei typischen Dingen: Übergewicht, Müdigkeit und sexuellen Problemen." Klappt es im Bett nicht, konzentrieren sich gerade Männer auf andere Lebensbereiche. Sommer erklärt das mit der sogenannten Triebenergie.

"Das gesamte Leben wird von unserer Triebenergie geleitet, die wir sowohl für die Arbeit als auch für unsere Sexualität und andere Bereiche benötigen." Wie ein Wasserglas, das allmorgendlich randvoll ist und über den Tag je nach Anstrengung ausgetrunken wird, funktioniere das mit der Triebenergie. "Wenn ein Mensch hart arbeitet, kann es sein, dass der Vorrat an Triebenergie bis zum Abend nahezu erschöpft ist", sagt Professor Sommer. Komme dann noch ein kräftezehrendes Hobby wie intensives Sporttraining dazu, bleibe für Sexualität nichts mehr übrig. Das könne sich dann in Erektionsstörungen oder Libidoverlust äußern. Laut Statistik hat jeder vierte Mann zwischen 50 und 60 Jahren Erektionsstörungen, bei den 20- bis 30-Jährigen ist es nur jeder Vierzigste. Frank Sommer hat eigene Studien zum Thema angefertigt. 10000 Männer und Frauen waren vor 30 Jahren zu ihrem Sexualleben befragt worden, nun wurde noch mal nachgehakt. Das traurige Ergebnis: Wir Deutschen haben immer weniger Sex. Die Zahl der monatlichen sexuellen Aktivitäten hat sich je nach Altersklasse zum Teil sogar halbiert.

Gab die Gruppe der 18- bis 30-Jährigen vor 30 Jahren noch an, 18- bis 22-mal im Monat Sex zu haben, sind es heute nur noch vier- bis zehnmal monatlich. Die 30- bis 40-Jährigen waren mit acht- bis zwölfmal schon damals nicht übermäßig häufig sexuell aktiv, inzwischen sind es sogar nur noch drei- bis sechsmal.

Sommer erklärt sich das so: "Wir sind im Alltag vielfach überfordert, alles wird komplizierter, Arbeitsabläufe aufwendiger, auch im Privatleben. Das raubt viel Triebenergie." Dann noch Höchstleistungen in der Horizontalen abzuliefern - oftmals unmöglich.

Ist das Sexualleben dann erst einmal unbefriedigend, wird der Überschuss an vorhandener Triebenergie, die nicht benötigt wurde, auf der Arbeit oder während der Freizeitaktivitäten verbraucht. Erfolge im Berufsleben oder eine gute Platzierung im sportlichen Wettkampf rufen laut Sommer gerade bei Männern ähnliche Gefühle hervor wie guter Sex, eine tiefe innere Befriedigung. "Wenn sich der Mann anderweitig engagiert und kaum noch Zeit mit seiner Partnerin verbringt, beziehen Frauen das wiederum häufig auf sich, fühlen sich unattraktiv und werden ebenfalls immer unzufriedener." Spätestens dann hat sich der Teufelskreis geschlossen. Der Tipp des Experten, der täglich Erektionsstörungen, Impotenz und Unfruchtbarkeit behandelt: "Sexuelle Probleme offen, aber sensibel ansprechen." Das hört sich so einfach an, ist aber gar nicht so leicht umzusetzen.