Wenn Frau und Mann sich am Herd treffen, herrscht selten Harmonie. Da werden regelrechte Kämpfe um die Kochmütze ausgetragen. Jean-Claude Kaufmann, Soziologe und Star-Autor aus Frankreich, hat Liebenden in die Töpfe geguckt.

Wie es um die Beziehung gestellt ist, zeigt sich in der Küche und am Esstisch. Bei den Recherchen und Interviews für sein neues Buch "Kochende Leidenschaft" ist Jean-Claude Kaufmann (58) auf kulinarische Machtspiele zwischen den Geschlechtern gestoßen. Und das, obwohl oder gerade weil "das Kochen die häusliche Tätigkeit darstellt, bei der die Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau das höchste Niveau erreicht hat". Wer in der Küche die Hosen anhabe, entscheide sich schon im Elternhaus, so der Autor weiter. Dabei fängt es meist ganz harmlos an... Als Kinder und Jugendliche sind wir Esser, selten Köche. Mal abgesehen von abenteuerlichen Experimenten wie Chips mit Nutella oder Cornflakes mit Bolognese. Ganz unbewusst beobachten wir die Eltern beim Hantieren in der Küche, speichern Handgriffe, Rezepte und eben auch Rollenverhalten ab. Die erste ernsthafte Beschäftigung mit der Küche erfolgt meistens mit dem Umzug in die eigene Wohnung. "Von einem auf den anderen Tag wird man Küchenchef, und sei es nur von zwei bescheidenen Eiern auf dem Teller", so Kaufmann. Mit der Zeit automatisieren sich die Handgriffe, die Abläufe in der Küche werden fließender, Freunde und Kochbücher zurate gezogen.

Während der Single es gewohnt ist, nach seinem Geschmack einzukaufen und zu kochen, muss er in einer Beziehung Kompromisse machen - und um seine Stellung in der Küche kämpfen. "Seine künftige Handlungsweise hängt nicht von ihm allein ab. Denn das Kochen wird von nun an dazu dienen, das Paar und die Familie herzustellen." Das Paar beispielsweise versucht herauszufinden, was beiden schmeckt, um die gegenseitige Verbundenheit durch gemeinsames Essen und Genießen zu intensivieren. Allerdings bleiben unterschiedliche Auffassungen dabei nicht aus. "Dann wird das Kochen weniger liebevoll, es kann sogar ein bisschen kriegerisch werden, um die Vereinigung voranzutreiben."

Topfschlagen einmal anders

Wenn zum Beispiel eine überzeugte Vegetarierin auf einen Fleischliebhaber stößt, wird es spannend: Wer gibt nun den Ton in der Küche an? Werden die beiden überhaupt zusammen kochen? Ausdruck einer gleichberechtigten Beziehung wären regelmäßige fleischlose Tage im Wechsel mit seinen Lieblingsspeisen. Das Paar könnte sich jedoch auch in andere Richtungen entwickeln: Der Pascha, der sich das Steak ins Fernsehzimmer bringen lässt, ist ebenso fatal wie die Küchenchefin, die ihm ihre fleischlose Küche aufdrängt und niemanden neben sich in der Küche duldet. Auf die jeweiligen Vorlieben des Partners wird in beiden Fällen nicht eingegangen, ganz im Gegenteil: Das Kochen wird als Machtinstrument missbraucht. Von kochender Leidenschaft keine Spur.

Aber es geht auch anders, weiß der Autor: "Jeder kennt in seiner Umgebung ein paar vorbildliche, tapfere Männer, moderne Helden des Haushalts, die so sehr mystifiziert werden, dass sie sich in Bäume verwandeln, hinter denen man den Wald der fortbestehenden Ungleichheit nicht mehr erkennt." Der Mann, der sich die Mütze des Küchenchefs aufsetzt, mischt sich nicht ins alltägliche Kochen ein. Er betrachtet Kochen als kreativen Akt, wenn möglich vor den bewundernden Blicken eines größeren Publikums. Diese Männer neigen daher dazu, ihre Kunst für besondere Essen aufzusparen. Zum Ärger der Partnerin. Denn oft ist sie diejenige, die die verwüstete Küche aufräumen und das viele schmutzige Geschirr spülen muss! Trotzdem freut sie sich immer wieder über die überraschenden kulinarischen Ausbrüche des Mannes, da sie nicht nur den Küchen-, sondern auch den Beziehungsalltag auffrischen. Nicht selten entdecken Ehemänner ihre kochende Leidenschaft erst spät, nämlich dann, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Er genießt es, am Herd zu experimentieren, sie lässt ihn gern gewähren, nach der langen Zeit in der Versorgerrolle für die Familie. Das gemeinsame Köcheln kann einer langjährigen Ehe neuen Schwung geben und aus alten Gewohnheiten heraushelfen.

Sehr viel häufiger aber spielt der Partner eine mehr oder weniger gut besetzte Nebenrolle in der Küchen-Soap: Der Handlanger, der der Küchenchefin assistiert. Er schneidet Zwiebeln, öffnet den Wein, deckt den Tisch und ist bei größeren Gesellschaften die moralische Stütze der Gastgeberin. Eine Köchin namens Clementine berichtet in dem Buch, dass sie und ihr Mann gegen Langeweile in der Küche das "Ritual des kleinen Aperitifs" eingeführt haben: "Ich trinke beim Kochen gern einen Aperitif mit ihm. Da macht es dann Spaß." Die meisten Frauen teilen nicht gern Befehle aus, ärgern sich aber über mangelnde Mithilfe ihres Partners, der darauf zum Teil mit Schuldbewusstsein reagiert. Kaufmann: "Wenn die Frau offiziell um Unterstützung bittet, dann ebenso sehr, um entlastet zu werden, wie um an die latente Unzufriedenheit zu erinnern." Köchin Charlotte nervt es zum Beispiel, wenn sich ihr Mann einfach an den gedeckten Tisch setzt: "Manchmal sage ich zu meinem Mann: Hol mir mal dies oder jenes.` Es ist mir zwar keine Last, aber ich habe es gern, wenn man mir hilft."

Du brauchst keine Hilfe, oder?

Zeigt der Mann zuviel Engagement am Herd, ist es vielen Köchinnen auch wiederum nicht recht. Sie fühlen sich in ihrem Kompetenzbereich bedrängt. Kaufmann berichtet von Suzette, die ihren Mann jedes Mal belächelt, wenn er wieder "seinen Auflauf" macht. "Er hat mir nicht mal sein Rezept verraten!" Einen Sonderfall stellt das Grillen dar: Seit Urzeiten waren es Männer gewohnt, ihre erlegte Beute über der Glut zu grillen. Anscheinend die einzige im Haushalt legitimierte männliche Tätigkeit. "Bei vielen Paaren kann es den Anschein einer Beteiligung oder eines Könnens des Mannes erwecken, ohne dass die gewohnten Vorrechte der Küchenchefin dadurch infrage gestellt würden", so der Autor. Das Schlimmste, was der Handlanger fragen kann, ist: "Du brauchst doch keine Hilfe, oder?", während er mit etwas anderem beschäftigt ist. Die Partnerin kann nicht anders, als zerknirscht mit "Nein" zu antworten. Sie benötigt nicht wirklich Hilfe (und besteht deshalb auch nicht darauf). "Alles, was sie sich wünscht, sind ein paar symbolische Gesten, die ihr den Eindruck von Partnerschaft vermitteln." Es muss von ihm kommen - das gilt nicht nur fürs Kochen. "Schuldbewusstsein genügt nicht, damit Initiative ergriffen wird. So etwas bewirkt allein die Leidenschaft."

Jean-Claude Kaufmann: "Kochende Leidenschaft, Soziologie vom Kochen und Essen", UVK Verlag, 19,90 Euro.