In Hamburg treffen sich erstmals Donald Trump und Wladimir Putin. Das Gespräch dauert länger als zwei Stunden – und bringt ein überraschendes Ergebnis

Donald Trump trifft Wladimir Putin. Der amerikanische Präsident und sein russischer Amtskollege sitzen sich am Freitagnachmittag gegenüber: Ein Hauch von Showdown weht durch die Hamburger Messehallen. Es ist die erste persönliche Begegnung der zwei Alphatiere der Weltpolitik.

Beide im staatstragenden dunkelblauen Anzug mit blau-weiß gemusterter Krawatte. Kurzer Blick in die Augen, fester Händedruck, Pokerface. „Es ist eine Ehre, Sie zu treffen“, sagt Trump zu Putin. Dieser entgegnet, er sei ebenfalls „erfreut“ darüber. Danach ziehen sie sich zum Gespräch zurück. Es ist auf eine halbe Stunde angesetzt, dauert aber zwei Stunden und 16 Minuten.

Kurz zuvor hat die zweite Arbeitssitzung der Präsidenten und Premiers der 20 größten Industrie- und Schwellenländer begonnen. Die Klimapolitik steht auf der Tagesordnung, das umstrittenste Thema des G20-Gipfels. Trump ergreift kurz das Wort und verlässt danach den Raum für den Austausch mit Putin. Dass der Amerikaner nicht viel vom Pariser Klimavertrag hält, ist bekannt. Doch am Freitag will er noch einmal zeigen, wer wirklich Regie führt – nämlich er.

US-Außenminister Rex Tillerson, der an dem Gespräch mit Putin teilnimmt, spricht am späten Abend von einem „sehr konstruktiven Treffen“. So hätten Washington und Moskau eine Waffenruhe für Südwest-Syrien vereinbart. „Das ist das erste Anzeichen, dass Amerika und Russland zusammenarbeiten“, betont Tillerson. Die Waffenruhe, an der auch Jordanien beteiligt sei, solle am Sonntag beginnen. Auch beim Ukraine-Konflikt gebe es Fortschritte. „Auf Bitten Putins hat der Präsident einen Sonderbeauftragten für die Ukraine ernannt.“

Aber bei dem Zweiertreffen sei es auch deutlich zur Sache gegangen, räumt der Außenminister ein. „Der Präsident eröffnete das Treffen mit der Bemerkung, dass sich Russland in den amerikanischen Wahlkampf 2016 eingemischt habe.“ Putin habe das bestritten. Trump steht im eigenen Land unter Druck, zu weich gegenüber Russland aufzutreten.

Selbst in seiner republikanischen Partei wächst das Unbehagen. Die Vorwürfe der US-Geheimdienste, Russland habe mit Hackerangriffen und gezielten Indiskretionen einen Sieg der demokratischen Rivalin Hillary Clinton verhindern wollen, lasten schwer auf ihm. Vor diesem Hintergrund sind Trumps Äußerungen vom Freitag als Versuch zu sehen, sich aus der Schusslinie zu nehmen.

Viel wurde im Vorfeld über das Tête-à-Tête mit Putin spekuliert. Einige hatten kurz nach Trumps Wahl die Hoffnung, dass ein neues russisch-amerikanisches Tauwetter bevorstehe. Er strebe „großartige Beziehungen“ zu Moskau an, hatte der neue Chef im Weißen Haus angekündigt. Mittlerweile gibt es jedoch eine Reihe von Reibungspunkten. Bei seiner Rede am Donnerstag in Warschau warf Trump Russland „destabilisierendes Verhalten“ in der Ukraine, in Syrien und im Iran vor. Er pries den Verkauf von „Patriot“-Raketen an die polnische Regierung. Für Moskau, das sehr sensibel auf alle Militär-Aktivitäten an der Ostflanke der Nato reagiert, war dies mehr als ein Nadelstich.

Die Rede in Warschau war mehr als nur ein Nadelstich

Doch auch in wirtschaftlicher Hinsicht operiert der US-Präsident zunehmend mit härteren Bandagen. Vor wenigen Wochen lieferten US-Unternehmen erstmals Flüssiggas nach Polen. Bislang war der Gasmarkt in Europa fest in russischer Hand. Im Syrien-Konflikt hatte sich der Ton zwischen Washington und Moskau zuletzt ebenfalls verschärft. Insbesondere der US-Angriff mit Marschflugkörpern auf eine syrische Militärbasis Anfang April trübte die Stimmung. Beim Konflikt mit Nordkorea schoss Trump Breitseiten gegen Russland und China. Beide Länder täten zu wenig, um den atomwaffenversessenen Diktator Kim Jong-un an die Kandare zu nehmen, so der Präsident. Putin forderte daraufhin kühl: Washington solle die gemeinsamen Manöver mit Südkorea einstellen, dann könne man auch mehr Druck auf Pjöngjang ausüben. Russland und China verfolgen gemeinsame strategische Ziele. Sie wollen die Amerikaner aus ihrem Hinterhof Südostasien heraushalten und benutzen Nordkorea als Hebel.

Trotz der Annäherungsversuche des US-Präsidenten zu Beginn seiner Amtszeit: Moskau hat sich nie von einer Trump-Euphorie anstecken lassen. Der Kreml kalkulierte von Anfang an ganz nüchtern, wo gemeinsame Interessen liegen könnten, zum Beispiel beim Kampf gegen den islamistischen Terror.

Mittlerweile hat sich jedoch Enttäuschung breitgemacht. „Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Donald Trump keine unabhängige Außenpolitik machen kann“, kritisierte Adschar Kurtow, Chefredakteur der kremlnahen Zeitung „Problemy Nazionalnoi Strategii“. Trumps innenpolitische Gegner in Kongress, Senat und den Medien kontrollierten seine außenpolitischen Entscheidungen.

Beobachter in Washington sehen Trump in einem Dilemma: Um den Vorwurf eines Kuschelkurses gegenüber Russland abzubiegen, müsse er immer wieder Härte zeigen. Da der Präsident bislang zur Lösung internationaler Konflikte wenig beigetragen habe, suche er oft sein Heil in Kraftmeierei. Das komme vor allem bei den Leuten an, die ihn gewählt haben.

Auch Putin zelebriert die Demonstration von Macht. Wie Trump spielt er gern mit Bildern von strotzender Maskulinität, die manche für blanke Karikatur halten. So lässt der Kremlchef gern Fotos verbreiten, die ihn dabei zeigen, wie er Tiger jagt oder Judo-Partner auf die Matte legt.

Putin weiß, dass das Image des starken Mannes zu Hause zieht. Doch nicht nur das. Der Mann, der den Zusammenbruch der Sowjetunion einmal als die „größte geopolitische Katastrophe des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet hatte, hat Russland auf die Weltbühne zurückgebracht – mit zum Teil zweifelhaften Methoden.

Sowohl Trump als auch Putin haben einen Hang zur Selbstinszenierung, der in einen permanenten Ego-Wettlauf mündet. Das macht es schwierig, Kompromisse zu finden. Zumindest einer hat aber das Ziel von einer Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen noch nicht aufgegeben. „Ich persönlich hoffe inständig, dass sich der Pragmatismus durchsetzt“, sagt der russische Außenminister Sergej Lawrow. Es klingt wie ein Stoßgebet.