Vom Gipfel bekommen die meisten in der Stadt wenig mit. Vom Protest der Gegner hingegen schon. Viele friedliche und gewalttätige Aktionen halten nicht nur die Polizei in Atem

Freitag, 7. Juli: Der erste Gipfeltag. Es wird ein schwarzer Tag für Hamburg – ein Tag voller Gewalttaten. Hier das Protokoll.

6.53 Uhr: Bei einem Polizeieinsatz am Rondenbarg werden 14 Demonstranten verletzt, elf davon schwer. Sie versuchten nach Auskunft der Feuerwehr, über eine Mauer mit ­Absperrgittern zu klettern, um sich Zutritt zu einem Firmengelände zu verschaffen. Das Gitter bricht zusammen, die Menschen stürzen etwa vier Meter in die Tiefe.

6.54 Uhr: Auf dem Gelände eines Autohändlers im Stadtteil Marienthal brennen Autoreifen. 60 Feuerwehrleute sind im Einsatz. Ob es einen Zusammenhang mit den Protesten gegen den Gipfel gibt, ist unklar.

7.40 Uhr: Ein Schwarzer Block mit rund 60 Teilnehmern bewegt sich auf der Elbchaussee Richtung Rathaus Altona. Ungestört von der Polizei, die nicht zu sehen ist, werden mindestens 20 Autos angezündet, Mülltonnen in Brand gesteckt, Scheiben eingeschlagen, Bushaltestellen demoliert. Über die Max-Brauer-Allee geht es ungehindert weiter in die Große Bergstraße. Auch dort zerstörte Fensterscheiben, bei Ikea brennt es kurzzeitig.

7.54 Uhr: Am Berliner Tor startet eine Demonstration mit 200 Teilnehmern. Es kommt zu Rangeleien mit der Polizei, an den Landungsbrücken setzen sich mehr als 1000 weiß und lila gekleidete Menschen in Bewegung.

8.25 Uhr: Demonstranten blockieren ­S-Bahn-Gleise zwischen den Bahnhöfen Altona und Elbgaustraße.

9.13 Uhr: Am Michel werden rund 500 Demonstranten kurzzeitig von der Polizei eingekesselt, dürfen dann aber weiterziehen.

9.25 Uhr: Der Demonstrationszug, der sich auf der Veddel gebildet hat, wird von der Polizei vor der Argentinienbrücke auf Steinwerder gestoppt. Das Ziel des Zuges, die Köhlbrandbrücke, wird nicht erreicht.

9.49 Uhr: Auf der Grindelallee trommelt die Sambagruppe Rythms of Resistance gegen G20. Alles bleibt friedlich.

10.27 Uhr: Die Demo im Hafen wird beendet.

10.43 Uhr: Demonstranten besetzen den Stephansplatz.

10.55 Uhr: Die Polizei räumt den Stephansplatz.

11.14 Uhr: Die Hochbahn meldet: Wegen der Ausschreitungen im Hamburger Westen sind die Buslinien 254 und 256 eingestellt worden.

11.47 Uhr: Die Polizei setzt Wasserwerfer ein, um Demonstranten in der Nähe des Springerhauses in der Innenstadt zu vertreiben.

11.52 Uhr: Die Hamburger Polizei fordert Verstärkung an. „Wir haben bundesweit angefragt, ob Kräfte frei sind“, sagt ein Polizeisprecher.

12.08 Uhr: Die Kindertagesstätte St. Stephanus in Eimsbüttel wird vorsorglich geräumt. Die Eltern werden aufgefordert, ihre Kinder abzuholen.

12.30 Uhr: Die Polizei Schleswig-Holstein reagiert auf die Bitte der Hansestadt Hamburg und sagt zu, 200 zusätzliche Beamte zu schicken.

12.30 Uhr: Laut Innensenator Andy Grote (SPD) gibt es mittlerweile 160 verletzte Polizisten. 60 Personen seien festgenommen worden. Die Gewalttäter, die am Morgen durch die Elbchaussee und die Max-Brauer-Allee gezogen seien, seien vom Camp im Volkspark gekommen, sagt er.

13.10 Uhr: Die Polizei twittert: „An der Holstenstraße werden Polizisten mit Molotowcocktails beworfen, Barrikaden brennen.“

13.30 Uhr: Die Feuerwehr meldet: 60 verletzte Demonstranten werden in Krankenhäusern behandelt.

13.53 Uhr: Das Einkaufszentrum Mercado in Ottensen schließt aus Sicherheitsgründen.

14.16 Uhr: In der Schanze ist es ruhig. Vor der Roten Flora wird Proviant ausgeladen: Mittagspause.

14.39 Uhr: Die Autohäuser am Nedderfeld schließen aus Sicherheitsgründen.

15.50 Uhr: Die Elbphilharmonie wird abgeriegelt, die Norderelbe für die gesamte Schifffahrt gesperrt. In der Elbphilharmonie soll um 19 Uhr das Konzert für die G2o-Staatsgäste beginnen.

16.30 Uhr: Nach dem Abschluss einer friedlichen Demonstration mit dem Motto „Bildungsstreik: Bildungsraum statt Lernfabrik“ kommt es am Millerntorplatz zu Krawallen. Teilnehmer versuchen, zur Elbphilharmonie durchzudringen. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein. Am Hotel Empire Riverside werden Scheiben eingeworfen.

16.40 Uhr: Die Innenstadt ist nahezu abgeriegelt. Auch die U-Bahnen fahren nicht mehr.

16.42 Uhr: Die Polizei bittet via Twitter: „Lasst das Auto stehen. Aufgrund der derzeitigen Krawalle empfehlen wir nicht, mit dem Fahrzeug in die Innenstadt zu fahren.“

17.14 Uhr: Demonstranten dringen nach Auskunft der Polizei in den gesperrten Bahnhof Landungsbrücken ein. Die Polizei zieht 22 Mitglieder der Organisation Greenpeace aus dem Wasser der Elbe. Sie wollten in die Sperrzone hineinschwimmen.

17.35 Uhr: Oberhalb der Landungsbrücken brennen zwei Autos. Die Feuerwehr löscht sie.

17.51 Uhr: Die Polizei aktualisiert ihre Zahlen: Seit Donnerstag hat sie 70 Personen festgenommen und 15 in Gewahrsam genommen.

18.53 Uhr: Die Polizei räumt eine Sitzblockade in der Ludwig-Erhard-Straße.

18.55 Uhr: In Seitenstraßen der Reeperbahn und in der nahen Hafenstraße werden Barrikaden aus Bauzäunen und Mülltonnen errichtet.

19.19 Uhr: Mit einem emotionalen Appell ruft Rapper Samy Deluxe dazu auf, die Gewalt in Hamburg zu beenden. Die Situation sei „sehr gefährlich“. Daher fordert der Rapper: „Stoppt den Krieg!“

19.23 Uhr: Wasserwerfereinsatz: Die Polizei versucht, die von Demonstranten besetzte Kreuzung Budapester Straße/Simon-von-Utrecht-Straße zu räumen. Es fliegen Flaschen.

19.35 Uhr: Nun werden auch im Schanzenviertel Polizisten attackiert – mit Flaschen und Steinen. Die dort eingesetzten Kräfte sind offenbar zu schwach.

19.58 Uhr: In St. Pauli gibt es an mehreren Stellen Einsätze, die Polizei setzt Wasserwerfer gegen Randalierer ein.
20.48 Uhr: Die „Revolutionäre Anti-G20-Demo“ beginnt mit rund 1000 Teilnehmern.
21.07 Uhr: Die Lage am Pferdemarkt eskaliert: Demonstranten haben Brände auf der Straße gelegt, die Polizei setzt Wasserwerfer ein, hält sich aber ansonsten zurück, um die Lage zu beraten.
21.38 Uhr: Auch vor dem besetzten Theater Rote Flora im Schanzenviertel brennen die Barrikaden. Die Polizei scheint überfordert.

21.58 Uhr: Randalierer plündern einen Drogerie- und einen Supermarkt nahe dem Schulterblatt. Laut Polizei schießen Autonome von einem Gerüst mit Zwillen auf Beamte.

22.17: Immer mehr Anwohner reagieren genervt und empört auf die Randalierer. Auch via Twitter distanzieren sich viele G20-Gegner. Ewald Lienen postet: „Geht nur noch darum, ein zweites Genua zu verhindern.“

22.23 Uhr: Am Schulterblatt eskaliert die Lage weiter, ohne dass die Polizei eingreift – sie hat sich zurückgezogen.

22.37 Uhr: Die Polizei fordert Unbeteiligte auf, sich zu entfernen. Eine Anwohnerin twittert: „Gestern sofort draufgehen und heute Plünderungen zusehen? Ich versteh Euch nicht.“

23.02 Uhr: Die Polizei formiert sich, greift aber seit nun zwei Stunden nur sporadisch ein. Der S-Bahnverkehr ist in der Innenstadt weiter unterbrochen.

23.22 Uhr: Der Mob reißt immer mehr Steine aus Straßen und Gehwegen und gibt sich einer Gewaltorgie hin.

23.36 Uhr: Die Polizisten bekommen Wasser und Bananen – man rechnet offenbar mit einer langen Nacht.