Hamburg. Beim großen Festival mit Grönemeyer, Trudeau und Co. vermählten sich Pop und Politik

Auf der Jagd nach guten, nach schönen, nach Hoffnung machenden Bildern von diesen so katastrophal gestarteten Gipfeltagen muss man nun fast notgedrungen auf das „Global Citizen“-Festival verweisen. Dort war es Donnerstagabend zum Beispiel die kolumbianische Popsängerin Shakira, die in einer kämpferischen Rede für mehr weltweite Bildung warb und versprach, bei der Uno – sie ist Unicef-Botschafterin – einen Fonds durchzusetzen. Man nahm ihr das Engagement fraglos ab, wie überhaupt an diesem zwischen erstklassigem Entertainment und Volkshochschule changierenden Abend vieles stimmig und optimistisch und sinnvoll wirkte. Noch ist der Planet nicht verloren.

Die meisten der überwiegend jungen Besucher hatten für das Konzert nichts bezahlt und sich vielmehr durch nachgewiesenes gesellschaftliches Engagement für ein Ticket qualifiziert. Es war also der politisch interessierte und wache Teil der Bevölkerung da, und er verquickte auf bemerkenswerte Weise Spaß und Pflicht. Zwischen Abtanzen und Bierholen war zumindest über weite Strecken der fünfstündigen Veranstaltung immer genug Interesse für die vielen, vielen Statements der Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die zwischen den Auftritten vom Kampf gegen die Armut in Entwicklungsländern berichteten.

Die Krawallmacher aufSt. Pauli waren weit weg

Ja, es war sogar so, dass Redner wie der afrikanische Mediziner, der erfolgreich Ebola bekämpft, mit lautem Jubel bedacht wurden. Und jedes Mal, wenn das Publikum mit Slogans wie „Ihr seid die Anführer nicht nur von morgen, sondern die von heute“ bedacht wurde, hob ein beachtlicher Applaus an. Der mochte sowohl so etwas wie „Danke für die Blumen“ ausdrücken als auch eine Form von Mutmacher sein – mit der sich diese nächste Generation selbst motivierte.

Sie lässt ihre Bereitschaft zur wilden Feierei übrigens nie zu Hause, auch wenn ihr ausweislich ihres Engagements mehr oder minder stark nach permanenter Weltrettung zumute ist. Die Menschen in der Barclaycard Arena waren, auch wenn ein kräftiges Ja zu Parolen wie „Für Freiheit. Für Gerechtigkeit. Für alle“ einem privilegierten Mitteleuropäer manchmal auch gar zu leicht über die Lippen geht, an jenem Donnerstagabend die hell leuchtenden Repräsentanten der Unzufriedenen. Und die Krawallmacher aus der Stadtmitte ihre abstoßenden Gegner im Geiste. Über ihre Smartphones bekamen die Besucher in der Barclaycard Arena mit, was auf St. Pauli los war, aber der Schwarze Block und Polizeieinsätze waren für eine Weile ganz weit weg.

Immer wieder interessant übrigens, wie es der Popkultur gelingt, Engagement als cool oder sexy zu verkaufen – dem „Global Citizen“-Schirmherr Chris Martin und seiner Band Coldplay oder dem US-amerikanischen Sänger Pharrell fraß das Publikum aus der Hand. Und noch interessanter war zu sehen, wie bloßer Popverdacht die Perspektive verändern kann. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sieht aus wie ein Filmstar und wurde frenetisch gefeiert, während die eher unglamourösen Sozialdemokraten Olaf Scholz und Sigmar Gabriel anfängliche Buhrufe auf sich zogen. Zu harmonisch sollte es auch nicht sein, es geht bei „Global Citizen“ erklärtermaßen ja auch immer darum, den Politikern Druck zu machen. Am Ende verließen etliche die Kräfte trotz noch so guten Willens und Bemühens um den Weltfrieden: Als Grönemeyer auftrat, waren viele schon gegangen.