Andreas Bourani ist einer der deutschen Stars beim Global Citizen Festival in der Barclaycard Arena. Er spricht über die Botschaft des Konzertabends und die zunehmende Kritik,die Deutschpop-Szenesei zu unpolitisch

Dann tastest du den Rücken ab. So. Dann die Beine ...“: Am Vorabend des Global Citizen Festivals in der Barclaycard Arena wird der Security-Nachwuchs am lebenden Objekt ausgebildet. Zwar sind die Einlasskontrollen bereits seit einigen Monaten extrem verschärft worden, aber das zumindest von den Namen der Künstler her größte Hamburger Konzertevent seit vielen Jahren schaut noch eine Spur genauer in die Taschen.

Dabei laufen am Mittwoch noch die Lichtproben und Soundchecks auf der gigantischen Bühne. Erst am Donnerstag werden sich Coldplay, Shakira, Pharrell Williams, Ellie Goulding, Herbert Grönemeyer, Andreas Bourani und Lena gleichzeitig in der Halle befinden, auch der kanadische Premierminister Justin Trudeau, Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg und der argentinische Präsident Mauricio Macri sowie Außenminister Sigmar Gabriel haben ihr Kommen angekündigt.

Trotzdem stehen schon jetzt an jeder Tür, in jedem Gang der Katakomben aufmerksame Ordner. Im Saal probt gerade die Band von Pharrell Williams „Happy“. Komikerin Carolin Kebekus, die wie auch die Schauspieler Elyas M’Barek und Florian David Fitz in den Umbaupausen zwischen den Bands auftreten wird, orientiert sich noch im Backstage-Durcheinander. Presse ist wenig zu sehen, eine Kollegin von NDR 2 wartet geduldig mit auf An­dreas Bourani.

Denn obwohl Global Citizen eine weltweit beachtete Veranstaltung mit plakativen und deutlichen Forderungen ist, halten sich die Künstler vorher mit Interviews oder Statements erstaunlich zurück. Aber der Berliner Sänger An­dreas Bourani, dessen Hit „Auf uns“ 2014 zur Begleithymne des deutschen WM-Titels wurde, kommt gern nach seinem Soundcheck zu einem Treffen – in Lenas Umkleideraum.

Herr Bourani, beim Global Citizen Festival wollen Sie sich für weltweit bessere Bildung, Gesundheitsversorgung, Gleichberechtigung und Sanitärbedingungen, für Flüchtlingshilfe und gegen Mangelernährung engagieren. Glauben Sie, die G20-Gipfelteilnehmer schenken Ihnen Gehör?

Andreas Bourani: Ich bin überzeugt, dass wir Gehör finden. Der weltweite Fokus liegt derzeit auf Hamburg, wir haben ein volles Haus, und das mediale Echo sowie das Interesse der Menschen sind schon jetzt aufsehenerregend.

Immerhin wollen die Regierungschefs von Kanada, Norwegen und Argentinien sowie auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel dabei sein. Sie haben sich ja schon für die „Aktion Mensch“ engagiert, aber haben Sie bei Ihrer Zusage für Global Citizen damit gerechnet, wie gigantisch dieser Abend inszeniert wird?

Wir Musiker versuchen ja nur, so viele Leute wie möglich für eine Botschaft zu versammeln. Ich wünsche mir mehr politische Aktivität und Teilnahme gerade von jungen Menschen, die sich vielleicht zum ersten Mal mit solchen Themen auseinandersetzen. Da sind wir als Musiker ein gutes Sprachrohr. Ich kenne jedenfalls wenig Politiker, die so eine große Halle mit Reden füllen würden. Und wir sprechen Themen an, die in der Weltpolitik zu wenig Gehör finden, weil sie nicht zur Machtdemonstration taugen oder Wählerstimmen versprechen.

Ein Kritikpunkt an Global Citizen war, dass man sich erst an politischen Internet-Aktionen beteiligen musste, um eine Eintrittskarte zu bekommen.

Man glaubt ja immer: Da oben sitzen die Mächtigen, und wir schauen teilnahmslos zu. Wir müssen lernen, dass jeder Einzelne die Macht hat, mitzugestalten. Normalerweise wird bei Benefizkonzerten ein Batzen Geld gesammelt, aber was dann damit passiert, bleibt für viele unsichtbar. Aber wenn 15.000 Leute einen Premierminister anschreiben, dann kann er das nicht ignorieren. Aktivismus im Internet ist auf der Höhe der Zeit, und alle nutzen es, ob Präsident oder Popsänger.

Sie, Lena Meyer-Landrut und Herbert Grönemeyer sind die deutschen Künstler bei Global Citizen. Was entgegnen Sie der zunehmend geäußerten Meinung, dass die deutsche Popszene zu unpolitisch sei, zu banal und belanglos?

Ich lasse mich da nicht unter Druck setzen. Ich bin kein politischer Sänger, das ist richtig, und das war auch nie mein Ziel. Ich bin Entertainer. Aber es gibt ja das Sprichwort: Kritisiere das Spiel und nicht den Spieler. Warum wird nicht die Gesellschaft kritisiert, die niedrigen Wahlbeteiligungen und der zunehmende Populismus, sondern wir Künstler? Natürlich habe auch ich eine Meinung zum Brexit, zu Trump, zu Protektionismus und Fremdenhass. Aber das trenne ich von meiner Kunst und meiner Freiheit, mich selber zu verwirklichen.

Wie ist die Stimmung hier in der Arena?

Eigentlich ist es von den technischen Abläufen wie bei jedem Festival, allerdings sind die Sicherheitsvorkehrungen wirklich sehr hoch. Bei jedem Rein- und Rausgehen wirst du gecheckt, deine Tasche geröntgt, das kannte ich so auch noch nicht.

Was haben Sie bislang von den aktuellen Zuständen, von der Atmosphäre in Hamburg mitbekommen?

Es herrscht spürbare Unruhe. Überall sieht man Polizeikolonnen und kleine Grüppchen. Man scheint sich zu formieren, die Lage zu checken. Ich lasse mich davon aber nicht einschüchtern, sondern konzentriere mich auf die Menschen, die hierherkommen, weil sie sich aktiv engagiert haben, und diese Energie mit uns teilen möchten. Natürlich sind wir Künstler hoffnungslose Optimisten, aber das ist besser, als zu Hause zu sitzen und Däumchen zu drehen.

Haben Sie schon mal an einer Demonstration teilgenommen?

Nein.

Was würde Sie auf die Straße treiben?

Wut. Wenn ich merke, dass es mir zu weit geht, dann werde ich auf die Straße gehen.