Steinbrück und Schroeder. Was nach großer Politik klingt, ist in Wahrheit reine Satire.Der Ex-Kanzlerkandidat der SPD macht Theater mit einem Mann, der keine Tabus kennt. Das wird lustig

Man kann versuchen, ein Interview mit Peer Steinbrück und dem Kabarettisten Florian Schroeder zu führen. Sinnvoller ist es aber, den Zettel mit den lange vorbereiteten Fragen unauffällig unter den Redaktionstisch fallen zu lassen, tief einzuatmen und zu hoffen, dass man irgendwann in der nächsten Stunde zu Wort kommen wird.

Und dass einem dann eine halbwegs lustige Frage einfällt.

Schroeder spricht so schnell, dass Steinbrück zu schwitzen anfängt und behauptet, nicht einmal die Hälfte zu verstehen, also akustisch. Dafür haut Steinbrück Sprüche raus, über die Schroeder so laut lachen muss, dass ihm die Kaffeetasse aus der Hand fallen würde, wenn er sich nicht ein Wasser bestellt hätte. Die beiden sind auf Werbetour für ihre gemeinsame Satire-Show, die sie am 2. Juli auch nach Hamburg, in Steinbrücks Heimatstadt, führt. Und sie sagen, was man so sagt, wenn man auf sich aufmerksam machen und Eintrittskarten verkaufen will.

Steinbrück hat sich in einem der ersten Interviews, das die beiden zusammen geführt haben, über Martin Schulz lustig gemacht. Wie man das halt tut als Satiriker. Mit dem Unterschied, dass die meisten Menschen dort draußen den Steinbrück noch als ehemaligen Kanzlerkandidaten der SPD und Finanzminister („Die Spareinlagen sind sicher“) in Erinnerung haben. Da wirken Begriffe wie „Heulsusen“ und „Erich Schulz-Honecker“ im Zusammenhang mit der Sozialdemokratie verstörend, insbesondere in der SPD selbst.

Richtig wütend sind einige Genossen auf ihr prominentestes Lästermaul gewesen, weswegen Steinbrück gleich zu Beginn des Abendblatt-Gesprächs darum bittet, nicht noch einmal über Martin Schulz zu sprechen. Dabei hat er all die kleinen Boshaftigkeiten, die in Wahlkampfzeiten gleich zu Schlagzeilen führten, natürlich nicht so gemeint. „Der Mann ist jetzt Satiriker, das hat die SPD nur noch nicht kapiert“, sagt Florian Schroeder dazu. Deshalb ist es auch Unfug, heute mit Steinbrück wie früher mit dem Politiker ein normales Interview zu führen. Es geht ihm nicht mehr vorrangig um Inhalte, sondern um Lacher, und darum „am Ende nicht doch noch aus der Partei ausgeschlossen zu werden“. Auch das: alles Spaß!

Kennengelernt hat sich das Paar über ein Buch Schroeders, das Steinbrück nicht gelesen hatte. Es heißt „Hätte, Hätte, Fahrradkette“, benutzt also eines der fast schon ikonischen Zitate des Ex-Politikers als Titel. Das sei dreister Diebstahl geistigen Eigentums gewesen, sagt Steinbrück, auf den ihn zum Glück eine seiner Töchter hingewiesen habe. Er hätte bei Schroeder, den er vorher nur vom Namen her gekannt hätte, um sofortigen Schadenersatz in Form einer Flasche guten Weins ersucht. Der so Herausgeforderte verstand die ganze Aufregung nicht, wollte statt Geld auszugegeben lieber Geld verdienen und lud Peer Steinbrück in eine seiner Shows nach Berlin ein. Wo es dann mit den beiden auf der Bühne so lustig wurde, dass Steinbrück am Ende sagte: „Man könnte ja mal auf Tournee gehen.“

Genau das geschieht jetzt, in der Hauptstadt, in Hamburg und Köln. Keine kleinen Säle, der „G2-Gipfel der besonderen Art“. Die Leitlinie: „In Zeiten, in denen Politiker Satire machen und Satiriker Politik, wird es allerhöchste Zeit für einen Abend, an dem Ordnung ins Chaos gebracht wird.“

Steinbrück lebt auf der Bühne und in den Vorgesprächen vor, woran es größeren Teilen der deutschen Politiker mangelt: „Vieles an der Politik wirkt entweder verkrampft oder betulich“, sagt er. „Politik braucht Selbstironie, viele nehmen sich zu wichtig.“ Stimmt doch nicht, heißt es dann, Wolfgang Kubicki und Christian Lindner sind doch manchmal sehr komisch. „Vertreter von Splitterparteien können sich das leisten“, sagt Steinbrück. Ist denn die SPD noch eine Volkspartei? „Natürlich!“ sagt Steinbrück, aber wenig später sagt er auch: „Wenn Politiker immer die ganze, nackte Wahrheit schilderten, würden sie gebraten wie kleine Würstchen in der Pfanne.“ Deshalb gibt es eben auch solche Sätze, die zu jeder gestellten und nicht gestellten Frage passen: „Eine gute Grundlage ist die beste Voraussetzung für eine solide Basis. Völlig ungefährlich und absolut korrekt.“

Schroeder sagt, er hätte diesen Spruch schon sehr oft gehört, müsse aber immer wieder darüber lachen, „weil Steinbrück ihn jedes Mal anders betont“. Und zack ist man wieder drin in den Sticheleien zwischen dem ehemaligen und dem künftigen Politiker: „Je verrückter die Politiker dieser Welt werden, desto öfter sprechen mich Menschen aus dem Publikum an, ob ich nicht in die Politik gehen könnte“, sagt Schroeder. Und weiter: „Meine Lieblingszeile am Ende der Tournee wäre: Steinbrück und Schroeder haben Martin Schulz verhindert.“

Steinbrück: „Dann sollten wir gar nicht erst anfangen.“

Schröder: „Gut. Dann nur: Schroeder hat Schulz verhindert.“

Steinbrück: „Wir müssen unseren Vertrag auflösen.“

Schroeder: „Dabei bekommt er die ganzen Einnahmen. Ich darf nur die Interviews freigeben.“

Atem holen, Zeit für eine Zwischenfrage, endlich: „Wäre Olaf Scholz nicht sowieso der bessere Kanzlerkandidat gewesen?“

Schroeder: „Ich habe Scholz in der Talkshow von Markus Lanz kennengelernt. Der ist sehr sympathisch, wirklich. Aber sein Charisma geht leider nicht über die Elbe hinaus.“

Steinbrück: „Der richtet wirklich sämtliche Führungsfiguren der SPD hin. Ich muss hier raus“

Nächste Zwischenfrage: „Was hätte Helmut Schmidt wohl gesagt, wenn er Sie mit Florian Schroeder auf der Bühne der Laeiszhalle erlebt hätte, Herr Steinbrück?“

Steinbrück: „Er hätte gesagt: Das ist nicht seriös.“

Schroeder: „Manchmal kommen Sie mir inzwischen wie ein junger Helmut Schmidt vor, Steinbrück. Wenn Sie sich eine Frage anhören und dann erst mal schweigen, nur ohne Rauch, der aus ihnen kommt, und dann nach einer gefühlten halben Stunde Schweigen sagen: Nein. Und dann wieder schweigen.“

Steinbrück: „Ich mochte das früher sehr an Helmut Schmidt, wenn ihm ein Journalist eine sehr lange Frage gestellt hat, und er einfach nur an seiner Menthol-Zigarette zog, und antwortete: Nö.“

Schroeder: „Ich habe übrigens Olaf Scholz in die Laeiszhalle eingeladen.“

Steinbrück: „Sie haben was?“

So geht das weiter, ob auf der Bühne, im TV-Studio oder in der Redaktion des Hamburger Abendblatts (siehe Text unten rechts). Zwei Männer, deren Mütter ihnen jeweils geraten haben, etwas mit „Quatschen zu machen“. Der eine wurde satirischer Politiker, der andere politischer Satiriker. Dass dazwischen gar nicht so viel liegen muss, soll kurz vor dem G20-Gipfel in der Laeiszhalle einmal mehr bewiesen werden. „Wir sind das Vorprogramm für Trump und Co.“, sagt Florian Schröder. „Ein Gipfel garantiert ohne alternative Fakten und präfaktisch.“ Es gibt noch wenige Restkarten, wie Journalisten gern schreiben, wenn noch nicht einmal die Hälfte der Tickets verkauft worden sind.

Kleiner Scherz.