Vier-Jahreszeiten-Chef Peters und TV-Koch Christian Rach: Ein Gespräch unter Freunden

Der eine leitet seit 20 Jahren das vornehmste Hotel der Hansestadt, der andere machte sich als Sternekoch, Buchautor und Restauranttester im Fernsehen einen Namen. Doch eint Ingo C. Peters und Christian Rach nicht nur der Sinn für erstklassigen Geschmack, sondern auch eine langjährige Freundschaft. Mehr als ein Grund also für ein Gespräch über die guten Seiten des Lebens, über die Qualitäten eines vortrefflichen Gastgebers, über Hamburgs Stellenwert als Weltstadt, über Glück und über geheime Tipps für schöne Stunden.

Als Ort für eine entspannte Unterhaltung hatten sich die beiden Freunde den Anleger Op’n Bulln in Blankenese ausgewählt. Das Wetter spielte mit. Erst servierte Wirtin Manuela Gehrmann Labskaus und Garnelensalat, dann wurde auf Liegestühlen Platz genommen. Näher kann man der Elbe nicht sein.

Herr Peters und Herr Rach, wann haben Sie zuletzt in einer Kneipe gemeinsam ein paar Bier gezischt?

Ingo C. Peters: Wir treffen uns regelmäßig, aber grundsätzlich privat bei einem von uns zu Hause. Meist mit unseren Frauen.

Christian Rach: Außerdem trinken wir Wein. Es gibt ja nicht viele wirkliche Kenner, mit denen man diese Leidenschaft teilen kann.

Peters: Geschäfte kommen dann nicht auf den Tisch. Christian, erinnerst du dich noch an unser gemeinsames Grillen im August 1997 bei dir in Eimsbüttel auf der Dachterrasse?

Rach: Na klar, das ist unvergessen. Auf einem Flohmarkt auf dem Heiligengeistfeld hatte ich dir eine kleine Messingglocke als Geschenk gekauft – mit eingraviertem Schriftzug des Hotels Vier Jahreszeiten. Du warst damals ja Direktor eines Fünfsternehotels in Thailand.

Peters: Richtig, und mein Wechsel zurück an den Neuen Jungfernstieg stand kurz bevor. Ich hatte eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnet. Noch nicht einmal meine Mutter wusste davon. Und als du mir an dem Abend die Glocke überreichtest, habe ich dich – nach zwei Glas gutem Wein – als Geheimnisträger eingeweiht. Du warst der Einzige; und du hast dichtgehalten.

Rach: Ehrensache.

Wo und wie haben Sie sich überhaupt kennengelernt?

Rach: Etwa fünf Jahre zuvor, Anfang der 1990er-Jahre. Ingo war Chef im Royal Phuket Yacht Club, einem Hotel der Gruppe Mandarin Oriental. Irgendwann rief er an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, vor Ort ein Menü für sein Restaurant zu entwickeln.

Peters: Christian hatte sich im Tafelhaus den ersten Stern erkocht. Ich wollte im Hotel jeden Monat einen neuen Akzent setzen. So entstand die Idee. Ich habe abends in der Hotelhalle auf ihn gewartet. Und dann stand Christian Rach vor mir, direkt vom Flughafen kommend – mit knallroter Lederjacke und Ohrring. Wir haben uns auf Anhieb verstanden.

Rach: Und im Restaurant, vor dem Buffet, ist mir dann die Kinnlade runtergeklappt: Es war handwerklich das Beste, was ich je gesehen habe. Folglich schmiss ich meine gesamten Pläne über den Haufen und habe deutsch gekocht. Taube mit Wirsingkohl zum Beispiel.

Peters: Unsere Gäste reagierten begeistert. Christian und ich hielten fortan Kontakt. Daraus erwuchs unsere Freundschaft.

Haben Sie beide eigentlich einen besseren Geschmack und intensiver ausgeprägte Geschmacksnerven als der Durchschnitt?

Rach: Geschmack kann man lernen und trainieren. Wenn man professionell damit zu tun hat, muss man das sogar. Wer eine Begabung hat, kann diese schulen. Jeder kann Rechnen erlernen, und daraus wird irgendwann mal Mathematik. In meinem Elternhaus im Saarland bin ich gemeinsam mit drei Geschwistern aufgewachsen. Jeden Mittag gab es frisch zubereitetes Essen. Ganz normal. Dosenprodukte waren tabu.

Peters: Bei uns zu Hause ebenfalls. Wir waren auch vier Kinder. Meine Mutter machte Hausmannskost, aber grundsätzlich frisch und gut abgeschmeckt. Als unsere Mutter mehr in der Apotheke arbeiten musste, übertrug sie jedem von uns Aufgaben. Ich als Ältester suchte mir Kochen aus. Ich habe von meiner Mutter gelernt, die Familie zu bekochen. Später als Hotellehrling haben wir dann in der Küche ein bisschen Kaviar stibitzt – von nicht gegessenen Schlemmerschnitten. Oder Fasan mit Champagnerkraut. Sowas Feines kannte ich vorher gar nicht.

Rach: Bei mir verlief es ähnlich. Du wirst gierig danach, weil du den großartigen Geschmack wiederhaben willst. So fängt es an. Ein guter Geschmack ist keine angeborene Kunst.

Was ist perfekte Gastfreundschaft?

Rach: Man muss den Begriff wörtlich und ernst nehmen. Im Restaurant kann man eine Atmosphäre wie zu Hause schaffen, ein Klima, in dem du dich wohlfühlst. Es ist eine Gabe, die Mitarbeiter darauf einzuschwören. Wenn Stress im Team ist, funktioniert das nicht.

Peters: Gute Gastfreundschaft in einem Hotel oder Restaurant ist nicht schwierig. Es ist so, als wenn man gute Freunde einlädt: Man freut sich auf den Besuch und zeigt sich von bester Seite.

Rach: Daheim öffnet man seinen Gästen die Tür ja auch nicht in Puschen.

Apropos Puschen: Ist Hamburg eine Weltstadt?

Rach: Hamburg ist unglaublich schön, aber das Weltstädtische fehlt. Was ja auch ganz angenehm ist.

Peters: Fragt sich zudem, ob das überhaupt erstrebenswert ist?

Rach: München hat das weltberühmte Oktoberfest, einen riesigen, internationalen Flughafen, den FC Bayern. Hamburg verfügt nicht über Dementsprechendes. Vielleicht ist die Elbphilharmonie ein erster Schritt? Kürzlich wollte ich für Freunde und uns für Juli Karten bestellen. Im Juli jedoch sind in der Elbphilharmonie Betriebsferien. Das ist Provinz.

Peters: Sehe ich ebenso. Beruflich wäre mehr Weltstadtflair gut für mich, persönlich nicht. Ich liebe New York City und reise gerne für ein langes Wochenende dorthin. Aber wenn ich wieder in Hamburg einschwebe, bin ich glücklich. Wir haben hier fast alles, was man in einer Weltstadt findet, aber keine Hektik und kein Chaos.

Rach: Manchmal kann man sich allerdings an den Kopf fassen. Jetzt wird geklagt: Wir haben zu viele Touristen in der Stadt. Wo sind wir denn? Die Leute sind gegen zu viele auswärtige Gäste, gegen Hafenerweiterung und Elbvertiefung, gegen Großveranstaltungen, gegen eine S-Bahn zum Volksparkstadion und zur Arena. Das empfinde ich als kleinkariert. Über den Flughafen will ich jetzt lieber nicht sprechen.

Was sind denn Ihre Lieblingsorte? Außerhalb und in unserer Fast-Weltstadt?

Peters: Rom ist meine Lieblingsstadt, besonders im Sommer. Charme und Flair sind fantastisch. In Hamburg mag ich es, den Kinderwagen am Alsterufer entlang zu schieben oder um die Außenalster zu joggen. Das ist ein Traum.

Rach: Alsterwasser ist etwas für Weicheier. Bei gutem Wetter und mit Zeit gibt es aus meiner Sicht nichts Schöneres als die Elbe. International reizt mich Tokio. Dort war ich noch nie. Früher fand ich diese Stadt nicht so interessant; das hat sich geändert. Japans Küche ist großartig. Vielleicht klappt eine Reise in diesem Jahr.

Wo wir gerade bei Plänen sind: Haben Sie mal daran gedacht auszusteigen?

Rach: Ich habe meine Arbeit immer schon so definiert, dass es eben keine Arbeit ist. Sonst kannst du 80 Stunden Einsatz in der Woche im eigenen Restaurant gar nicht aushalten. Als ich vor fünfeinhalb Jahren damit aufhörte, geschah dies nicht wegen meines Engagements im Fernsehen oder wegen Erschöpfung. Es war eine autonome, selbstbestimmte Entscheidung, die ich nie bereut habe. Ich habe damals wie heute jeden Tag Freude an meinem Job.

Peters: Wir haben damals ausführlich über Christians Schritt gesprochen. Ich habe als Page in dem Hotel angefangen, in dem ich aktuell Direktor bin. Wenn ich in meinem Leben alles noch mal neu machen könnte, würde ich es wieder genauso anpacken. Ich habe meine Lebensaufgabe gefunden. Manchmal gehe ich morgens durchs Foyer und sage mir: Mensch, Ingo, was hast du für ein Glück.

Rach: Man muss sein Glück erkennen, es annehmen und gestalten. Viele sagen zu oft „Ja, aber ...“.

Peters: Sie haben einfach Angst und laufen am Glück vorbei.

Was haben Sie noch vor?

Peters: Ich genieße diese einmalige Gelegenheit, im Beruf freie Hand zu haben. Ich kann beinahe so arbeiten, als sei es mein eigenes Hotel. Habe ich diesen Gestaltungsspielraum eines Tages nicht mehr, höre ich auf. Gott sei Dank ist das jedoch nicht in Sicht.

Rach: Das kann ich nur unterschreiben. Da ich es geschafft habe, selbstbestimmt zu arbeiten, gibt es keinerlei Grund zum Aufhören. Zum Rosenzüchten oder Blumeneinpflanzen bin ich nicht geboren. Ein Buch möchte ich derzeit nicht schreiben, auch das Thema eigenes Restaurant ist abgehakt. Im Sommer aber beginne ich mit einer neuen Fernsehproduktion.

Haben Sie genug Zeit für Ihre Kinder?

Rach: Meine Tochter wird bald 16. In meiner aktiven Zeit in der Gastronomie ist sie manchmal zu kurz gekommen. Das hat sich geändert. Man muss die Zeit fürs Miteinander und zum Sprechen nutzen. Sie vergeht so schnell. Das ist nicht nachzuholen.

Peters: Die Zeit rast in der Tat. Als kleiner Junge saß ich um 6.30 Uhr früh bei uns zu Hause auf dem Rand der Badewanne, um meinem Vater beim Rasieren und Zähneputzen zuzugucken. Es war die einzige Chance, ihn überhaupt in Ruhe zu sehen. Ich habe mir vorgenommen, das anders zu machen. Meine erste Priorität heißt Conrad.

Verraten Sie uns zum Schluss bitte einen kleinen Geheimtipp?

Peters: Ich mag den Hafen und dort speziell die Landungsbrücken – am liebsten mit einem frisch gezapften Pils und einem Fischbrötchen. Oder den Michel, ganz oben unter der Kuppel. Aber beides ist natürlich nicht geheim. Oben auf dem Michel habe ich meiner Frau auch den Heiratsantrag gemacht. Mein Restauranttipp ist das La Tana in Pöseldorf, ein kleiner Laden mit hervorragender, bodenständiger Küche.

Rach: Ich schätze Ruhe und Idylle im Westerhoffpark in Nienstedten. Oder das Elbufer in Höhe des Findlings Alter Schwede. Als Restaurants empfehle ich in meiner Wohngegend den Libanesen Hala nahe dem S-Bahnhof Othmarschen, Zum Bäcker in Blankenese oder die Flottbeker Schmiede mit hervorragenden Tapas. Das Leben kann so einfach sein.