Am 31. März endet die Angebotsfrist für Käufer der HSH Nordbank. Vorstandschef Stefan Ermisch spricht im Abendblatt-Interview über mögliche Käufer, ein Ende der Schifffahrtskrise und die Kosten für Steuerzahler

Stefan Ermisch ist derzeit viel unterwegs. Hamburg, Frankfurt, Kiel, Schweiz, Asien – und wieder von vorn. Der Vorstandsvorsitzende der HSH Nordbank macht Werbung für seine Bank, die die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein bis Februar 2018 verkaufen müssen. Vom Gelingen dieser Aktion hängt enorm viel ab, es geht um Milliardenverluste für die beiden Länder. Dennoch zeigte sich Ermisch, der die Bank seit Juni 2016 führt, beim Interview in seinem Hamburger Büro gelassen und optimistisch.

Herr Ermisch, in 14 Tagen läuft die Frist ab, Angebote für den Kauf der HSH Nordbank abzugeben. Haben Sie schon Ihren potenziellen neuen Arbeitgeber identifiziert?

Stefan Ermisch: Nein. Es gibt ja einen klar definierten Weg, wie der neue Eigentümer gefunden wird, und der ist mit der Abgabe der Angebote am 31. März nicht abgeschlossen.

Kennen Sie denn diejenigen schon, die in-frage kommen?

Den Verkauf organisieren ja die Länder als Eigentümer. Ich bin mit dem bis­herigen Stand des Verkaufsverfahrens sehr zufrieden. Bis Ende Februar ist eine Vielzahl von Interessenbekundungen eingegangen.

Heißt Vielzahl mehr oder weniger als zehn, wie kürzlich zu hören war?

Ich möchte nur so viel sagen: Die von Ihnen genannte Zahl ist falsch. Es gibt eine Vielzahl an Interessenbekundungen, und die Qualität der Interessenten ist absolut im grünen Bereich. Am 31. März um Mitternacht läuft nun die Frist für indikative, also unverbindliche Angebote ab. Dann wird man erste Ideen aus dem Kreis der Interessenten sehen, dann geht der Verkaufsprozess erst richtig los. Das werden sicherlich lange Verhandlungsrunden, aber ich bin optimistisch, dass eine gute Lösung im Interesse der Eigentümer gefunden wird.

Was ist das für ein Gefühl, Chef einer Bank zu sein, von der alle Welt weiß, dass sie in knapp einem Jahr verkauft sein oder abgewickelt werden muss?

Alle Verantwortlichen, sowohl in der Politik als auch hier in der Bank, stehen angesichts der Historie der Bank und der aktuellen Herausforderungen vor einer schwierigen Aufgabe. Wir müssen heute gemeinsam etwas aufräumen, was in der Vergangenheit nicht richtig gemacht wurde. Die wesentliche Gründe für die jetzigen Schwierigkeiten der HSH Nordbank liegen ja gerade nicht in der jüngsten Vergangenheit, sondern vor allem im Jahr 2009 und davor. Dieser Aufgabe stelle ich mich, mit Engagement und einer positiven Herangehensweise, wie ich es übrigens in der gesamten Bank spüre. Diese HSH Nordbank Bank hat sich strukturell hervorragend weiterentwickelt, wir wissen unsere Kunden an unserer Seite und haben viel Freude am Neugeschäft. Die Kunden sind die entscheidende Unterstützung, denn sie fragen unsere Dienstleistungen im Norden und deutschlandweit nach.

2009 war das Hauptproblem? Die resultieren doch aus dem unverantwortlichen Expansionskurs der Jahre 2003 bis 2007.

Historisch betrachtet stimmt diese Feststellung: Nach der Gründung 2003 begab sich die aus zwei Landesbanken fusionierte HSH Nordbank unter engster Begleitung ihrer staatlichen Eigentümer auf einen steilen Wachstumskurs, war nur wenige Jahre später schlecht ausbalanciert und hatte dann schlichtweg zu viele Risiken. Daher bekam sie in der Finanzmarktkrise massive Probleme wie viele andere Institute auch. Die HSH war damals durch die erheblichen Verluste fast von heute auf morgen erheblich unterkapitalsiert. Die Eigentümer haben sich zur Rekapitalisierung entschieden. Im Gegensatz zu allen anderen Banken, die entweder mit frischem Geld ausgestattet oder abgewickelt wurden, bekam die HSH Nordbank jedoch eine Zwitterlösung: drei Milliarden Kapitalerhöhung und zehn Milliarden Ausfallbürgschaft als Garantie der Länder.

Und diese Garantie hat der HSH das Leben schwer gemacht.

So ist es. Sie hat die HSH Nordbank einerseits am Leben gehalten, weil sie aufsichtsrechtlich wie Eigenkapital wirkt, aber wirtschaftlich war es nie vorhanden, denn es gab nur die Bürgschaft, eingezahlt wurde es nicht. Andererseits hat sie aber verhindert, dass wir unsere Altrisiken auch tatsächlich abbauen konnten. Denn jeder Verkauf eines notleidenden Engagements hätte eine Zahlung aus der Garantie ausgelöst – genau das sehen die Regeln allerdings nicht vor. Im Rückblick wird hier die ganze Problematik dieser Variante erkennbar.

Und so schleppt die Bank bis heute Milliarden an faulen Schiffskrediten mit sich herum, die in der Abbaubank gebündelt sind, die ja mit verkauft werden soll. Warum sollte ein Investor, zum Beispiel aus China, diese Bank kaufen?

Da gibt es viele Gründe: Erstens ist Deutschland ein weltweit anerkannter wirtschaftlicher Anker mit einer starken, innovativen Industrie. Gleichzeitig haben wir eine sehr föderale Wirtschafts- und Bankenstruktur. Für Interessenten von außerhalb, um mal Ihr Beispiel China aufzugreifen, ist es eine große Chance, in diesem Umfeld eine Bank zu übernehmen, die seit acht Jahren ebenso hart wie erfolgreich restrukturiert wurde.

Wir haben ein erfolgreiches, etabliertes und profitables Geschäft für den Mittelstand, gewerbliche Immobilienfinanzierung und Zukunftsbranchen wie erneuerbare Energien beziehungsweise Infrastruktur. Shipping bleibt ebenfalls unser Metier, ist aber längst mit Abstand das kleinste aktive Geschäftsfeld.

Aber auch eine Bank, die noch rund 17 Milliarden an Schiffkrediten in den Büchern hat, davon die Hälfte notleidend.

Das ist eben die schwere Last der Vergangenheit, knapp zehn Milliarden liegen deshalb auch in der Abbaubank. In der Kernbank ist Shipping mit sieben Milliarden Euro das kleinste Portfolio und zu mehr als 90 Prozent unkritisch. Probleme bereiten eben nur die alten, vor 2009 vergebenen Kredite, die alle in der Abbaubank gebündelt sind. Im Übrigen: Vielleicht ist nach acht Jahren Krise in der Schifffahrt ja mal das Ende erreicht, und die Märkte erholen sich. Indizien dafür mehren sich, darin können Investoren auch eine Chance sehen.

Unser Bespiel China war nicht aus der Luft gegriffen. Aufsichtsratschef Thomas Mirow hat einen Käufer aus Asien als plausibel bezeichnet, und es ist ja bekannt, dass Sie dort auf Werbetour waren. Wie waren die Reaktionen?

Chinesische Investoren gehen strategisch vor, mit langer Perspektive und klaren Ambitionen, und das gefällt mir prinzipiell. Sie schauen weniger aufs Klein-Klein, sondern auf die wirtschaftlichen Entwicklungen der nächsten zehn, 15 Jahre. Sie kennen den Bankenmarkt in Europa und Deutschland sehr genau und wissen, dass Veränderungen anstehen. Mein Eindruck: Wir waren dort, und das Interesse war groß.

Als potenzieller HSH-Käufer gilt auch die Nord LB, die Landesbank von Niedersachsen. Die sagt zwar offiziell, dass sie die HSH nicht übernehmen will. Aber ist bei einer Bank wie der HSH, die öffentliche Eigentümer hat und damit starken politischen Einfluss unterliegt, nicht eine politische Lösung naheliegend?

Das ist nicht auszuschließen, aber da müssen Sie die politisch Verantwortlichen fragen. Grundsätzlich gibt es in Deutschland immer noch zu viele Banken mit staatlichen Eigentümern. Aus meiner Sicht spricht daher sehr viel für eine Konsolidierung im öffentlich-rechtlichen Bankensektor. Aber diese Entscheidung liegt allein bei der Politik.

Sie haben noch gut 2000 Mitarbeiter, die meisten davon in Hamburg und Kiel. Was sagen die Ihnen eigentlich: Verkauft uns bloß nicht nach China? Oder: Egal, wie und wer, Hauptsache, überhaupt ein Käufer, der uns übernimmt?

Ich bin enorm stolz darauf, wie die gesamte Mannschaft mit der Situation umgeht. Hier arbeiten tüchtige Leute, die die Diskussionen um die HSH Nordbank täglich mitbekommen. Die Stimmung hier ist sehr konzentriert, engagiert und mit dem Blick nach vorne. Das ist in dieser Situation nicht selbstverständlich, und das rechne ich allen Kolleginnen und Kollegen hoch an.

Die Übernahme, wenn sie denn klappt, wird doch sicher Jobs kosten. Wie viele Jobs werden überhaupt maximal zu retten sein?

Da gibt es keinen Automatismus. Grundsätzlich stehen zwar alle Banken unter dem Druck, Strukturen und Personal anpassen zu müssen. Aber wir haben ja schon massiv Kosten gesenkt und die Effizienz gesteigert. Von einst mehr als 5000 Mitarbeitern sind leider nur noch gut 2000 da – in der gesamten Branche sieht das bedauerlicherweise ähnlich aus. Wie wir mit unseren Sozialpartnern auf Basis der Kostenziele bereits vor knapp einem Jahr vereinbart haben, werden Ende 2018 in etwa 1990 Menschen in der Bank arbeiten, das sind knapp 1700 Vollzeitarbeitsplätze. Es kann auch sein, dass ein neuer Eigentümer daran nichts ändert, denn er wird die HSH Nordbank entwickeln wollen und wachsen, da bin ich mir sicher.

Wie ist es denn wirtschaftlich 2016 für die Bank gelaufen?

Wir werden Ende März ein sehr zufriedenstellendes Jahresergebnis präsentieren. Wir haben eine Kernbank, die zum 30. September 2016 gut 500 Millionen Euro verdient hat, und da ist es auch zum Jahresende erfreulich gelaufen. Und was das Wichtigste ist: Die geschäftliche Vitalität der Bank ist hervorragend, wie sich an einem äußerst erfolgreichen Neugeschäft ablesen lässt. Die Gesamtbank hat ihre Kostenziele erreicht, sie hat ihre Ertragsziele erreicht, sie hat ihre Eigenkapitalziele erreicht. Und das in einem durchaus schwierigen Jahr.

Wie stark hat die Schifffahrtskrise die HSH im vierten Quartal belastet?

Wir haben, wie angekündigt, hohe Wertberichtigungen gebildet. Trotzdem haben wir ein gutes Ergebnis erzielt.

Sie hatten dem Reeder Bernd Kortüm im Frühjahr 2016 über eine halbe Milliarde Euro an Krediten erlassen, um ihn vor der Insolvenz zu retten – das hatte für großes Aufsehen gesorgt, zumal die Länder diese Kredite kurz darauf übernommen haben. Jetzt bahnt sich Ähnliches bei dem Rickmers Maritime Trust (RMT) des bekannten Hamburger Reeders Bertram Rickmers
an. Wird es da ähnliches Entgegenkommen geben?

Zu einzelnen Kreditnehmern kann und darf ich nichts sagen. Wertberichtigungen oder Abschreibungen gehören zum Bankgeschäft dazu, die wird es immer geben, zumal wenn eine Branche am Boden liegt, und das in einer historischen Krise. Insofern kann ich natürlich nichts ausschließen.

Auch in dieser Größenordnung nicht?

Kredite in dieser Größenordnung, die Sie zu Recht kritisieren, sind alle zwischen 2003 und 2008 vergeben worden. Ich würde mir auch wünschen, dass dies so nie geschehen wäre. Aber sie sind da, wir müssen damit umgehen und werden uns immer für die ökonomisch sinnvollste Variante entscheiden.

Haben Sie Verständnis dafür, dass es die Steuerzahler aufregt, wenn eine staatliche Bank einem Multimillionär Kredite erlässt?

Ich kann die Emotionen absolut nachvollziehen, ich bin ja auch Steuerzahler, und mir geht das auch extrem gegen den Strich. Aber es geht immer darum, die ökonomisch beste Lösung für die Bank zu finden.

Sie schwärmen von einer profitablen Kernbank. Aber was ist mit der defizitären Abbaubank voller Schrottkredite? Bleiben darauf die Länder sitzen?

Zum Verkauf steht die Gesamtbank. Aber es gibt Investoren, die mehr Interesse an der Kernbank haben, und solche, die auf beschädigte Vermögenswerte spezialisiert sind. Natürlich wird die Kernbank der tragende Teil des Verkaufsprozesses sein. Jetzt müssen die Eigentümer mit unserer Unterstützung Wege finden, die Gesamtbank zu veräußern. Ich habe heute keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Verkauf der Länderanteile an der Gesamtbank gelingt.

Sie sagen selbst, die Garantie von zehn Milliarden wird gezogen, von den 2,4 Milliarden für das von den Ländern herausgekaufte Portfolio bleiben vielleicht auch nicht viel übrig, und das 2009 eingebrachte Eigenkaptal ist auch futsch. Sind die von Torsten Albig genannten 16 Milliarden Euro als Verlust für beide Länder da nicht realistisch?

Ich kann solche Zahlen nicht bestätigen, da müssen Sie die Eigentümer fragen.

Ein Tipp von Ihnen: Womit sind Sie in einem Jahr beschäftigt?

Ich glaube, dass es dann eine vernünftige Lösung für die HSH Nordbank gibt mit guter wirtschaftlicher Perspektive. Dabei werde ich dann vielleicht eine Rolle spielen.

Und die Bank unter neuem Dach weiterführen?

Warum nicht? Ich führe diese Bank sehr gern.