Im Herbst und Winter sind besonders viele Einbrecher unterwegs. Ab 2017 beschäftigen sich drei Staatsanwälte nur mit der Aufklärung dieser Verbrechen

André Zand-Vakili

Dunkelheit bedeutet Schutz. Und deshalb werden sie kommen. Mehr als sonst schon. Einbrecher. Ihre Zeit ist wieder gekommen. Und Polizeisprecher Timo Zill macht keinen Hehl aus dem Ernst der Lage für Hamburg: „Die dunkle Jahreszeit ist die Hochzeit des Wohnungseinbruchs. Wir wollen die Bevölkerung warnen.“

In jedem Oktober steigen die Einbruchszahlen rapide an. Zwar liegen in diesem Jahr seit Februar die monatlichen Einbruchszahlen laut Polizei um 16 bis 20 Prozent unter den Vorjahreszahlen. Doch laut Alexandra Klein, Chefin der im August 2015 geschaffenen Sonderkommission Soko „Castle“, wäre es „utopisch“ zu glauben, dass die Kurve weiter noch unten gehe. „Und wenn am 30. Oktober die Uhren umgestellt werden, haben die Täter noch einmal ganz andere Tat­gelegenheiten.“

In der Regel bevorzugen es die Täter, wenn die Wohnungen und Häuser vorübergehend unbewohnt sind. Laut Klein können sie sehr gut einschätzen, ob Bewohner da sind oder nicht. Sie nutzen die Dunkelheit als Schutz, sich dem Objekt schnell zu nähern, um zu prüfen ob jemand da ist. Maximal zehn bis 15 Minuten würden Einbrecher an einem Tatort bleiben, um Räume und Behältnisse vor allem nach Schmuck und Bargeld zu durchsuchen. Schwerpunkte, auch das hat die Soko in dem letzten Jahr herausgefunden, gibt es nicht. „Jeder Wohnort, egal ob Einzelhaus oder Wohnung, ob Erdgeschoss oder obere Etage ist gefährdet.“

Tatsächlich hat es in den vergangenen Jahren einen grundlegenden Wandel beim Einbruch gegeben. Noch vor 20 Jahren etwa ging es um Beschaffungskriminalität. Junkies finanzierten mit dem Erlös aus der Einbruchsbeute ihre Drogensucht. 90 Prozent der Täter waren Deutsche. Heute kommen 50 Prozent der Täter aus dem Ausland. Einbruch ist ein florierender Zweig des organisierten Verbrechens geworden. So wie sich andere Tätergruppen auf Rauschgift, Menschenhandel oder Diebstahl spezialisiert haben, gibt es straff organisierte Banden aus Südosteuropa und Südamerika, die sich mit Einbrüchen finanzieren. Zum einen rekrutieren diese Gruppen stetig neue Täter und bilden sie aus. Zum anderen organisieren sie die Absatzwege der Beute, um diese zu versilbern.

Diese reisenden Tätergruppen hinterlassen am Tatort kaum verwertbare Spuren, tauchen gleich nach der Tat wieder ab, um ihre Streifzüge in der nächsten Stadt oder dem nächsten Land fortzusetzen. Sie sind also hoch mobil, polizeierfahren, verhalten sich konspirativ und wissen um polizeiliche Maßnahmen der Kriminalitätsbekämpfung.

Dass Banden den Wohnungseinbruch als Einnahmequelle für sich verstärkt nutzen, zeigt sich auch an den Zahlen. Mehr als 9000 Einbrüche und Einbruchsversuche sind im vergangenen Jahr in Hamburg gezählt worden. Im Vergleich zu 2014 ein Zuwachs von mehr als 20 Prozent. 40 Prozent Zuwachs sind es sogar im Vergleich zum Jahr 2011. Da waren es noch knapp 6500 Einbrüche. Bei 40 bis 43 Prozent aller Taten handelt es sich um Einbruchsversuche – immerhin. Aber auch das nagt an dem Sicherheitsgefühl der Hamburger. Die Aufklärungsquote lag in diesen Jahren bei weniger als neun Prozent. Das ist so niedrig wie in kaum einem anderen Bundesland. In diesem Jahr gibt die Hamburger Staatsanwaltschaft die Aufklärungsquote mit elf Prozent an.

Das hängt vor allem mit der Gründung der Soko „Castle“ mit ihren 90 Beamten zusammen. Im September 2016 hat die Staatsanwaltschaft mit einer eigenen Schwerpunktabteilung nachgezogen. Bis Anfang 2017 wird Oberstaatsanwalt Lars Röhrig eine Gruppe von drei Staatsanwälten zusammenstellen, die sich ausschließlich mit dem Thema Einbruch beschäftigt. Bislang gab es bei der Staatsanwaltschaft für Einbrecher eine sogenannte Buchstabenzuständigkeit. Welcher Strafverfolger gegen welchen Verdächtigen ermittelte, war dem Zufall des Nachnamens überlassen. Künftig landet in Hamburg jeder angezeigte Einbruch oder Einbruchsversuch in der neu geschaffenen Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität. Hier will man versuchen, die Strukturen der Banden zu erkennen und zur Anklage zu bringen. In neun von zehn Fällen kommt es zu Verurteilungen.

Und selbst in solchen Situationen sind die Täter geschult. Überführten Einbrechern sind in der Regel keine weiteren Taten nachzuweisen. Sie zeigen sich reuig, kommen auf diese Weise mit milden Strafen davon und können dann erneut zuschlagen. Die Urteile fallen härter aus, je mehr Taten den Verdächtigen nachgewiesen werden können. Deshalb wird es vor allem darum gehen, Einbruchsserien auch als solche aufzudecken. „Zu widerlegen, dass es sich um Einzeltaten und Einzeltäter handelt, ist eine unserer Aufgaben“, so Röhrig gegenüber dem Abendblatt.

Hand in Hand wollen die Schwerpunktabteilung der Staatsanwaltschaft und die Soko „Castle“ gegen die Tätergruppen vorgehen. Röhrigs Aufgabe wird sein, sich mit der Polizei und Staatsanwaltschaften in anderen Bundesländern, aber auch in europä­ischen Nachbarstaaten und in Übersee zu vernetzen.

„Wir wissen heute deutlich mehr über unsere Täter und ihr Verhalten“, sagt Soko-Chefin Klein. „Und wir wissen vor allem auch anhand der Taten, wer möglicherweise in der Stadt ist.“ Denn jeder Einbrecher hat seine eigene „Handschrift“, die sich aus seinem Verhaltensmuster, seiner DNA und den Fingerabdrücken zusammensetzt. Am wichtigsten aber sind immer noch die Nachbarn. „Wir brauchen die Aufmerksamkeit der Bürger“, sagt Klein. So mancher Anruf habe zu „tollen Festnahmen“ geführt.