Steffen Henssler gegen Tim Mälzer: Was Sie über Deutschlands bekannteste TV-Köche wissen sollten – der Abendblatt-Vergleich

D ie erste Kochsendung im deutschen Fernsehen begann am 20. Februar 1953 um 21.30 Uhr mit den Worten „Ihr lieben, goldigen Menschen!“, die einem Schauspieler namens Clemens Wilmenrod entflossen, der überhaupt nicht kochen konnte. Aber er hatte die geniale Idee, zum Wiederaufbau des Landes eine gewisse kulinarische Weltläufigkeit beizutragen, und der Nordwestdeutsche Rundfunk, der damals noch aus einem Bunker auf dem Heiligengeistfeld sendete, zog mit.

Als Wilmenrod zum ersten Mal „zu Tisch bat“, gab es als Vorspeise einen „Fruchtsaft im Glas“, als Zwischengang ein „Italienisches Omelett“, gebratene Kalbsnieren mit Konserven-Mischgemüse waren der Hauptgang, und zum Dessert dampfte türkischer Mokka aus Kaffeetassen. Ein „Straßenfeger“ war geboren: Wenn Wilmenrod ein Kabeljau-Gericht (vor-)kochte, war dieser Fisch am nächsten Tag überall ausverkauft.

Darüber hinaus erfand er nicht nur „Toast Hawaii“, sondern ebnete für alle nachfolgenden Fernsehköche und Produzenten den Weg, wie man im Fernsehen aus Unterhaltung, dem Bildungsauftrag und geschickter Schleichwerbung ein lukratives Menü kreieren konnte. Das hat sich bis heute im Prinzip nicht geändert, im Gegenteil, denn übers Essen und wirklich alles, was damit in irgendeiner Weise zusammenhängt, wird in der Öffentlichkeit längst ebenso leidenschaftlich diskutiert wie über die Terrorgefahr. Wer nicht weiß, wie eine perfekte „Balsamico-Reduktion“ funktioniert oder „Carabineros mit Olivengnocchi“ schmecken, läuft Gefahr, ausgegrenzt zu werden.

Aber Sendung ist nicht gleich Sendung. Profitabel sind sie zwar irgendwie alle, ganz gleich ob sie „Lafer! Lichter! Lecker!“, „Mein Lokal, dein Lokal“, „Rosins Restaurant – Ein Sternekoch räumt auf!“, „Die Kochprofis – Einsatz am Herd“ oder „Rach, der Restauranttester“ heißen oder hießen. Denn was all diesen erfolgreichen Kochsendungen (die Liste ließe sich ellenlang fortsetzen) eint, ist der stets moralinsaure Kochlöffel als Zeigefingerersatz.

Doch spätestens mit Tim Mälzer (45) und Steffen Henssler (43) waren dann zwei TV-Köche am Start, die bereits vor Jahren gespürt haben müssen, dass eine Übersättigung dieses Genres drohen könnte. Dagegen setzten sie von Anfang an Härte, Hitze und Hemdsärmeligkeit ein. Kochen können eigentlich alle, doch Mälzer und Henssler entschieden sich dafür, als Bad Boys die TV-Küchen „zu rocken“ – sternelos, ruppig und schnodderig. Beide können zwar auch sehr charmant witzeln, aber beide können eben auch wunderbar schimpfen, fluchen, anecken, provozieren, den „angepissten“ Küchenbullen und „gnadenlosen“ Sklaventreiber geben und schon mal ein Hauptgericht verbrennen lassen. Sie trauen sich, die Zubereitung von Speisen als rauschende und wilde Party abzufeiern, als aufregende Show und Wettkampf und dabei auch mal gegen ihre „Gegner“ den Kürzeren zu ziehen. Und genau das macht sie authentisch, glaubhaft – und ihre Shows letztlich so erfolgreich. Hier der große Vergleich:

Basiswissen

Tim Mälzer, geboren am 22. Januar 1971 in Elmshorn als Sohn eines Kaufmanns absolvierte nach dem Abitur und dem Zivildienst im Pinneberger Kreiskrankenhaus eine Kochlehre im Hotel InterContinental in Hamburg. „Unsere Familie hat gern gekocht“, sagt er, „mit dem Steckrübeneintopf meiner Oma bin ich groß geworden.“

Steffen Henssler, geboren am 27. September 1972 in Neuenbürg im Schwarzwald als Sohn eines Gastronomen, wuchs mit vier Geschwistern in Hamburg auf, machte nach der Schule eine Kochlehre im Sterne-Restaurant Andresens Gasthof im nordfriesischen Bargen. „Was sollten Männer können? – Kochen. Und Frauen? – Abwaschen.“

Fazit: Tim Mälzers Affinität zum Beruf des Kochs durfte sich entwickeln, Steffen Hensslers Weg war beinahe schon zwingend vorgegeben.

Raus in die Welt

Tim Mälzer arbeitete von 1995 bis 1999 in London, zuerst im Hotel Ritz, danach im Neal Street Restaurant, wo er den damals noch unbekannten Koch Jamie Oliver kennenlernte.

Steffen Henssler entdeckte 1993 während seines ersten Urlaubs nach der Kochlehre in San Diego seine Liebe für rohen Fisch, aber er blieb erst mal in Hamburg, kochte im Zeik, wurde dann Restaurantleiter des Petit Delice. 1999 investierte er einen Lottogewinn (44.000 Mark) in eine Ausbildung auf der Sushi Academy in Los Angeles, die er 1999 mit Bestnote abschloss.

Fazit: Steffen Hensslers Lehr- und Wanderjahre fielen fischiger aus.

Zurück nach Hause

Tim Mälzer kochte seit 1997 in Christian Rachs Tafelhaus, dann im Café Engel sowie im Au Quai. Von 2002 bis 2007 betrieb er Das Weiße Haus am Museumshafen Oevelgönne. Mit Patrick Rüther eröffnete er am 1. Juni 2009 im Schanzenviertel den Fleischtempel Bullerei (Lagerstraße 34b, 20357 Hamburg, www.bullerei.com). 2012 eröffnete er am Frankfurter Flughafen das Hausmann’s, 2015 die gleichnamige Dependance in der Düsseldorfer Altstadt. Im kommenden Jahr will er am Alsterufer 1 ein Mittagstisch-Restaurant aufmachen.

In Hamburg eröffnete Steffen Henssler 2001 zusammen mit seinem Vater das Henssler & Henssler (Große Elbstraße 160, 22767 Hamburg, www.hensslerhenssler.de), wo Japan und Kalifornien auf den Rest der Welt treffen. Anfang 2009 eröffnete zusätzlich das Ono by Steffen Henssler (Lehmweg 17, 20251 Hamburg, www.onobysteffenhenssler.de), in dem Fischgerichte ganz oben auf der Karte stehen. Seit 2015 betreibt er außerdem Hensslers Küche (Neumühlen 1, 22763 Hamburg, www.hensslersküche.de), in der man Kochkurse belegen und „Kitchenpartys“ feiern kann. An der Spitalerstraße will Henssler im kommenden Jahr ein drittes Restaurant eröffnen.

Fazit: Beiden gelingt trotz ihres Riesenpensums (noch) der Spagat zwischen TV-Karriere und erfolgreicher Spitzengastronomie.

Social Media & Internetpräsenz

Steffen Hensslers öffentliche Facebook-Seite verzeichnet zurzeit 846.606 Likes (Stand: Freitag, 29. Juli 2016)

Tim Mälzer kommt nur auf 209.042. Ihre Websites gleichen sich vom inhaltlichen Aufbau her, sind aber von ihrer Gestaltung her sehr unterschiedlich.

Fazit: Hensslers Internetauftritte wirken optisch ansprechender und knalliger (www.steffenhenssler.de), während Tim Mälzers Netzpräsenz unter www.tim-maelzer.de eher wie eine dünne Tütensuppe anmutet.

Soziales Enagement

2009 wurde Steffen Henssler vom Word Wildlife Fund (WWF) zum „Meeresanwalt“ ernannt. Überdies fungiert er als „Botschafter“ für die Stiftung Mittagskinder, engagiert sich für die NCL-Stiftung und ist Schirmherr der Inklusionsinitiative „hamburg work“: „Die Idee von ,hamburg work‘, Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren und dies mit der Herstellung von gesundem und nachhaltig produziertem Essen für Kinder in Kindertagesheimen zu verbinden, hat mich spontan begeistert.“

Tim Mälzer engagierte sich 2010 für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), unterstützt die Hamburger Benefizaktion „Kicken mit Herz“ und ist Botschafter der Eltern-Internet-Initiative „Schau hin!“. Er engagiert sich außerdem für Dunkelziffer e. V. und Leuchtfeuer. „Es ist mir wichtig, dass es lokale Projekte sind. Es passieren vor der eigenen Haustür so viele Dinge.

Fazit: Beide tun viel Gutes und reden darüber.

Sport

Beide sind Anhänger des HSV.

Fazit: Beide sind leidensfähig.

Privatleben

Steffen Henssler sei zurzeit „glücklich vergeben“, sagt sein Management. An wen, sagt es aber nicht. Er hat zwei Töchter, aus seiner ersten Ehe und mit seiner Ex-Freundin Nadja Braun. Tim Mälzers langjährige Beziehung mit seiner ehemaligen Assistentin Nina Heik ging 2013 auseinander. Über seine neue Liebe ist kaum etwas bekannt.

Fazit: Beim Anrichten sind beide detailversessen, im Privatleben äußerst diskret.

Lieblingsgericht

Tim Mälzer: Spaghetti Bolognese, und manchmal macht er sich eine Dose (!) Ravioli auf. Steffen Henssler mag am liebsten Sushi. Sushi. Und Sushi.

Fazit: Ist doch völlig egal.

Ich möchte auch mal …

… in den Restaurants von Tim Mälzer oder Steffen Henssler essen gehen.

Fazit: Dann sollte man vor allem abends und am Wochenende reservieren, und wenn Feiertage anliegen, lieber ein paar Tage im Voraus.

Und was kriege ich dort für 50 Euro?

Na ja, für 50 Euro wird man in den Restaurants der beiden TV-Stars sicherlich angenehm satt (Mittagstische sind natürlich deutlich günstiger), doch für kulinarische Erlebnisse sollte man ein höheres Budget einplanen – vor allem dann, wenn die begleitenden Getränke nicht aus dem Wasserhahn fließen sollen. Beispiele: Das günstigste „Überraschungsmenü“ (drei Gänge) in der Bullerei kostet 39,50 Euro, das preiswerteste „Omakase-Menü“ (vier Gänge) kostet im Henssler & Henssler 45 Euro und im Ono 59 Euro.

Fazit: Gutes für billig gibt’s nicht. Wer die Speisenkarten und Preise vorab studiert, kann Ohnmachtsanfällen vorbeugen.

Bücher und mehr

Beide Köche betreiben Onlineshops, in denen es vom sinnvollen Küchenzubehör bis hin zum Schnickschnack allerlei zu kaufen gibt. Beide kochen auch für Veranstaltungen. Steffen Henssler hat jüngst ein eigenes Plattenlabel gegründet (www.henssler-mucke.de), aber der Champagner fließt vor allem in den Buchverlagen. Auch ihre aktuellen Bücher: „Grill den Henssler – Das Kochbuch“ (Gräfe und Unzer, 19,99 Euro) und „Heimat“ (15,99 bis 19,99 Euro, Mosaik Verlag, je nach Anbieter) sind Bestseller. In diesem Herbst werden beide jeweils ein neues Buch herausbringen; Steffen Henssler ein Kinderkochbuch („Küchen-Bande“, mit CD), Tim Mälzer „Die Küche“, mit dem er „das Grundverständnis fürs Kochen fördern will“.

Fazit: Auflagentechnisch hat Tim Mälzer – vermutlich siebenstellig – zurzeit die Nase vorn.

Schmerzgrenzen,
Psycho & Testosteron

Am 24. Mai 2015 rutschte Steffen Henssler während seiner Sendung „Grill den Henssler“ aus, zerbrach mehrere Teller und schnitt sich dabei die rechte Hand auf. Aber er zog seine Sendung knallhart durch – mit einem Küchentuch als Verband. Fünfmal ist er bisher von seinen Gegnern gegrillt worden, was er zwar grummelnd, aber letztlich doch sportlich-fair wegsteckte. In der Folge von „Kitchen Impossible“ am 6. März 2016 dagegen überschritten Tim Mälzer und sein Kontrahent, der Berliner Sternekoch Tim Raue, einmal die Grenzen des verbalen guten Geschmacks: „Drecksau“ und „Tussi“ waren dabei noch die harmloseren Beschimpfungen.

Fazit: Physisch und psychisch geben Tim Mälzer und Steffen Henssler in ihren Kochshows immer Vollgas.

Kritik

Professionelle Restaurantkritiker schätzen weder Tim Mälzers noch Steffen Hensslers Kochkünste besonders hoch ein. Der „Gault Millau“ urteilte 2013: In der Bullerei sei „alles in Ordnung, aber nicht so richtig erwähnenswert; das machen so auch viele andere und etliche für weniger Geld …“ Zwölf von 20 möglichen Punkten waren fast schon ein niederschmetterndes Ergebnis. Ähnlich ungehalten auch das Urteil über Steffen Henssler: „Das kulinarische Angebot basiert auf ‚eingehamburgerten‘ Sushi-, Nigiri- und Sashimi-Spezialitäten, die wenigen Hauptgerichte à la Tuna-Steak und Loup de Mer sind seit Jahren nahezu gleich (…). Sein Restaurant erinnert in nichts an den Mario Barth der TV-Köche.“

Fazit: Der Unterschied zwischen E- und U-Küche tut trotz ihrer Erfolge beiden Köchen weh. Und das zeigen und sagen sie auch öffentlich.

Die TV-Shows

„Grill den Henssler“ (morgen läuft um 20.15 Uhr der letzte Teil des Sommer-specials) ist für den Kölner Sender Vox inzwischen ein Quotenbringer, der sich sogar gegen den Sonntags-„Tatort“ in der ARD behauptet. Mit 2,47 Millionen Zuschauern gab’s am vergangenen Sonntag sogar ein „Allzeit-Rekordhoch“. Die nächste Staffel von „GdH“ wird vom Herbst an ausgestrahlt. Tim Mälzers „Kitchen Impossible“ konnte sich trotz einer gefloppten Pilotfolge am 23. Dezember 2014 seit Februar 2016 so erfolgreich durchsetzen, dass für 2017 sechs weitere Folgen produziert werden. Davor wird Tim Mälzer sich in Sat.1 vom 7. Sep­tember an mit seinem Südtiroler Kollegen Roland Trettl auf „Die Karawane der Köche“ begeben – dabei geht’s um „Streetfood mit Anspruch“.

Fazit: Tim Mälzer geht raus auf die Straße, während Steffen Henssler lieber im Studio bleibt.

Die Freunde

Tim Mälzer und Englands Superstar Jamie Oliver verbindet bis heute eine Freundschaft, die über gemeinsame Charity-Aktivitäten hinausgeht. Auch der Musiker Sasha darf sicherlich als ein engerer Freund von Mälzer bezeichnet werden. Steffen Henssler versteht sich gut mit dem Comedian Paul Panzer, dem Moderator Guido Cantz sowie mit dem Fernsehkoch und Moderator Rainer Sass, der ihn ins Fernsehen brachte. Beide laden sich übrigens gegenseitig zu ihren Geburtstagen ein; sie pflegen ein respektvolles, freundschaftliches Miteinander.

Fazit: Wer so populär ist wie Tim Mälzer und Steffen Henssler, hat häufig viele Freunde, manche jedoch nur vom Sehen …

Auf Tour

Tim Mälzers letzte Live-Tournee liegt zwar neun Jahre zurück, doch vom Erfolg seiner „Ham’se noch Hack“-Tour schwärmt er bis heute. Steffen Henssler dagegen hat 2011 mit „Meerjungfrauen kocht man nicht!“ und 2015 mit „Hamburg, New York, Tokio – meine kulinarische Weltreise!“ schon zweimal zahlreiche große Hallen ausverkauft. Im Oktober 2016 will er mit seiner dritten Liveshow auf Tournee gehen: „Henssler tischt auf!“

Fazit: Steffen Henssler ist vermutlich die noch größere Rampensau.