Hamburg. Der Hamburger Michel Abdollahi hat 2005 das Label „Kampf der Künste“ mitgegründet. Als dessen Gesicht moderiert er auch den Weltrekordversuch auf der Trabrennbahn

Vor 14 Jahren stand Michel Abdollahi, 34, bei den fünften deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry-Slam noch als Teilnehmer auf der Bühne – und belegte mit dem „Team Hamburg“ Platz zwei. Vor zehn Jahren gründete der Hamburger iranischer Herkunft mit seinem Schulfreund Jan-Oliver Lange das Slam-Label „Kampf der Künste“, dessen Gesicht Abdollahi als (selbst-)ironischer und fast omnipräsenter Conférencier bis heute ist. So auch an diesem Mittwochabend auf der Trabrennbahn, wenn die Veranstalter beim „Best of Poetry Slam“ mit Stars der Szene wie Julia Engelmann, Jan Philipp Zymny oder Sebastian 23 einen Zuschauerweltrekord anstreben.

Hamburger Abendblatt: Herr Abdollahi, 4000 Besucher bei den Poetry-Slam-Meisterschaften 2011 in der damaligen O2 World reichten Ihnen wohl nicht. Warum sollten heute noch mehr kommen?

Michel Abdollahi: Meisterschaften sind natürlich immer etwas Besonderes, aber diesmal geht es um die Ehre! Wir wollen den Weltrekord nach Hamburg holen, allein dafür lohnt es sich zu kommen. Wie oft kann man schon von sich sagen, bei einem Weltrekord dabei gewesen zu sein! Aber natürlich geht es beim Poetry-Slam immer um die Dichter, und die haben es in sich. Zudem haben Open Airs immer eine besondere Atmosphäre. Also: Spitzendichter, eine (hoffentlich) laue Sommernacht und dann noch der Weltrekordversuch in der schönsten Stadt der Welt. Und noch dieser charmante Moderator! Das sollte reichen.

Geht es bei solch einem großen Open Air nicht primär ums Dabeisein, sprich die Eventisierung und die Performance, und kaum noch um die Qualität der Texte?

Abdollahi: Auch unsere regulären Slams füllen große Säle wie das Schauspielhaus. Da geht auch nichts verloren, warum also jetzt? Slam ist Poesie, die Liebe zum gesprochenen Wort und die Begeisterung des Publikums, da kann und darf die Qualität der Texte nicht auf der Strecke bleiben. Sollte das je passieren, können wir es auch sein lassen.

Der sichtbarste Wandel von der Off- zur Popkultur ist doch, dass Sie für Ihren Weltrekordversuch eine irische Whiskey-Marke mit ins Boot geholt haben?

Abdollahi: Das stimmt nicht ganz. Tullamore Dew unterstützt die deutschsprachige Poetry-Slam-Szene schon seit einigen Jahren. Der Whiskey gehört einfach zum Slam. Seit dem ersten Tag ist es Tradition, dem Gewinner eine Flasche zu überreichen, die dann meist geschwisterlich hinter der Bühne mit allen geteilt wird. Da hat es also sehr gut gepasst. Natürlich ist der Slam im Mainstream angekommen, aber nicht erst seit heute. Wir und unsere Kollegen füllen seit Jahren bundesweit nicht mehr nur die Kellerbars und Clubs, sondern auch die großen Theater. Ich finde das super, weil wir so auch Zugang zu einem anderen Publikum bekommen.

Als Sie den Kampf der Künste 2005 mit Jan-Oliver Lange im Zeise-Kino in ­Ottensen gestartet hatten, kamen 18 Zuschauer. Aus welchen Schichten setzt sich Ihr Publikum heute zusammen?

Abdollahi: Ich glaube gar nicht, dass sich das Publikum groß verändert hat. Es kommen einfach mehr Menschen. Unsere Kerngruppe von 18 bis 35 Jahren ist immer dabei, durch den Zugang zu anderen Spielorten konnten wir uns aber auch in andere Richtungen ausbreiten. Das macht Spaß, und die Veranstaltungen werden vielfältiger. Literatur und besonders das gesprochene Wort auf der Bühne ist universell und kennt kein Alter! Wer einmal dabei war, ist angefixt und kommt sicher wieder.

Warum eigentlich gilt Hamburg schon seit Jahren als die deutsche Hauptstadt des Poetry-Slams?

Abdollahi: Der Kampf der Künste hat viele Jahre hart dafür gearbeitet, die Besten nach Hamburg zu holen und gleichzeitig auch die schönsten Orte zu bespielen. Die Theater wie Schauspielhaus und Ernst Deutsch, die Clubs wie das Uebel & Gefährlich und das neue Molotow, aber auch die kleinen, feinen Locations. Der Slam ist hier explodiert, sich selbst aber treu geblieben. Für jeden ist etwas dabei, und meine Kollegen geben sich die allergrößte Mühe, jedes Mal ein vielfältiges, abwechslungsreiches Line-up zusammenzustellen, damit es nie langweilig wird. Das sehe ich als Hauptgrund, Fleiß und Qualität. Und natürlich das beste Publikum der Welt: die Hamburger.