An einem Wochenende für wenig Geld mit Rainbow Tours in die Stadt der Liebe. Doch das Gefühl von Klassenfahrt kommt nicht mehr auf. Eine Tortour.

Ich würd's immer wieder tun" steht in gelber Schrift auf rotem Untergrund auf dem Bus. Darüber in größeren Buchstaben "Rainbow Tours". Klingt vielversprechend. Fast sind alle Vorurteile über exzessive Saufgelage auf vier Rädern vergessen. Gebucht ist sowieso, und Paris ein lohnendes Ziel. Und schließlich hat sich das Busunternehmen mit Firmenzentrale auf der Veddel 25 Jahre am Markt bewähren können. Also, wie schlimm kann es schon werden?

Am Zentralen Omnibusbahnhof in Hamburg warten 40 Leute darauf, dass der Reiseleiter ihren Namen aufruft und dann auf der Liste mit einem Häkchen versieht. Wider Erwarten sind auch einige ältere Semester darunter. Die Mehrheit hat jedoch ihren 20. Geburtstag noch nicht erlebt.

Es ist Freitagabend, 17.45 Uhr, und in einer Viertelstunde soll es losgehen, auf in die Stadt der Liebe. Doch der Bus, der am besagten Treffpunkt parkt, ist nicht unserer, sondern für die Parisfreunde bestimmt, die es besonders eilig haben und den kürzeren Kurztrip gebucht haben. "Paris im Schnelldurchlauf erleben, ohne einen Urlaubstag geopfert zu haben" heißt es auf der Internetseite von Rainbow Tours, "schon ab 39 Euro". Ein Wochenendtrip ohne Übernachtung? Das wäre nun doch zu heftig, zumal für einen Menschen über 30. Und so werden ein halber Tag und eine Übernachtung rangehängt und "Paris 2 Tage" gebucht. Schließlich möchte man "Paris mit allen Sinnen genießen", wie es auch noch bei Rainbow Tours heißt. Für einen Aufpreis von zehn Euro.

Ein Schnäppchen, möchte man meinen. Wenn da das kleine Wörtchen "ab" nicht wäre. Auf der Rechnung sieht es dann nämlich schon ganz anders aus. Für die Busreise und eine Übernachtung im Einzelzimmer im Touristenhotel mit Frühstück werden 86 Euro berechnet. Hinzu kommen 29 Euro Einzelzimmerzuschlag, sieben Euro Treibstoffzuschlag und acht Euro Transferzuschlag. Macht unterm Strich 130 Euro. Wie Rainbow Tours auf "ab 49 Euro" kommt, bleibt ein Rätsel. Der Bus ist trotzdem bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Rainbow Tours profitiert davon, dass die Deutschen in Krisenzeiten am Urlaub sparen. Kurzreisen wie nach Paris sind beliebte Wochenendtrips. Aber auch Reisen nach Lloret de Mar an der spanischen Costa Brava, nach Novalja in Kroatien sowie in die Surfcamps an der französischen Atlantikküste, oder Ziele wie Rimini in Italien oder der Plattensee in Ungarn werden gern von jungen Menschen gebucht. Inzwischen macht das Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern rund 40 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Busreisen machen 70 Prozent des Umsatzes aus.

Mittlerweile ist es 18 Uhr, und alle, die von Hamburg aus fahren, sind eingetroffen. Nur vom Bus weit und breit keine Spur. Ein junges Pärchen hockt gelangweilt auf dem Bordstein. Ihre Laune wird mit jeder Minute schlechter. Eine syrische Familie packt noch einmal um: Kissen und Decken ins Handgepäck. Eine Gruppe von zwölf Jugendlichen unterhält sich lachend auf Russisch. Die Mädchen kichern, die Jungen schubsen sich gegenseitig. Eine kräftige junge Frau qualmt eine Zigarette nach der anderen. Mit ihren kurzen Haaren, dem weißen Herrenhemd und der weiten Jeans wirkt sie burschikos. Sie stellt sich als Desiree vor. Ihr Name könnte nicht weniger zu ihr passen. In einer Hand hält sie eine Rolle Kekse, in der anderen eine Flasche Cola. Handgepäck für zwölf Stunden Fahrt.

Endlich! Der Doppeldecker kommt um die Ecke gerollt. Und sofort geht das Schieben und Drängeln los. Jeder will sich einen guten Platz sichern. Dabei geht hier sowieso alles auf Zuteilung des Reiseleiters: "Alle nach oben!", lautet sein Befehl. Die zwölf partyfreudigen Russen sitzen hinten und die Singles (davon gibt es nur zwei) nebeneinander und zwischen ihnen. Sie lassen bereits die erste Flasche Wodka kreisen und feuern sich gegenseitig lautstark beim Trinken an. Mit einer halben Stunde Verspätung geht es Richtung Frankreich, na ja, erst einmal Richtung Bremen, Essen, Köln, wo nach und nach alle Reisenden eingesammelt werden.

Nach vier Stunden Fahrt der erste längere Stopp. Mittlerweile haben die Russen den hinteren Teil des Busses für sich. Alle anderen sind nach vorn gerückt, auf die noch freien Plätze, weg vom Gegröle der alkoholisierten Jugendlichen. Dabei hätte jedem klar sein müssen, dies wird keine Kaffeefahrt. Und laut "Rating Box", einem Ranking auf der Internetseite, zeigt das Partybarometer vier von fünf Punkten an. Diejenigen, die sich auf der Skala an den Punkten Kultur, Romantik und Shopping (volle Punktzahl) orientiert haben, sind selber schuld.

Am Rasthof Münstertal werden Bus und Mägen aufgetankt. Doch außer Sebastian, dem Reiseleiter, und Roland, dem Busfahrer, isst niemand an der Autobahnraststätte. Zu teuer. Selbst geschmierte Brote werden unter freiem Himmel verzehrt. Einige scheinen sich ausschließlich von Zigaretten zu ernähren.

Desiree kommt aus der Tanke. Sie hat ihr Handgepäck mit Schokolade und Chips aufgestockt. Es beginnt zu regnen. Alle flüchten in den Bus. Es geht weiter.

"Komfortable Busse, schöne Hotels, gut ausgebildete und ortskundige Reiseleiter", verspricht Rainbow Tours auf seiner Internetseite.

Nach vier Stunden Fahrt hat sich Ersteres relativiert. (Zu dem Zeitpunkt hat noch niemand sein Hotel gesehen.) Selbst großer Erfindungsreichtum, ein freier Nachbarsitz und ein kuscheliges Kissen können nicht verhindern, dass einem der ein oder andere Körperteil einschläft, während man selbst hellwach bleibt. Und wer doch mal wegnickt, wacht spätestens bei Sebastians nächster Durchsage über das Mikrofon wieder auf - mit steifem Nacken. "Wir sammeln jetzt die Kölner ein. Es steigt bitte niemand aus", sagt der Reiseleiter.

Im hinteren Busteil ist es still geworden. Der Wodka hat die Jugendlichen ruhiggestellt. Dafür steigt eine Gruppe Türken zu, die sich über mehrere Sitzreihen lautstark in ihrer Landessprache verständigen. Es ist ein Uhr nachts.

Mittlerweile sind alle Sitze belegt, und es riecht wie im Pumakäfig. Ein Mix aus Schlaf-, Schweiß- und Essensgerüchen. Der Gestank begleitet uns bis zum Ende der Reise. Dagegen hilft auch die zu kalt eingestellte Klimaanlage nicht. Immerhin hat sich niemand übergeben müssen. Auch der Wodka blieb drin.

So eine Reise mit dem Bus hat aber auch positive Aspekte. Busreisende dürfen stolz auf sich sein. Nicht nur, dass sie durch Verzicht auf jeglichen Komfort abgehärtet sind, sie sind auch umweltfreundliche Urlauber. Denn Busreisen sind wesentlich umweltschonender als fliegen, mit dem Auto oder der Bahn fahren. Nicht nur das. Der moderne Reisebus spart zudem viel Platz auf den Straßen und in den Städten, es werden weniger Lärm verursacht und weniger Ressourcen verbraucht.

Rainbow Tours macht folgende Rechnung auf: Auf 100 Kilometern verfährt ein Busreisender in Deutschland in einem durchschnittlich besetzten Bus nur circa 0,9 Liter Diesel. Mit der Bahn würde er je nach Zugart 1,9 bis 2,6 Liter verbrauchen. Der PKW-Fahrer verbraucht sogar dreimal und ein Flugreisender siebenmal so viel Energie. Neben Nackenschmerzen gibt eine Bustour einem auch ein gutes Gefühl mit auf den Weg. Eine Reise mit Rainbow Tours ist also aktiver Klimaschutz!

Morgens um sechs Uhr weckt uns Sebastians Stimme: "Alle bereithalten. Wir steigen gleich aus." Frühstücksstopp auf französischem Boden. An einer Raststätte, 120 Kilometer von der Seine-Metropole entfernt. Es gibt Croissant. Zurück im Bus kassiert Sebastian für die Stadtrundfahrt, die Seine-Bootstour und den Transfer zum Schloss Versailles 30 Euro. Fünf Leute haben keine Lust auf Sightseeing. Sie steigen mitten in Paris aus. "Seht ihr die Seitenstraße rechts? Hier sammeln wir euch halb zwölf wieder ein, um euch in eure Hotels zu bringen", sagt Sebastian zum Abschied. Ungewaschen und übermüdet geht's weiter. Eiffelturm, Notre-Dame, Moulin Rouge, Arc de Triomphe und Champs-Élysées im Schnelldurchlauf. Raus aus dem Bus, Fotos knipsen, aufdringliche Nippesverkäufer abwehren, rein in den Bus. Letzter Fotostopp: Basilika Sacré-Coeur. Dann werden die Ausgesetzten wieder eingesammelt. Alle bis auf Desiree. Die hat sich verlaufen. In der Zentrale in Hamburg gibt man ihr am Telefon die Hoteladresse durch. Auf ihr Gepäck und frische Wäsche muss sie aber verzichten. Die liegen im Bus, und der ist schon auf dem Weg zur nächsten Unterkunft. Die Reisenden sind auf vier Hotels in der ganzen Stadt verteilt.

Endlich, um 14 Uhr Check-in im Zweisterne-Touristenhotel. Das Einzelzimmer kaum größer als ein Schuhkarton und doch Luxus, weil man es sich nicht mit drei Fremden teilen muss. Bis zum Abend kann jeder tun, worauf er Lust hat. Oder das, wofür die Kraft nach 22 Stunden im Bus noch reicht.

20 Uhr Treffpunkt Metrostation Champs-Élysées: Zur Bootsfahrt auf der Seine finden sich alle ein, ein Gruppengefühl kommt trotzdem nicht auf. Eine Flasche Wein hat niemand mitgebracht, obwohl Sebastian vorher dreimal betont hat, dass die Fahrt dann noch schöner wird. Später geht jeder seiner Wege - zurück zum Hotel und ins Bett oder ins viel beschworene Pariser Nachtleben.

Nach einem spärlichen Frühstück im Hotel geht es morgens um acht zum Schloss Versailles - nachdem alle vor ihren Hotels eingesammelt wurden. Drei Stunden Aufenthalt. Die Schlange an Besuchern aus aller Herren Länder vor dem Schloss ist lang. Die Zeit reicht nur für einen Blick durch die goldenen Gitterstäbe des großen Tores auf den Ort, wo Ludwig XIV. pompöse Feste feierte. Dafür ist Markttag, und Straßencafés laden zum Verweilen ein. Mittags geht die Fahrt Richtung Heimat los und endet um halb drei morgens am Hamburger ZOB.

Es heißt, die Wiederholungsquote liege bei 88 Prozent. Mindestens eine, die aus diesem Bus steigt, gehört nicht dazu.