Entgegen seinem Ruf als Sex-Papst ist nicht die Lust, sondern die Liebe das Wichtigste in seinem Leben. Als seine Frau nach fast 50 Jahren Ehe starb, fiel Oswalt Kolle (heute 80) in ein tiefes Loch. Doch zwei Jahre später überraschte ihn eine neue Liebe zu der Niederländerin José Del Ferro.

"Meinen Reifungsprozess kann ich gar nicht genau beschreiben, ich bin vielleicht vorsichtiger geworden. Auch brauche ich heute nicht mehr so viele Freiheiten. Die habe ich früher genossen. Wir sind sehr eng zusammen, und das ist gut so. Denn der Alltag ist, wenn man älter wird, nicht immer toll. Wichtig ist es, Krankheiten zusammen auszuhalten und Geduld zu haben. Das Zusammensein ist auch das Mittel gegen Alterstraurigkeit. Wir haben uns wunderbar eingespielt, wir essen jeden Tag zusammen, auch wenn wir nicht jeden Abend zusammen einschlafen. Die Sexualität spielt für uns beide immer noch eine große Rolle. Mit dem Älterwerden verändert sie sich, sie wird langsamer gelebt und auch nicht mehr so häufig. Wenn Zärtlichkeit dabei ist, ist das sehr erfüllend. Was einige junge Psychologen jedoch über die Sexualität der Älteren erzählen, dass sie nur Streicheln und nichts Wildes wollen, das stimmt so nicht: Sollen die erst einmal 80 werden!"

"Was mich besorgt macht, ist die völlig vernachlässigte Aufklärung. Man darf Jugendliche nicht dem Internet überlassen und ihnen das Gefühl geben, das, was sie dort sehen, ist Sexualität. In dieser Hinsicht finde ich das Internet problematisch. Ich befürchte, dass wir dadurch zur Masturbationsgesellschaft werden. Schon jetzt sitzen immer mehr Männer und Frauen vor der Pornoglotze und befriedigen sich selbst. Die Menschen werden einsamer, wenn sie nicht mehr um andere Menschen werben und sich nicht auf eine Partnerschaft einlassen." Eines von Kolles Hauptanliegen ist die Alterssexualität: "Ein Jahr vor Erscheinen des Buches ,Liebe altert nicht' im Jahr 1997 habe ich auf dem Deutschen Gynäkologenkongress in Dresden über das Thema gesprochen: Alte Menschen haben genauso wie junge Lust auf Sex und sehnen sich nach heißen erotischen Erlebnissen. Natürlich ändert sich was im Körper. Vor allem neigen ältere Menschen mehr zu Krankheiten als jüngere. Aber das ist kein Grund, älteren Menschen einfach die Sexualität abzusprechen, wie das jüngere oftmals tun. Hier müssen viele umdenken."

Obwohl Oswald Kolle und José Del Ferro immer noch viel arbeiten, finden sie Zeit füreinander: "Wir sind jetzt sechs Jahre zusammen, und immer noch - behauptet meine Tochter - klinge ich wie ein sterbender Schwan, wenn sie am Telefon ist."

Kolle ergänzt: "José hat manchmal Schwierigkeiten mit meiner Vergangenheit. Sie versteht nicht, dass ich mit Marlies eine offene Ehe geführt habe. Für José gibt es keine zweigeteilte Treue. Dass es die für mich auch nicht mehr gibt, seitdem ich mit ihr zusammen bin, glaubt sie mir nicht so richtig. 'Ein Fuchs verliert seine Haare, aber nicht seine Tricks. Ein Mann, der gelebt hat wie du, der ändert sich doch nicht mehr. Das geht doch nicht.' 'Doch das geht', antworte ich, 'ich bin so frei.'"

Auszüge vorab aus: "Weiter lieben ... Wie ältere Menschen ihre Beziehung leben", von Monica Fauss, 180 Seiten, 17,95 Euro. Das Buch erscheint am 14. September im Verlag Kreuz.