Können Sie sich auch keine Suite für 35 000 Euro pro Nacht leisten? Macht nichts. Die schönsten Seiten der französischen Riviera lassen sich auch für weit weniger Geld genießen. Ein kleiner Streifzug die Küste entlang, auf dem die Sinne schon beim Lesen Urlaub machen.

Hinausschauen. Innehalten. Die Zeit auflösen. Nicht mehr die Welt ist die Bühne. Sondern das Meer. Und sein einzigartiges Blau. Es beginnt schon beim Anflug: dieses Gefühl, dass die Cote d'Azur einen aus den Angeln des eigenen Lebens hebt. Und dass das Meer die Regie übernimmt. Wo gerade noch Wälder waren, hügelige Landschaften, durch die sich Serpentinenpfade schlängelten, ist plötzlich ein schmales Stück Strand - und dann nur noch Blau. Meer, weites Meer. Blau bis zum Horizont.

Schon da beginnt der Urlaub im Kopf. Das Blau wirkt meditativ. Kontemplation aus der Luft, bis der Flieger seine letzte große Kurve zieht und links die Bucht von Cannes erscheint. Hinten, in Richtung St. Tropez, geht das Azur spektakulär ins Türkis über, die Wellenkämme kommen immer näher - und dann setzt der herrliche Nervenkitzel ein wie jedes Mal beim Anflug auf Nizza: Setzen wir etwa auf dem Wasser auf - oder doch einen Hauch später auf der Landebahn? Palmen am Airport. "Bienvenue à l'Aéroport Nice, Cote d'Azur", sagt die Stewardess. Der Blick auf die Pracht der Landschaft entzückt einen immer wieder aufs Neue. Und weckt die Lebenslust.

Ramatuelle, ein bezauberndes Bergdörfchen über St. Tropez. Das Hotel "La Réserve Ramatuelle" ist so diskret gelegen, dass man die Einfahrt kaum findet. Aber dann, auf Knopfdruck, öffnet sich eine Tormauer und gibt einen spektakulären Blick frei: auf ein Gebäude wie ein Raumschiff, mit einem kühnen Dach und einem Durchblick direkt aufs Meer. Atemberaubend. "Darum muss das Tor immer zu sein", sagt Hoteldirektor Raouf Finan. "Wir wollen, dass alle Gäste diesen Moment der Überraschung erleben!"

Das "La Réserve" ist hypermodern, ohne seelenlos zu sein. Puristisch, ohne kalt zu sein. Als reduziere sich alles, um sich aufs Wesentliche zu konzentrieren: die Natur, den Menschen, die Harmonie. Auch der Spa des jüngst eröffneten Hauses geht über Wellness hinaus. Spezialisiert hat man sich auf Sechs-Tages-Kuren, die mit einer Gesundheitsbilanz beginnen und in ein individuel-les Ernährungsprogramm münden. Die empfohlenen Gerichte kann man direkt im Restaurant ausprobieren.

Erst Ende Mai wurde das Hotel eröffnet, doch alles funktioniert hier schon wie am Schnürchen. Ein anderer Genuss im Spa ist das Farbbad - in einer Badewanne sprudeln aus tausend Öffnungen immer neue Wasserströme an den Körper, dazu färben sich Wasser, Wand und Decke sekündlich in neuen Farbspektren. Pinkfarbenes Wasser blubbert fröhlich über den Körper, während die Wände lila auftrumpfen und von einer mattblauen Decke ermahnt werden - das nur eine Momentaufnahme.

Spektakulär ist die Neunzig-Minuten-Massage, die zwei Jahre lang von Osteopathen exklusiv für das "La Réserve" entwickelt wurde. Der Blick ins Blau, das offene Fenster, die flatternden weißen Leinengardinen würden schon genügen, um Wohlgefühl zu erzeugen. Aber dann knetet die Masseurin Sophie den Körper durch, als hätte sie den Auftrag, jedem einzelnen Knöchelchen einen Besuch abzustatten. Es ist mehr Therapie von Körper und Seele als eine banale Massage. Und die Gedanken verabschieden sich und gehen auf Reisen.

Ruhe, herunterkommen - das scheint auch die Mission der Zimmer zu sein. Sie sind atemberaubend stylish, funktionell und schnörkellos. Das Bett im Mittelpunkt, natürlich mit Blick auf die Meereskulisse, davor der Zugang zum Ankleideraum. Wie wichtig die Körperkultur hier ist, sieht man am Bad: ein großzügiges weißes Paradies, von dessen transparenter Dusche und der Badewanne man auf die felsige Küste blickt. Alles, aber auch alles lädt zur Bewunderung der Natur ein, zur Besinnung.

St. Tropez ist das berühmteste Fischerdorf der Welt, die Wiege des Jetsets, ein Schauplatz des Savoir-vivre. Es hat schon seinen Grund, warum es so viele hierhin zieht: Es ist einfach umwerfend schön.

Ein Hotel der alten Schule ist das "Résidence de La Pinède" am Ortseingang. Ein Landhaus im provenzalischen Stil, apricotfarbenes Gemäuer, weiße Fensterläden, Tonschindeln auf den Dächern, pinkfarbene Geranien, gelbe Sonnenliegen und jede Menge Charme. Das "Pinède" liegt an einem der schönsten Punkte von St. Tropez, direkt am Plage de la Bouillabaisse. Rechts schaut man auf den alten Hafen, ein Stück weiter auf Ste. Maxime. Die ganze ruhige Schönheit der Bucht von St. Tropez kann man von hier aus als 180-Grad-Panorama bewundern. Innen herrscht gediegene Eleganz. Warme Töne dominieren, Terracotta und Sonnengelb. Diniert wird abends auf der Terrasse. Die Küche ist berühmt. Chefkoch Arnaud Donckele ist erst 31, aber gilt bei Gault-Millau und Co schon als große Hoffnung. Zu Recht! Hummer-Velouté mit Georgspilzen und Morcheln, Makkaroni gefüllt mit getrüffeltem Foie Gras, Steinbutt mit Yuzu-Saft. Das Finale: ein geeistes Rosen-Nougat mit Himbeeren und Erdbeeren. Jeder Gang ist eine perfekte Komposition. Auf der Karte findet man Weine für vierstellige Summen, und sogar einen Romanée Grand Cru von 1999 für glatte 10 000 Euro - aber auch einen heimischen Rosé für 35 Euro.

Es geht weiter, von einem Glamour-Ort zum nächsten, nach einer Stunde Fahrt entlang dem Esterel-Gebirge erreicht man Cannes. Es ist in jeder Hinsicht ein klassisches Grand Hotel, das "Martinez". Alles daran ist "grand" - und war auch schon so angedacht, als es vor genau 80 Jahren vom neapolitanischen Hotelier Emanuel Martinez erbaut wurde. Bis heute ist der schneeweiße Palast das größte Hotel der Cote, mit 412 Zimmern. Und es kann mit Stolz behaupten, die größte Hotelsuite Europas zu besitzen.

Die Penthouse-Suite oben im siebten Stock. Höher geht's nicht, das ist der Gipfel des Luxus. 1000 Quadratmeter ist sie groß, die sich auf zwei Wohnzimmer, zwei Esszimmer, vier Schlafzimmer mit Bad ensuite, zwei Saunen und mehrere Ankleidezimmer verteilen. Von jedem Zimmer gelangt man auf die breite Terrasse mit den zwei Whirlpools, die die Suite umsäumt. Das Beste aber ist der Blick über die Bucht von Cannes: einfach grandios.

"Die Suite renovieren wir jedes Jahr", sagt Marie-Claure Boudaud. Weil sie abgewohnt ist? "Nein, um eine neue Dekoration zu präsentieren. Oder das Parkett zu erneuern. Unsere Gäste sollen das Beste bekommen. Sie zahlen ja auch 35 000 Euro - pro Nacht."

Dimensionen, die schwindelig machen. Zumal diese Gäste - Prominente wie Jean-Paul Belmondo, Jodie Foster, Francis Ford Coppola oder aber große Familien, ob aus Russland oder arabischen Ländern - oft einen ganzen Monat bleiben. Und, damit sie sich wirklich wohlfühlen, die eigenen Möbel mitbringen. Für Geld geht alles: Für einen Gast wurde die ganze Suite schon mit weißem Teppichboden ausgelegt, für den anderen extra ein Fitnessraum eingerichtet oder einmal auch ein Profi-Frisiersalon. "Es ist alles nur eine Frage des Budgets", erklärt Mme Boudaud pragmatisch. "Die Ansprüche des Kunden zu erfüllen, ist unser Job."

Seinen 80. Geburtstag feiert das "Martinez" mit vielen Angeboten für 80 Euro, wie dem Menü für zwei Personen oder einer Schönheitsbehandlung im großen Spa über den Dächern von Cannes. "Als wir 80 Zimmer für 80 Euro anboten, hat das einen Tag lang unseren Server lahmgelegt", berichtet die PR-Frau.

Über Nacht hat Regen die Küste reingewaschen, morgens küsst die Sonne sie wieder, und sie erstrahlt selig. Auf nach Norden, nach Cap Ferrat. Die Fahrt ist eine Wonne: Jede Bucht präsentiert eine neue Prachtkulisse, eine schöner als die andere. Eine Fülle, als habe die Erde ihre schönsten Kostbarkeiten hier stolz zur Auslage präsentiert. Und immer wieder Palmen, Pinien, schroffe Felsen, kühne Küstenstraßen. Und natürlich das große Blau.

Zwischen Nizza und Monaco, in der Mitte von Villefranche und Beaulieu liegt das Cap Ferrat. Ein winziges Fischerdörfchen auf einer Landspitze, dessen Klima und Lage Anfang des 20. Jahrhunderts russische und britische Aristokraten anzog. Noch heute zahlt man hier die höchsten Quadratmeterpreise der gesamten Küste. Hier baute die Baronin Ephrussie de Rothschild ihre berühmte Villa, der belgische König, auch Gustave Eiffel, der Konstrukteur des Eiffelturms, hatten hier ein Feriendomizil. Über allem prangt der Hotelpalast des "Royal Riviera". Der Belle-Epoque-Bau erinnert an Buttercremetorte, in Rosa und Beige, kunstvoll verziert mit Schokoladengittern. Innen ist es angenehm frisch gestylt: chic, elegant, modern. "Als wir das Hotel renoviert haben", erklärt die warmherzige Sales- und Marketingmanagerin Sophie Valette, "haben wir festgestellt: Was uns hier beeinflusst, ist der Blick auf die Villa Kerylos gegenüber. Ein Deutscher hat sie seiner Frau geschenkt, sie ist ein getreues Abbild eines griechischen Palastes. Aus fast jedem Fenster sehen wir diese Villa - also haben wir unsere Wände diesem Ausblick angepasst und neo-hellenistische Elemente ins Haus geholt." Ein wunderbarer Mix.

Neben den 94 Zimmern im Haupthaus gibt es jenseits des Pools die Orangerie mit 16 Suiten, in denen das Zitronengelb, Olivgrün und Lavendel des Südens farblich dominieren. "Hier ist alles noch leichter, hier soll man sich ganz wie zu Hause fühlen," sagt Sophie. Sogar die Rolling Stones waren schon hier. Ohne etwas zu zertrümmern, übrigens.

Die Signatur des Hotels ist so intensiv wie diskret: Abends findet man auf dem Kopfkissen ein kleines Parfumfläschchen vor. Ein Duft aus Orange, Iris und Zeder, der vor dem Schlafengehen entspannen soll, wenn man ein paar Tropfen aufs Kopfkissen gibt. Und jeden Abend gibt es einen neuen Duft, verrät Sophie. "Ich sage unseren Gästen immer: Ihr könnt uns gar nicht vergessen, ihr habt ja unsere Düfte bei euch!"

Ganz zuletzt erinnert die Natur noch einmal daran, um wen es in der Hauptsache geht, und hält ein ganz besonderes Schauspiel parat: ein Drama von dunklen Wolkenbergen am Himmel, die sich in immer neuen Konstellationen formieren. Darunter, beinahe lethargisch, präsentiert sich das Wasser in mysteriösen Farben, in Grau, Silber, mit ein paar schmalen lichtschillernden Streifen am Horizont. Ein Wechselspiel von Licht und Dunkel.

Bis die Sonne ihr Versteckspiel doch aufgibt und wieder hinter den Wolken auftaucht. Man möchte fast applaudieren. Dann geben ihre Strahlen sämtlichen Farben der Landschaft das Signal, wieder kräftig zu leuchten. Die Cote ist wieder unendlich Azur.