Studium, Nebenjob und Auftritte lassen sich auf dem Weg zur Musikerkarriere nur schwer vereinbaren. Aber mit Talent, Disziplin und Glück kann der große Traum vom Rockstar wahr werden und man schafft es aus einem Wandsbeker Bunker zu Rock am Ring - so wie die vier Jungs der Hamburger Band The Knights. Ein Proberaum-Porträt.

Das Erste, was man beim Betreten des Proberaums der jungen Hamburger Band The Knights hört, ist das an einen schlecht eingestellten Fernseher erinnernde Rauschen der eingeschalteten Verstärker, verbunden mit der summenden Lüftungsanlage des ehemaligen Luftschutzbunkers in der Wandsbeker Von-Hein-Straße. Dieses Geräusch verbindet The Knights mit jeder anderen Band auf der Welt, mit Stars wie Kings Of Leon oder Razorlight und mit ungezählten weiteren Newcomer-Gruppen, genauso wie die dicken, mit Karton gedämmten Betonwände, das abgesessene Sofa und der obligatorische leere Bierkasten. Der Unterschied ist: der Traum. Die Kings Of Leon haben sich längst ihren Traum vom Rockstardasein erfüllt, The Knights hingegen haben gerade erst angefangen, ihren Traum zu leben: krachende Gitarren, donnernde Drums, Lichterzauber und jubelnde Fans. Rock 'n' Roll.

Lennart Plutat (Gitarre), Paul Uhlig (Keyboard), Marvin Rinas (Gesang und Bass) und Al-Khouzama Sabour (Schlagzeug) proben gerade für einen selbstorganisierten Videodreh am Nachmittag. Krachende Gitarren, donnernde Drums, nur von Lichterzauber und jubelnden Fans ist in dem wie eine überdimensionierte Schuhschachtel wirkenden Raum keine Spur - im Gegensatz zu jener Nacht Anfang April.

"Es war Wahnsinn. Khouzama und ich gucken uns auf der Bühne an und dachten beide: Alter, was machen wir hier eigentlich? Wir rocken uns den Arsch weg und machen genau das, was wir lieben!" Pauls Euphorie ist kaum zu bremsen. Das ist verständlich, immerhin haben The Knights in besagter Nacht als Vorband für die britischen Rockstars The Rifles im ausverkauften Uebel & Gefährlich eröffnet, wurden kräftig abgefeiert, haben anschließend alle Instrumente in den Mietwagen geworfen und sind dann rüber ins ebenfalls rappelvolle Docks gefahren, um dort bei der "Coca Cola Soundwave Discovery Tour", einem bundesweiten Wettbewerb für Nachwuchsbands, zu spielen. Dazu kamen Interviews, enge Zeitvorgaben, hastige Soundchecks und verschwitze Klamotten. Eigentlich der pure Stress. Doch alles lief perfekt, die Zuschauer-Jury jubelte bei The Knights am lautesten und verhalf der Band so zum Einzug in die nächste Runde der Soundwave-Tour: Bei Rock am Ring, Deutschlands größtem Rock-Festival, können The Knights im Juni die nächste Hürde nehmen, um letztendlich beim Finale am 3. Oktober vor über einer halben Million Menschen vor dem Brandenburger Tor zu spielen.

Atempause, der Reihe nach: Diese Nacht umfasste gerade mal die ersten beiden Konzerte, die The Knights überhaupt gegeben haben - kein schlechter Startschuss für eine Band, die mit der Unterstützung von Freunden und Familie alles selbst macht und bisher noch keine Plattenfirma im Rücken hat.

Angefangen hat alles vor ein paar Jahren in Südfrankreich: Zigaretten, Wein und Gitarren kreisen am Lagerfeuer, drei Freunde aus Bergedorf, Marvin, Lennart und Khouzama, haben einen Traum und gründen spontan eine Band. Paul stößt etwas später hinzu. Alle vier leben für Musik und haben wie viele schon früh als "Haushaltsdrummer" auf Töpfen und Eimern, im Klavier- und Geigenunterricht oder als Rapper musikalische Erfahrungen gesammelt. Zu Beginn noch unter dem Namen Indica bespielen die vier mit einem Sound zwischen Grunge, Rock, Hip-Hop und Funk die üblichen Bühnen der Jugendzentren und Bandwettbewerbe. Erste Fans sind da, aber so richtig will der Funke nicht überspringen. Mit einem Sinnbild bringt Marvin die Schwierigkeiten auf den Punkt: "Ich hatte früher das Gefühl, ständig demonstrieren zu müssen, wie super ich Bass spielen kann. Wenn da noch ein Ton reinpasste, habe ich ihn reingequetscht." Der gemeinsame Fokus auf eine Band als Einheit, auf Zusammenspiel und Disziplin, fehlte. Auch im Proberaum: "Damals haben wir noch bei Marvins Eltern im Keller geprobt," lacht Lennart "und die Nintendo-Konsole war sehr verführerisch, genau wie der Saftkuchen von Marvins Mutter." Der Traum von Rock 'n' Roll rückte in weite Ferne - für ein Stück Saftkuchen.

Seit einem Jahr ist alles neu. Alte Songs sind über Bord geflogen, und die Band heißt The Knights. Mit Minimalismus große Wirkung zu erzielen ist die neue Devise. "Mittlerweile sind wir zielgerichtet und proben regelmäßig mehrmals in der Woche", so Lennart, "wir mussten uns echt oft gegenseitig auf die Egos hauen um uns anzutreiben, aber jetzt sind wir disziplinierter und wissen genau, was wir wollen."

Sie wollen nach oben. "Die Nacht im Docks und Uebel & Gefährlich soll zum täglichen Erlebnis werden," fasst Khouzama den gemeinsamen Traum zusammen. Natürlich gibt es ungezählte junge Bands in Hamburg, die ebenso ehrgeizig und talentiert sind, aber ohne Aussicht auf eine echte Musikerkarriere im Proberaum versauern. Warum sind jetzt gerade The Knights vielleicht auf dem Sprung?

Die Musik ist das Wichtigste und ohne gute Songs läuft gar nichts. "The Knights ist straighter Rock. Wir machen Musik, die wir selbst gerne zum Abfeiern hören", sagt Khouzama. In der Tat scheint der Knights-Sound direkt von den Tanzböden der Clubs zu kommen, welche sie nachts besuchen: Molotow, Grüner Jäger und Uebel & Gefährlich. Gegen feste Schubladen allerdings sperrt man sich ritterlich. Lennart: "Wir sehen es wie Thom Yorke von Radiohead, der mal im Interview sagte: ,Wir spielen Pop. Nächste Frage.'" Marvin ergänzt: "Ich singe über die großen und kleinen Allüren eines Twentysomething. Es geht um Liebe, aber auch um Gesellschaftskritik. Ich sehe uns nicht als politische Band, aber ..." "... eigentlich geht es in allen außer ein oder zwei Songs um Liebe und Frauen", bringt es Paul auf den Punkt.

Dennoch ist das leider wenig wert, wenn man es nicht schafft, sich gut darzustellen und in Zeiten von Web 2.0 an einem Netzwerk arbeitet. Privat und professionell. Freunde, Familie und Bekannte halfen der Band, schmierten Brote für die Konzerte, designten Websites und Bandlogo, fotografierten Promo-Bilder. The Knights haben tonnenweise Mails rausgeschickt, ein Video gedreht und sind sich auch nicht zu schade, einen ganzen Abend vor dem Computer zu hocken, um Freunde bei Myspace zusammenzutrommeln. So entstehen Kontakte, so organisierte ein Bekannter bei einem Hamburger Konzertveranstalter, der zufällig ein paar Knights-Songs zur Hand hatte, spontan den Platz im Vorprogramm der Rifles, weil die Bands gut zusammenpassten. Glück gehört eben auch dazu.

Um die Ohren geschlagene Nächte für die Zukunft der Band, für Proben, Booking und Aufnahmen, gehören zum Leben der vier genauso dazu wie der morgendliche Gang in die Uni oder zur Arbeit. Marvin studiert zur Zeit Politikwissenschaft und gibt Nachhilfe an der Scuola Italiana, Lennart widmet sich der Medienwissenschaft und Systematischer Musikwissenschaft und gibt Gitarrenuntericht, Paul "verzweifelt" an Medienwissenschaft und jobbt im Copyshop, und Khouzama betätigt sich nach seinem Studium der Popularmusik als Barkeeper im Hamburger Nachtleben - der Spagat zwischen Musikerleben und Alltag ist nicht immer einfach, wie Lennart erklärt: "In der letzten Zeit habe ich neben den vier wöchentlichen Proben noch so viel Zeit in die Band gesteckt, dass ich die erste Semesterwoche komplett verschlafen habe."

Dafür aber ist das erste, in Eigenregie produzierte Album "Heart Of Gold" fertig und wird am 15. Mai mit einem Release-Konzert im Grünen Jäger auf St. Pauli vorgestellt. Demoaufnahmen liegen bei den wichtigen großen und kleinen Plattenfirmen vor, erste Rückmeldungen waren positiv, aber - wie üblich in der Branchenkrise - noch abwartend. Direkt aus dem Proberaum kriegt längst keine Band einen Vertrag mehr. Nun gilt es, die Aufmerksamkeit weiter zu erregen, die Fanbasis zu erweitern, weitere Konzerte zu geben, sowohl in kleinen Clubs von Elmshorn bis Berlin wie auch im großen Soundwave-Zelt bei "Rock am Ring".

Die Stahltür zum Proberaum schließt sich wieder. The Knights leben ihren Traum weiter - von krachenden Gitarren, donnernden Drums. Von Lichterzauber und jubelnden Fans. Vielleicht von vollen Bierkästen, aber vor allem von einem Leben wie im Rausch.