Am Stadtrand hat sich der Hamburger Schauspieler Nils Owe Krack seinen Traum vom Wohnen erfüllt - mit einem 250 Jahre alten Kätnerhaus.

Lutz Wendler und Michael Zapf

Am Anfang stand eine Anzeige im Abendblatt: "Kleine Wohnung in alter Reetdachkate". Was gemütlicher klang, als es war. Beim Besichtigungstermin am Billwerder Billdeich wurde Nils Owe Krack eine renovierungsbedürftige 46-Quadratmeter-Wohnung ohne Heizung gezeigt: "Ungedämmt, kurios geschnitten, 2,10 Meter Deckenhöhe. Größter Raum war das Bad, das acht Quadratmeter hatte." Ein Angebot für einen Romantiker mit viel Fantasie. Zumal das alte Haus mit seinem vermoosten Reetdach recht baufällig wirkte. "Echt gruselig", erzählt Krack. "Die hintere der drei kleinen Wohnungen stand leer, weil sie schon seit Ende der 80er-Jahre als unbewohnbar galt."

Das war Mitte 2001, und im Herbst zog Krack ein. Für den Hamburger Schauspieler begann ein Abenteuer, das noch heute andauert. Dabei hat er längst bewiesen, dass er romantisch ist - und Fantasie hat. Gott sei Dank kam auch noch Tatendrang dazu, sodass sich Hof Grootenboom zum Schmuckstück wandelte.

"Seit Kindertagen habe ich mich nach einem alten Haus wie auf Zeichnungen in plattdeutschen Büchern gesehnt", sagt Nils Owe Krack. Das Leben in der Kate erschien dagegen zunächst eher wie ein Albtraum. Es war, als laste ein Fluch auf dem alten Haus. 2002, nur wenige Monate nach Kracks Einzug, verfehlte ein Taxi die lang gezogene Kurve vor dem Haus und flog direkt von der Deichstraße in die Küche der 87 Jahre alten Nachbarin. Ein Boulevard-Blatt titelte "Warum rasen immer alle in unseren Vorgarten?", zählte den 51. Unfall an dieser Stelle und sprach von der "Horrorkurve". Elf Monate später platzten bei starkem Frost die oberhalb der provisorischen Decken verlegten Wasserrohre an drei Stellen: Kracks Wohnung war unbewohnbar. Es dauerte ein halbes Jahr, bis er wieder einziehen konnte. Und dann kam es noch schlimmer. Als Krack im Juni 2004 am Ohnsorg-Theater spielte, erhielt er die Nachricht, dass es zu Hause gebrannt hatte. Die Feuerwehr konnte zwar löschen, aber der Schaden verursacht durch Feuer und Wasser war fast total.

Andere hätten jetzt aufgegeben, doch Nils Owe Krack sah das erneute Unglück als Chance. Mit seinem Freund Marc Tegtmeier war er sich einig, die Sache gemeinsam und von Grund auf anzugehen. Die bei-den überredeten den Hausbesitzer zum Verkauf und begannen im Sommer 2004, das Haus zu entkernen - ohne genau zu wissen, was auf sie zukommt. "Wir haben erst mal 16 Zimmer rausgekloppt", erzählt Krack und zeigt eine Skizze von der aberwitzigen Flickschusterei des damaligen Grundrisses. Erst danach war die ursprüngliche innere Struktur des Gebäudes wieder erkennbar. "Das ist ein niederdeutsches Zweiständer-Hallenhaus, das um 1760 erbaut worden ist", erklärt Krack, der einiges über die Geschichte der Kate und des Straßendorfes Billwerder im Staatsarchiv recherchiert hat. Das Haus liegt direkt am Billedeich, rund acht Kilometer von der Dove-Elbe entfernt.

Wie in einem einfachen Kätnerhaus gelebt wurde, konnte Krack aus der freigelegten Architektur ablesen. "Das Leben spielte sich vor allem im großen Wohnraum ab, wo es eine offene Feuerstelle gab. Der Rauch stieg direkt im Haus auf und zog durch die Eulenflucht im Giebel ab." Was für die jungen Bauherren den erfreulichen Langzeiteffekt hatte, dass die geräucherten Balken so konserviert waren, dass die ursprüngliche Konstruktion noch immer trug.

Zunächst brauchten Krack und Tegtmeier wieder ein Dach über dem Kopf. Ein Reetdachdecker wurde beauftragt: Zwei Monate lang dauerte die Arbeit, 3500 Bund Reet wurden mit Draht aufs Dach "genäht". 38 000 Euro kostete das. Dafür bekamen die beiden einen ersten Eindruck davon, wie ihr Haus einmal aussehen könnte. Unter dem perfekten Dach aber war die Kate noch immer eine Ruine. Was folgte, war learning by doing unter Anleitung und mithilfe von gestandenen Handwerkern. Die Bauaufsicht übernahm ein erfahrener Zimmerermeister aus der Nachbarschaft, nachdem Architekten angesichts der vielen schiefen Wände, krummen Knicke und Schrägen den Tipp gegeben hatten, einen Praktiker mit Liebe zum Detail und viel Augenmaß ranzulassen. "Die sagten uns, das geht nicht mit der Wasserwaage", sagt Krack und erzählt, dass die nördliche Fassade, die in den Fuß des Bille-Deiches hineingebaut wurde, 50 Zentimeter breiter und 60 Zentimeter höher ist als die südliche. "Das war schon faszinierend zu sehen, wie unser Zimmerermeister, die Konstruktion per Handkraft mit Bausteifen verstärkte und sie danach ausbesserte. Wie er statt einer digitalen Schmiege nur Zollstock, kaputte Brille, Bleistift und Bierdeckel brauchte, um Balkenstücke zu vermessen, die er tags darauf passgenau mitbrachte."

Ansonsten gab's reichlich Hilfe zur Selbsthilfe. Nils Owe und Marc lernten, wie man mauert und verputzt. Kracks Bruder, der Heizungsbauer ist, machte vieles, die Familie und Freunde halfen, wann immer es ging. Die Bauarbeiten dokumentiert ein Fotoalbum, das "die inspizierende Frau" zeigt: An der Miene der Mutter lassen sich die Fortschritte ablesen. Von der Baugrube fürs Fundament über die Entstehung des Estrichs und neuer Außenmauern, für die wegen der Denkmalschutzauflagen extra kleinformatige Ziegel aus Belgien gekauft werden mussten, bis hin zum Verlegen der elektrischen Leitungen, dem Einbau sanitärer Anlagen und einer Fußbodenheizung. Nach einem Jahr Bauzeit konnten Nils Owe und Marc im Sommer 2005 wieder einziehen - auch wenn sie zunächst im Garten unter dem Schlauch duschen mussten. Nils Owes Mutter, Rita Krack, jedenfalls konnte wieder lachen, als sie mit dem Ehrengast Hilde Sicks bei Erdbeerkuchen mit Schlagsahne beisammensaß. Die im vergangenen Jahr gestorbene Ohnsorg-Ehrenschauspielerin hatte ihren jungen Freunden eine zweiflügelige Glastür für die Südfassade spendiert, die an ein Scheunentor erinnert.

Es dauerte noch ein weiteres Jahr bis die Kate restauriert war. "Aber richtig fertig wird man bei so einem Haus nie", sagt Nils Owe Krack und zeigt auf die Fenster, die erneuert werden müssten. Und auf versteckte Fugen, die mit Zeitungspapier ausgestopft sind: "Alles Abendblatt, sehr hilfreich." Den Wohnraum von einst haben die beiden wiederhergestellt, die Ställe für Kühe und Pferde, die im alten Bauernhaus mit "unter Dach und Fach" waren, sind jetzt Schlafzimmer und Bad mit Sauna. Historische Fundstücke wurden integriert, eine Schweinewaage oder eine Torfsäge, die Glocke eines Sportboots. Im Zentrum des Raums steht ein massiver Eichentisch für zwölf Personen, eigens angefertigt für dieses Haus. Das alles gibt ein Gefühl von herzlich-großzügiger Gastfreundschaft und Geborgenheit. Nils Owe Krack bewegt sich auf "Hoff Grootenboom" (Namensgebung der Besitzer), als habe er nie woanders gelebt. Er ackert im Garten, pflegt den Teich mit den Koi-Karpfen, ist mit Rottweiler Liese unterwegs, klönt mit Anwohnern über Traktoren und Kräuter und kennt die Geschichten des Dorfes. Ein Idyll in Sichtweite der Bausünden Neu-Allermöhe und Bergedorf-West.

Die Sanierungskosten waren so hoch wie der Kaufpreis der Kate, erzählt Krack. "Dafür hätten wir neu bauen können. Das macht man nur, wenn man keine Ahnung hat." Trotzdem keine Frage, dass die beiden es wieder machen würden. "Dieses Haus zu bewahren ist, als würde man ein Zeichen hinterlassen."