Schrift-Stücke

hunde und katzen, sagt mauser. regen prasselt gegen den schirm seiner mütze. was?, fragt grünhorn.

hunde und katzen, wiederholt mauser. er atmet geräuschvoll ein, hält die luft einen moment an, bevor er sie dann langsam, mit geblähten backen und beinah lautlos wieder entweichen lässt.

wobei ihn das ja jetzt mehr, sagt er, an fette flusspferde und ausgewachsene nashörner erinnern würde.

er zieht sich die schirmmütze tiefer in die stirn, rückt mit dem hintern auf dem durchnässten sand, in dem er sitzt, ein stück näher an das von ihm gebuddelte loch heran. er stöhnt.

its raining cats and dogs, its pissing hippos and rhinos, sagt er, holt eine handvoll matsch aus dem gebuddelten loch vor sich und lässt den matsch auf die zinne einer tropfburg tropfen.

grünhorn, der gesenkten kopfes neben ihm steht und die spitze seines turnschuhs betrachtet, mit der er gerade kurvenmuster in den sand malt, nickt.

ja, sagt er, ganz großartig.

er wischt mit den fingern der rechten hand über das gehäuseglas seiner armbanduhr, schaut auf das ziffernblatt.

zwanzig vor vier, sagt er.

er blickt flussaufwärts. der in der nähe gelegene hafen ist hinter dem dichten schleier aus regen kaum mehr zu erahnen. grünhorn beschirmt mit der hand die augen. der strand um ihn herum ist menschenleer, abgesehen von mauser.

die kommen nicht mehr, sagt grünhorn.

klar kommen die nicht mehr, sagt mauser, was hast denn du gedacht?

mauser schnippt mit dem nagel des zeigefingers gegen die zinne der tropfburg, schaut den auseinanderstiebenden sandteilchen beim auseinanderstieben zu. er sagt: its raining schließlich dinos and säbelzahntiger, mann.

grünhorn verzieht das gesicht zur grimasse.

wenn's wenigstens schneien würde, sagt er, dann könnte man sich zumindest ein iglu oder so was bauen.

dummerweise schneit's im juli aber nicht, entgegnet mauser, jedenfalls nicht in diesen breiten hier. schneefallwahrscheinlichkeit: null prozent.

aha, sagt grünhorn. ihm klebt regennasses haar an der stirn.

ja, sagt mauser, sieht essig aus mit sommerschnee.

na dann, sagt grünhorn, wischt sich das haar aus der stirn, sagt: vergiss das mit dem iglu.

ganz wie du meinst, sagt mauser. er wendet sich wieder seiner tropfburg zu.

grünhorn schaut erneut auf seine armbanduhr, kratzt sich im nacken, sagt: und dafür fährt man jetzt durch die ganze stadt, was für eine scheiße, mann.

künstlerpech, sagt mauser, das kommt vor.

er holt eine weitere ladung matsch aus dem loch.

vom stadtrand an den stadtstrand, sagt er, war doch bisher ein echt gelungener ausflug, insgesamt.

er wirft die ladung matsch auf die tropfburg, erhebt sich, klopft sich den sand vom hosenboden. seine klamotten kleben ihm auf der haut.

die eine hatte eine wohnung, sagt grünhorn.

ja, sagt mauser, wohnungen sind schon eine tolle erfindung, in wohnungen wird man nicht nass, wenn es draußen regnet, und in wohnungen können kleine, hübsche mädchen zum beispiel dann bei regen mit einer ihrer auch kleinen, auch hübschen freundinnen auf dem gemütlichen sofa sitzen, in ihren tee pusten und ein bisschen an diesem tee nippen, und wenn sie mal nicht nippen und pusten, dann reden sie über jungs.

mauser zieht geräuschvoll schleim die nase hoch, spuckt aus.

teeklatsch, sagt grünhorn, und nebenbei tunken sie dann immer so braunen, klumpigen zucker, der an einem zierlichen holzstiel klebt, in ihre teeklatschteetassen.

er vollführt die entsprechende stippgebärde.

ganz genau, sagt mauser, das tun sie.

grünhorn schaut nach oben in den mehrfach geschichteten, grauen himmel.

und die jungs, über die sie reden, sagt er, die stehen im regen und werden nass, nass bis auf die knochen.

das glaubt, wer selig wird, sagt mauser. er vergräbt seine hände in den hosentaschen, legt seinen kopf in den nacken und schaut ebenfalls nach oben in den grauen himmel.

wieso, fragt grünhorn, willst du mir etwa erzählen, dass wir gar nicht nass sind und dass das vielleicht auch gar kein regen ist, in dem wir stehen?

er lupft sein t-shirt am saum, rollt es ein stück auf und wringt es.

ja, sagt mauser, wir stehen im regen, aber die hübschen, kleinen mädchen, die auf ihrem sofa sitzen, die reden nicht über jungs, die im regen stehen, die reden über jungs, die auf den postern drauf sind, die an ihren wänden hängen, und wenn sie nicht über diese jungs, die auf den postern drauf sind, reden, dann reden sie bestimmt nicht über jungs, die sie versetzen, sondern über jungs, die sich garantiert nicht von ihnen versetzen lassen würden, weil diese jungs sich nämlich nicht einmal mit ihnen verabreden, über solche jungs reden sie.

grünhorn nickt.

korrekt, sagt er, dein stich.

mauser rückt den schirm seiner mütze zurecht.

mein stich, sagt er, finde ich auch.

er und grünhorn schauen vor sich auf das brackige wasser des flusses, das an der oberfläche von den auftreffenden tropfen des nach wie vor unablässig niedergehenden regens aufgewühlt wird.

und jetzt?, will grünhorn wissen.

zwei möglichkeiten, sagt mauser.

er hebt die zur faust geballte rechte hand und spreizt zeige- und mittelfinger ab.

entweder, sagt er, fahren wir jetzt zurück vom stadtstrand an den stadtrand zu mutti und freuen uns, dass mutti auch eine wohnung hat, in die es nicht reinregnet.

er macht eine pause.

oder?, fragt grünhorn.

oder, sagt mauser, die beiden jungs, über die niemand redet, suchen den nächsten kiosk oder etwas kioskartiges auf, stellen sich da unter und halten sich an dinge, die man in dosen kaufen kann.

etwas essen wäre auch nicht schlecht, sagt grünhorn.

das stimmt, meint mauser, cholesterinspiegel und zuckerhaushalt wieder in ordnung bringen.

na dann, sagt grünhorn, möglichkeit zwei klingt doch alles in allem ganz passabel.

yipp, sagt mauser. er nickt, wendet den blick vom fluss ab, schaut in richtung grünhorn. grünhorn betrachtet einmal mehr den menschenleeren strand.

sonst ist es bestimmt richtig rappelvoll hier, sagt er.

ja, sagt mauser, wenn es nicht schifft, sicher schon.

beide haben die arme vor der brust verschränkt, und eine ganze weile stehen sie einfach noch so da, am strand, am fluss, lassen den regen auf sich niederregnen, und zwei, vielleicht auch drei minuten fällt nicht ein wort zwischen ihnen.

okay, sagt grünhorn schließlich, ich finde, wir haben jetzt lange genug hier gestanden.

unbedingt, keine gegenargumente, sagt mauser.

grünhorn schiebt die unterlippe vor, deutet mit nach unten weisenden mundwinkeln ein gequältes grinsen an.

aber solche erfahrungen wie diese hier, sagt er, sind natürlich unheimlich wertvoll, sie lassen einen reifen, ist das nicht so?

sein grinsen wird breiter. er lockert seine schultermuskulatur, knackt mit den fingerknöcheln.

ich meine, sagt er, sich eine geschlagene stunde hier die beine in den bauch zu stehen, dabei unerschrocken dem wetter zu trotzen und nicht klein beizugeben, das hat schon art.

er macht eine ausladende handbewegung, sagt: das nenne ich haltung bewahren, rückgrat zeigen, jawohl.

er lacht.

ja, bestätigt mauser, haltung bewahren, das sei extrem wichtig, gerade, wenn's niemanden interessiere.

er schiebt den schirm seiner mütze ein stück nach oben. wenn's niemand sieht, ergänzt er, und niemand kümmert.

auch er lacht jetzt.

genau, sagt grünhorn.

er hebt seine zur faust geballte hand, schwenkt sie in brusthöhe in richtung mauser. mauser schlägt ein. komm, sagt er, wettlauf bis zum ende vom strand, verlierer küsst dem sieger die schuhe.

gewinner ist stadtkönig, stadtkönig der herzen, sagt grünhorn. los.

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