Geprellte Anleger, die sich betrogen fühlen. Filialen, die um Kunden werben. Ein Vorstandschef, der bescheiden sein will. Der Zustand des Geldgewerbes am Beispiel der Sparkasse.

Vier Etagen über den Kunden sitzt der, der für das Vertrauen zuständig ist. Niemand außer ihm darf dazu etwas sagen, auch nicht dazu, wie man es wieder gewinnen will oder ob man es noch hat oder wie man den Kunden begegnet, die es verloren haben. Nur im Vorstandsbüro von Dr. Harald Vogelsang darf über Vertrauen, Strategie und Image der Hamburger Sparkasse gesprochen werden, und das liegt im vierten Stock der Haspa-Filiale am Großen Burstah. Es ist ein Büro mit einem großen Schreibtisch, einem Stehpult und einem Konferenztisch. Ein nüchterner, funktionaler Raum, das einzig Persönliche sind zwei Ölgemälde mit romantischen Naturdarstellungen, die sich der Vorstandssprecher aus dem Besitz der Haspa ausgesucht hat. Vertrauensfragen sind in diesen Tagen bei der Haspa zur Chefsache geworden.

Es geht um 40 000 Bankkunden in Deutschland, um 10 000 Bankkunden in Hamburg und um 3700 Kunden der Hamburger Sparkasse, die ihr Geld in Lehman-Brothers-Zertifikate angelegt und es nach der Pleite der amerikanischen Bank verloren haben. Die Finanzkrise des kleinen Mannes. Zwar sind 3700 bei einem Kundenstamm von 1,3 Millionen nicht viel, aber genug, um dem Image der Hamburger Sparkasse zu schaden. Vor allem, wenn einige schon gegen die Haspa geklagt haben, Mahnwachen vor den Filialen abhalten und sich auf Treffen mit anderen Lehman-Brothers-Opfern laut und stark gegen die Haspa aussprechen und sagen, dass sie keiner Bank mehr vertrauen können. Und Geld ist schließlich Vertrauensache. Und mit Geld machen die Banken schließlich ihr Geschäft.

Die Haspa ist eine von sechs freien Sparkassen in Deutschland, die sich zwar noch dem Gemeinwohl verpflichtet sehen, aber nicht wie die herkömmlichen Sparkassen im Besitz oder unter Kontrolle eines kommunalen Trägers stehen. Sie ist die Bank in Hamburg mit den meisten Kunden und mit einer Bilanzsumme von 36,1 Milliarden Euro im Jahr 2008 die größte Sparkasse in Deutschland. Und Harald Vogelsang ist der Hüter dieses Haspa-Images, der dafür Sorge trägt, dass die Haspa genau das bleibt, was sie ist. Ein Markendiamant und ein Finanzriese mit dem Image einer Regionalbank. "Haspa. Meine Bank."

Vogelsang ist ein großer, schlanker Mann, ein Hanseat, ein Vorstandssprecher wie ihn sich so mancher Konzern wünschen würde. Gäste begrüßt er mit Handschlag und einem Lächeln. Er sagt gleich: "Ich habe nicht viel Zeit." Was vielleicht wie eine Entschuldigung gemeint sein könnte, klingt eher wie eine Feststellung. Von den Fenstern in seinem Büro kann er auf die Hamburger Handelskammer und die Deutsche Bank schauen. Reden probt er an seinem Stehpult mit Blick auf den Konkurrenten. Bis eben hat er noch an seinem Schreibtisch gesessen, akkurat liegen dort drei verschiedene Unterlagen. Nichts auf dem Tisch ist überflüssig. Doch fotografieren lassen, möchte er sich dort nicht. "Ist zu durcheinander", sagt er. Ob das ein Scherz war oder nicht, lässt sein Gesicht nicht erkennen.

Er bittet zum Gespräch an den Konferenztisch. Er selbst nimmt am Kopf Platz, seine Pressesprecherin mit dem Rücken zum Fenster, und der Gast wird gebeten, sich auf den noch freien Stuhl mit Blick nach draußen zu setzen. Die Sitzplatzwahl wirkt nicht zufällig, der Gast darf ruhig mal den Blick schweifen lassen. In diesen Tagen scheint für die Haspa zu gelten: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Dr. Harald Vogelsang lächelt. Während er Fragen beantwortet, schreibt seine Pressesprecherin jedes seiner Worte mit. Er spricht stets in mittlerer Tonlage. Ruhig und langsam.

Wie sehen Sie das Image der Haspa?

"Wie jemand, der immer da ist. An den sich die Menschen immer wenden können. Haspa steht nicht für große Welt, sondern für Nähe und Menschlichkeit."

Wie wichtig ist Vertrauen?

"Vertrauen ist für Menschen, und für Menschen, die in Geldanlagen unterwegs sind, etwas ganz, ganz Wichtiges, das steht oben an. Deshalb ist es für die Haspa wichtig, mit dem Vertrauen ihrer Kunden ausgestattet zu sein."

Zwei Tage vor dem Gespräch mit Dr. Harald Vogelsang. Auch an diesem Mittwoch um kurz vor sieben geht es um Vertrauen. Das Cafe Uni-Park neben dem Rechtshaus an der Rothenbaumchaussee füllt sich. Es kommen immer mehr Menschen. Die meisten sind älter als 60 Jahre. Eine Frau mit weißen, gut frisierten Haaren schiebt einen Gehwagen vor sich her, im Korb des Wagens liegt ein Stapel Unterlagen. Sie setzt sich an den Tisch, der für die Citibank-Kunden reserviert ist. Weiter vorn sitzen die Dresdner-Bank-Kunden, rechts die von der Haspa, an einem anderen Tisch diverse. Es ist ein Treffen Geschädigter. Lehman-Brothers-Geschädigter. Auch wenn sie bei verschiedenen Banken sind, einigt sie das. Der durchschnittliche Geschädigte ist 64 Jahre alt und hat 17 000 Euro in die Zertifikate investiert, fand die Hamburger Verbraucherzentrale heraus. Häufig war es das Geld für die Altersvorsorge. Damals hatten die Anleger noch Vertrauen in die Bankberater. Kontrolle wäre aber besser gewesen. Einer, der den etwa 70 Menschen helfen möchte, wie er sagt, ist der Rechtsanwalt Can Felix Ansay. Er ist 31 Jahre alt und trägt einen grauen Anzug, der vielleicht seriös, vertrauensbildend wirken soll. Ansay steht am Eingang und begrüßt jeden per Handschlag. Er hat den Termin auf einer Internetseite für Geschädigte bekannt gegeben. Der junge Anwalt wirbt hier für seine Geschäftsidee. Sammelklagen.

Als alle Platz genommen haben und Ansay sich in die Mitte des Raumes gestellt hat, dürfen zuerst die "Opfer" reden. Siegfried Weber meldet sich: "Ich bin 40 Jahre Kunde bei der Haspa gewesen", sagt er laut. "Diese 40 Jahre sind mit Füßen getreten worden. Mir ist jedes Mittel recht, um mein Geld wiederzubekommen." Er bekommt Beifall, auch von Ansay. Weber ist 72 Jahre alt und hat 50 000 Euro verloren. "Ich habe den Berater noch gefragt, ist mein Geld sicher?" Ja, habe der gesagt.

Eine andere Frau fragt Ansay direkt: "Nennen Sie mir eine Bank, der ich noch vertrauen kann. Oder soll ich mein Geld jetzt unters Kopfkissen legen?" Der Rechtsanwalt antwortet ihr: "Na, warten Sie mal ab. Vielleicht müssen wir uns hier noch ein paar Mal in den nächsten Monaten treffen, aber dann treffen wir uns vielleicht wieder, und Sie freuen sich über Ihr zurückgewonnenes Geld." Ansay hat sich mit dieser Aussage vorgewagt, er erscheint wie eine männliche Version der Hollywood-Heldin Erin Brockovich. In dem Film ging es auch um Gerechtigkeit und auch um Sammelklagen. Brave Bürger gegen einen Chemie-Konzern, damals in der Hauptrolle Julia Roberts, die einen Oscar dafür erhielt.

Doch für Ansay läuft es nicht so glatt. Ein Mann vom Diversen-Tisch steht auf und sagt: "Ich vertraue auch Herrn Ansay nicht. Wir müssen uns selbst organisieren." Er vertraue niemandem mehr.

Doch die enttäuschten Anleger wollen dem Selbstorganisierer nicht zuhören, sie wollen weiter von ihren Schadensfällen berichten. Die Stimmung wird hitziger. Es fallen Sätze wie "Das Geld ist weg!" oder "Die Banker haben uns wie die blöden Fische in ein Netz getrieben." Oder "Ich wusste gar nicht, was ein Zertifikat ist."

Ein Mann vom Haspa-Tisch sagt, dass die Berater ihn getäuscht hätten und dass in letzter Konsequenz der Vorstandsvorsitzende der Haspa hätte wissen müssen, dass die Lehman-Brothers-Zertifikate nicht sicher sind. Der Mann heißt Hans-Werner Wielk und war früher Geschäftsführer eines amerikanischen Pharma-Unternehmens, er ist 69 Jahre alt, auch er war 45 Jahre Kunde der Haspa. Er habe nicht gewusst, um welch ein Produkt es sich handele, und vor allem nicht gewusst, dass die Banken für den Verkauf der Zertifikate Provision erhalten. Er hat 10 000 Euro verloren. "Ich dachte", sagt er, "dass die Haspa im Sinne des Kunden handelt. Ich hätte wenigstens erwartet, dass man uns anruft und sagt: ,Hör mal, da tut sich was.' Man hat uns ins offene Messer laufen lassen." Wielk fühlt sich getäuscht. Und wenn er wirklich getäuscht worden sein sollte und es beweisen könnte, dann hätte er auch Chancen vor Gericht, das zumindest sagt Rechtsanwalt Ansay.

Herr Dr. Vogelsang, war es ein Fehler, Lehman-Brothers-Zertifikate zu verkaufen?

"Die Lehman-Pleite haben wir nicht für möglich gehalten, niemand hat das. Natürlich ist man heute schlauer. Aber zum damaligen Zeitpunkt waren das ja Produkte mit einer Garantie, also auf 100-prozentigen Kapitalerhalt gebaut. Und die Zertifikate waren zudem von der viertgrößten Wallstreet-Bank. Deshalb kann man aus damaliger Perspektive sagen, es war kein Fehler."

Warum hat die Haspa die Lehman-Brothers-Zertifikate hauptsächlich an ältere Kunden verkauft? Der Vorwurf steht im Raum, die Banken hätten schlecht beraten zugunsten der eigenen Provision, obwohl die meisten Käufer eher konservative Anleger waren.

"Das ist kein schöner Vorwurf. Aber 64 Jahre ist für Kunden, die vermögend sind, kein besonders hohes Alter. Die meisten Kunden haben sich ihr Vermögen erst erarbeiten müssen. Daran diesen Vorwurf festzumachen, ist nicht zutreffend. Richtig ist, dass viele dieser Kunden eine konservative Anlage gesucht haben, deswegen haben sie ja auch ein Garantieprodukt gewählt. Aktien zum Beispiel haben keine Kapitalgarantie."

Die Haspa hat aber die meisten dieser Lehman-Zertifikate in Hamburg verkauft.

"Moment, Moment. Das muss man in Relation sehen, wir haben mit Abstand auch den höchsten Marktanteil. Es sind 3700 von 1,3 Millionen Kunden. Das ist eine große Zahl, und jeder einzelne ist wichtig. Aber es ist in der Gesamtzahl der Kunden ein überschaubarer Teil."

Was denken Sie nun über die, die klagen?

"Es gibt eine ganze Menge Leute, die die Zertifikate gekauft haben, weil die Zinsen so hoch waren. Ich kann verstehen, wenn man jetzt versucht, nachdem das Geld verloren ist, es wiederzubekommen. Das ist nur menschlich. Aber wir werden nicht jeden Kunden, der Lehman-Geld verloren hat, zufriedenstellen können. Nicht jeder war auch zum Zeitpunkt des Kaufes so unwissend, wie er heute tut. Dass muss man mitberücksichtigen."

Nachdem die Haspa mit dem größten Teil der 3700 Anleger Gespräche geführt hat, hat die Bank inzwischen 1000 Kunden entschädigt. Bei 750 Kunden seien Entschädigungen gezahlt worden, weil sie sich gesundheitlich oder finanziell in einer schwierigen Situation befunden hätten. Bei 250 Kunden habe es in der Tat Beratungsfehler gegeben, die Kunden seien nicht deutlich genug über das Risiko der Anlage aufgeklärt worden. Insgesamt haben die Haspa-Kunden 54 Millionen Euro verloren, bis jetzt sind 9,5 Millionen Euro erstattet worden. Den restlichen 2700 bleibt jetzt noch die Klage. Sechs liegen der Haspa inzwischen vor. Auch die erste sogenannte Sammelklage von Rechtsanwalt Ansay, mit der er drei Haspa-Kunden vertritt.

Can Felix Ansay bemüht sich auf der Versammlung im Cafe Unipark um noch mehr "Lehman-Opfer". Erst vor vier Jahren hat er seine juristische Ausbildung beendet, aber er ist Anwalt und verfügt über eine vertrauensvolle Art, die viele Geschädigte jetzt suchen. Da passt es gut, dass die "Hamburger Morgenpost" an diesem Tag sein Bild auf die Titelseite genommen hat, mit der Zeile: "Er lässt Hamburgs Banken zittern." Denn wenn ihm die Leute vertrauen, wenn sie ihm das Mandat geben, ihre Bank auf Schadensersatz zu verklagen, bedeutet das auch für ihn viel Geld.

Das, was er für die, die er hier überzeugen will, "Sammelklage" nennt, ist juristisch eine Klage unter dem Begriff der "objektiven Klagehäufigkeit". Für sein Honorar stellt er mehrere Möglichkeiten vor. Die normale Provision bei einer Einzelklage oder ein Erfolgshonorar bei einer "Sammelklage". Im Rücken von Ansay an der Wand leuchtet eine Powerpoint-Präsentation, links darauf steht Einzelklage, bei einem Streitwert von 10 000 Euro würde das Prozesskostenrisiko 5600 Euro betragen, bei einer Sammelklage von zehn Personen würde das Prozesskostenrisiko pro Kopf auf 662 Euro schrumpfen. "Das sind überschaubare Risiken", sagt er. Und nichts anderes wollen die Leute hier zurzeit sehnlicher als überschaubare Risiken.

Als Ansay am Ende des Abends fragt, wer sich von den 70 Anwesenden vorstellen könnte, zu klagen, hebt gut ein Drittel die Hand. Man könnte Ansay und die anderen Anwälte, die zurzeit Banken auf Schadensersatz verklagen, als Gewinner der Krise bezeichnen.

Aber auch die Haspa ist ein Krisengewinner. Trotz des Imageschadens und des Vertrauensverlustes der Lehman-Brothers-Geschädigten. Denn in den ersten Tagen nach dem 15. September 2008, als die Lehman-Brothers-Pleite bekannt gegeben wurde, wechselten schon zahlreiche Hamburger zur Hamburger Sparkasse. Holten ihr Erspartes von den Konten der anderen Banken und brachten es zur nächsten Haspa. Denn Sparkasse - das klingt in den Ohren vieler noch nach Gemeinsinn, nach kleiner Bank, nach etwas Heimat vielleicht. Auch wenn ausgerechnet die Hamburger Sparkasse anders als die meisten Sparkassen in Deutschland eine Aktiengesellschaft ist und nicht in kommunaler Hand. Als dann am 8. Oktober 2008 Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete, "Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind", wurde der Ansturm noch größer.

Zahlen, die belegen sollen, dass die Haspa immer noch die Bank des Vertrauens ist, verkündet der Vorstandssprecher Harald Vogelsang gern:

"Im vergangenen Jahr haben wir 80 000 neue Girokonten eröffnet und die Zahl der Tagesgeldkonten auf 130 000 verdoppelt."

Was bedeutet das in Geld?

"Allein auf den Tagesgeldkonten haben wir eine Milliarde zusätzliche Einlagen gewonnen, insgesamt befinden sich dort jetzt 2,7 Milliarden Euro, so viel war es bis zum Jahresende, das geht aber seitdem noch munter weiter."

Am Tag vor dem Gespräch mit dem Vorstandssprecher hat die Haspa länger geöffnet als sonst. Es ist Donnerstag, 16 Uhr, rote Werbeplakate laden die Passanten am Jungfernstieg ein, die "Haspa-Erlebnisfiliale" zu besuchen. Es ist sozusagen die Jubiläumsfiliale, sie wurde am 16. Juni 2007 eröffnet, ist die 180. Haspa-Filiale, 180 Jahre nach der Eröffnung der ersten im Jahr 1827. Kurz, sie ist etwas Besonderes. Drinnen erwartet die Besucher ein Shop-in-shop-Konzept. Zu Weihnachten gab es hier an einem Stand Pralinen von Arko, zuletzt gastierte hier das Nivea-Haus, jetzt die Deutsche Bahn. Dazu gibt es einen Stand, an dem man Tickets für Konzerte und Musicals kaufen kann. "Diese Filiale ist ein Pilotprojekt", sagt Andreas Wanner, der Filialleiter. Auch seine Kleidung folgt dem neuen Konzept. Corporate Design nennt man das. Blaue Nadelstreifenanzüge für alle. Als ob auch die Kleidung hier Vertrauen stiften würde. Wanner erklärt das so: "Die Mitarbeiter sind durch die Kleidung besser zu erkennen." Zum Gespräch bittet er in sein Büro. Es ist ein Glaskasten in der hinteren Hälfte der Filiale. Begleitet wird er dabei von einer Mitarbeiterin der Unternehmenskommunikation. "Nach dem berühmten Merkel-Satz hat es noch jeder geschnallt, dass die Krise jetzt da ist. In den Tagen darauf war die Filiale voll." Die kleinen Sparer seien gekommen. Alles, was als sicher galt, wurde infrage gestellt. Gerade ältere Leute seien verunsichert gewesen. Das Din-A4-Info-Blatt zur Einlagensicherung sei so oft verteilt worden wie nie.

Wanner war an der Basis, als die Krise ausbrach, und habe sich nicht gut gefühlt als Bankberater. Trotzdem sagt er: "Es ist ganz klar, die Entscheidung, die ein Kunde trifft, trifft er selbst." Und wenn jetzt das Vertrauen infrage gestellt werde, könne er das auch nicht verstehen. "Jahrelang konnten die Zinsen nicht hoch genug sein." Es gebe verschiedene Auffassungen von Risiko: Einige definieren es über Geldverlust, andere darüber, dass alles verloren gehen könnte. Vielleicht sei gerade dies das ganze Missverständnis.

Nicht weit entfernt von den enttäuschten Anlegern, die sich im Cafe Unipark treffen, der Haspa-Erlebnisfiliale und vom Büro des Vorstandssprechers forscht Professor Dr. Markus Nöth an der Hamburger Universität. Vielleicht ist er einer der wenigen, die wirklich etwas von der Finanzkrise verstehen und ehrlich darüber sprechen könnten. Aber auch sein Institut für Finanzierung wird von Banken gefördert, darunter auch die Haspa. Er lehrt Bankbetriebslehre und Behavioral Finance und untersucht gerade, wie Vertrauen gegenüber dem Bankberater entsteht. Sein Büro im Gebäude der Wirtschaftswissenschaften ist nur ein Viertel so groß wie das von Dr. Harald Vogelsang, aber auch nicht so durchsichtig wie das von Filialleiter Andreas Wanner.

Herr Professor Nöth, was wussten die Bankberater eigentlich über das Produkt, das sie verkauften?

"Ich unterstelle den meisten Beratern, dass sie oft nicht wussten, dass ein Zertifikat eine nachrangige Anleihe ist, bei der der Rückzahlungskurs variabel an einen Index oder Ähnliches gekoppelt ist. Außerdem hätte man mit den Risikoüberlegungen sowohl den Berater als auch den Kunden vermutlich überfordert."

Was wussten sie denn?

"Für eine angemessene Beratung viel zu wenig. Sie wussten in der Regel nur das, was auf den Informationsblättern stand."

Wer entscheidet denn darüber, welche Produkte verkauft werden?

"In den Banken wird zumeist in einem Gremium entschieden, welche Produkte an Kunden verkauft werden, und darauf verlassen sich die Bankberater."

Hätten die Kunden etwas von dem Risiko ahnen können?

"Man hätte es schon merken können, wenn statt 2,5 Prozent für Spareinlagen das Doppelte bei gleichem Sicherheitsniveau angeboten wird. Da kann etwas nicht stimmen, denn Banken sind ja keine karitative Vereinigung. Da müssen eigentlich die Alarmglocken angehen. Aber die Aussicht auf höhere Renditen war einfach zu verlockend."

Also ist das Vertrauen in den Bankberater nicht gerechtfertigt gewesen?

"Es ist aus meiner Sicht unglaublich, welches Vertrauen Bankberatern entgegen gebracht wird, obwohl der Kunde, im Gegensatz zum Haarschnitt beim Friseur, die Qualität der Anlageberatung in der Regel nicht erkennt und die Konsequenzen gravierend sein können."

Und das Vertrauen in eine bestimmte Bank?

"Die Gründe, warum ein Kunde ein Konto bei einer bestimmten Bank hat, sind oftmals nicht rational. Das hat oft mit Gefühl und dem Image einer Bank zu tun, aber nicht mit der Realität. Abgesehen von den Konditionen sind fast alle Banken, die in Deutschland beheimatet sind, was die Sicherheit des Geldes betrifft, gleich."

Und dass so viele Leute jetzt ihr Geld zur Haspa gebracht haben, weil sie denken, dort ist es sicher?

"Der Abzug von Geldern von Privatbanken ist inhaltlich aufgrund der deutschen Einlagensicherung nicht gerechtfertigt. Die Haspa hat jetzt eher das Problem, die zugeflossenen Gelder sinnvoll zu verwenden."

Wann werden die Leute die Krise vergessen haben?

"Privatinvestoren, aber auch institutionelle Investoren vergessen Verluste unglaublich schnell, vor allem wenn ordentliche zukünftige Gewinne versprochen werden. Das dauert vielleicht drei Jahre, dann ist die Krise vergessen."

Wenn die Anleger wieder vertrauen, dann ist die Krise vergessen. Dieses Vertrauen wieder zu gewinnen, davon hängt viel ab. Am Ende Arbeitsplätze und Wohlstand. Der Vorstandsprecher der Haspa, Dr. Harald Vogelsang, versucht in diesen Tagen, keine Image-Fehler mehr zu machen. Ein Foto von sich in einem zu protzigen Gebäudeteil der Haspa - viel Glas, aufwendige Architektur - lehnt er ab: "Zu unbescheiden."