Tim Binding: Cliffhanger

Marebuchverlag, 352 S., 19,90 Euro, gerade erschienen

Al Greenwood hat ein Haus am Meer, zwei Karpfen, die er liebt, und eine Frau, die er loswerden will. An einem verregneten Sonntagnachmittag verpasst er ihr deshalb leichthin einen Schubser ins Kreuz, und Audrey stürzt lautlos von einer englischen Klippe. Doch als Al triumphierend in seinen Bungalow zurückkehrt, räkelt sich seine Gattin im Morgenmantel vor dem Kamin ...

Der bitterböse Kriminalklamauk "Cliffhanger" des Briten Tim Binding spart nicht an skurrilen Figuren und bissigen Dialogen. Ein schwarzes Lesevergnügen. Al führt kein schlechtes Leben, doch nur für seine japanischen Edelkarpfen empfindet er wahre Leidenschaft. Er gibt sich keine Mühe, seine aufgestaute Unzufriedenheit zu verbergen. Als sein größter Coup jedoch fehlschlägt, hat Al plötzlich eine ganze Menge zu verstecken. Immer tiefer verheddert er sich in seinem eigenen Lügennetz und zermartert sich nebenbei das Hirn darüber, wen er nun tatsächlich die Steilküste hinabgestoßen hat. Einzig seine Ehe zu Audrey scheint auf einmal wieder zu funktionieren. Denn nicht nur Al hütet ein dunkles Geheimnis.

"Cliffhanger" ist eine Fundgrube bizarrer Details - von der polierten Granathülse als Türstopper über die mit Cannabis gefüllten Kroketten bis hin zu einem in ein Spitzentaschentuch gewickelten Weisheitszahn. Die Dorfbewohner tragen alle gelbe Regenmäntel und sind alle etwas verschroben. So skrupellos wie Al ist niemand. Dennoch hat selbst Al melancholische - fast philosophische - Momente. Obwohl er seine bessere Hälfte abservieren wollte, kommt man kaum umhin, ihn ein wenig ins Herz zu schließen. Binding legt seinen Figuren haufenweise schmutzig-schnoddrige Worte in den Mund. Bei aller Überspitzung bleiben deren Gefühlswelten aber trotzdem nachvollziehbar. Dem Autor ist eine herrlich böse Komödie gelungen - mit Tiefgang und einem sehr überraschenden Ende.