Dierk Strothmann über Milch und Honig auf dem Süllberg

Er ist mit seinen 74 Meter 70 ein ziemlich großer Hügel. Wie geschaffen für eine Burg, ein Schloss, eine Milchwirtschaft oder ein Hotel. Der Blankeneser Süllberg hatte, beziehungsweise hat alles - bis auf das Schloss. Aber meist war er so kahl wie eine Billardkugel. Fast 600 Jahre hatte sich nichts getan da oben. Dann kam der Fährmann Peter Georg Carl Hansen, pflanzte ein paar Bäume, baute einen viereckigen Turm und eröffnete am 18. Oktober 1837 seine Milchwirtschaft. Aber der Aufstieg war ziemlich mühsam, also mussten mehr Attraktionen her. Da gab es ja noch den alten Trichter am Millerntor, einen Pavillon, der wegen seines trichterfömigen Daches so genannt wurde. Den kaufte Hansen und stellte ihn auf. Der Süllberg wurde Ausflugsziel.

Es gab ein paar Leute, denen das überhaupt nicht gefiel. Hansen wurde überfallen und verhauen, nur ließ sich der Herr des Süllbergs nicht vergraulen wie seine Vorgänger. Der eine war Erzbischof Adalbert der Große, der im Jahre 1063 ein Castell erbauen ließ, samt Kloster. Der hatte zwar dafür gesorgt, dass der Wald verschwand, in dem üble Burschen darauf warteten, dass einer vorbeikäme, den sie ausrauben konnten. Aber seinen Leuten war nach getaner Arbeit ziemlich fad, und so überfielen sie jetzt selber die ehrbaren Leute. So macht man sich keine Freunde. Eines Tages hatten Adalberts Widersacher genug, belagerten die Burg, nahmen sie und zerstörten alles.

Die an sich nette Idee der Schauenburger Grafen aus dem Jahr 1258, auf die Spitze des Hügels eine Burg zu setzen, vereitelte vier Jahre später der Senat, der Barbarossas Privileg hervorkramte, dass in unmittelbarer Nähe Hamburgs keine Befestigungen gebaut werden durften. Dann war Ruhe auf dem Berg. Der wackere Fährmann Hansen verlor durch die Tracht Prügel doch ein wenig die Lust. Erfreulicherweise hatte er eine Tochter mit Namen Berta, die war verbandelt mit einem Zollbeamten aus Garstedt mit Namen Detlef Hinrich Rohr. Der hatte ein bisschen Geld in der Ecke, und dafür kaufte er seinem Schwiegervater den Süllberg ab. "Vater Rohr mit seiner betrottelten Mütze", wie Rudolf Maack in seinem Blankeneser Bilderbogen "Rund um den Süllberg" schreibt, hatte 40 Jahre Zeit, alles umzumodeln und ersetzte den viereckigen Turm durch einen runden, baute ein Tanzzelt auf und ein größeres Haus mit Festsaal.

Für Generationen blieb der Süllberg im Besitz der Familie Rohr. Detlef Hinrichs Sohn Friedrich verschrottete den alten Trichter und gab der gesamten Anlage den wilhelminischen Touch, den sie heute noch hat.

Inzwischen gibt es einen neuen Besitzer, der aus der einst eher volkstümlichen Milchwirtschaft ein Sterne-Hotel mit Spitzenrestaurant geformt hat. Karlheinz Hauser, Jahrgang 1967, hat bei Witzigmann gelernt, bei Käfer den Partyservice geleitet und sich als Küchenchef des Hotels Adlon in Berlin bewährt. Und so sind die Aussichten ganz gut, dass der Süllberg den Hamburgern und anderen Feinschmeckern als Gourmettempel erhalten bleibt. Burgen oder Schlösser oder Milchwirtschaften baut ja heutzutage ohnehin kaum noch jemand.

Übrigens: Es ist nicht geklärt, worauf sich der Name "Süllberg" oder "Sollenberg" oder "Sulleberg" bezieht. Maack vermutet, er kommt von "Sull", was so viel bedeutet wie Schwelle, Erhebung. Hamburgs Anekdotensammler Otto Beneke bemüht die alten Römer, die auf dem Berg einen Tempel errichtet hätten, den sie dem Sonnengott "Sol" widmeten. Dessen Feiertag ist der 25. Dezember und es ist kein Zufall, dass die frühen Christen eben diesen Tag als Geburtstag von Jesus Christus feierten, da der Sohn Gottes metaphorisch gern mit der Sonne verglichen wurde. Aber das ist eine ganz andere Geschichte ...