Saskia Bertling über Schweine und Braten

Das Leben ist ein elender Schweinebraten. Mit diesem Satz im Kopf bin ich heute Morgen aufgewacht. Schweinebraten. Als ich mich ein paar Stunden zuvor in diesem Zustand irgendwo zwischen Schlafen und Wachsein befand, ja, da fand ich den Satz noch bahnbrechend brillant, jetzt kann ich mich nur noch wundern. Nun gut. Einmal angenommen, dass Leben ist ein Schweinebraten. Dann ist das größtmögliche Glück natürlich die Kruste. Vorausgesetzt, man ist kein Vegetarier und steht auf diese krosse, fettige Angelegenheit. Also das Glück ist die Kruste. Dann kann man sich das Glück natürlich aufsparen oder es packen und herunterschlucken. Ich bin wohl eher der Typ, der die Kruste an den Tellerrand legt und erst einmal den Rest isst, den Kartoffelbrei und die Erbsen und den gesunden Salat, dabei schiele ich immer mal wieder auf dieses crunchig-knusprige Glück und bin ganz verzückt vor lauter Vorfreude. Ein mieser Krustendieb war es, der mich darauf brachte, mein Leben mit einem Prager Schinken zu vergleichen. Wer kennt sie nicht? Diese Menschen, die nicht einmal die Antwort abwarten und schon mit ihrer Gabel auf dem Nachbarteller herumstochern. Ach, du magst die Kruste nicht? Schwupps ist sie weg. "Hey, hast du sie noch alle, du mieser Dieb", schrie ich gestern beim Gartenfest meine Nachbarin an. Einen Tick zu heftig, einen Tick zu laut. Ich bin eben empfindlich, wenn es um meine Bratenkruste geht. Krustendiebe zählen häufig auch zur Kategorie der Neider, die gucken und kontrollieren, ob der andere vielleicht ein dickeres Stück auf seinem Teller hat. Nun frage ich mich, wer glücklicher ist? Der Abwartende, der die Vorfreude zelebriert? Der Zupacker, der sich schnappt, was Freude macht? Ich wäre gern ein Zupacker. Keiner, der anderen etwas wegnimmt, aber einer, der sein Glück erkennt, es nicht liegen lässt, weil er verzweifelt auf das Filet Mignon wartet, das noch serviert werden könnte. Wenn ich es mir so recht überlege, ist die Kruste im Vergleich zum Rest des Bratens eine extrem dünne Köstlichkeit, kaum ausreichend, um davon satt zu werden und doch zu mächtig, um sich allein davon zu ernähren. Ich sollte jetzt wohl raus aus dem Bett. Der Rest des Bratens schmeckt nämlich gar nicht übel. Das Leben ist ein ganz wunderbarer Schweinebraten.