Dierk Strothmann über junge Mädchen und alte Dampfer

Wenn es darum ging, der Erste zu sein, hatte Robert Miles Sloman immer die Nase ganz vorn. 1836 eröffnete der geniale Reeder die allererste transatlantische Schifffahrtslinie, indem er von Hamburg aus regelmäßig New York bediente, neun Jahre später versuchte er als Erster, Passagiere für Kreuzfahrten zu finden. Am 29. Mai 1850 setzte er noch einen drauf: Im dramatischen Kampf um die anwachsende Zahl von Auswanderern schlug er den örtlichen Konkurrenten Hapag und schickte das erste Dampfschiff auf die Reise über den Atlantik. "Helena Sloman" hieß der Dampfer, mit 800 Bruttoregistertonnen nicht gerade ein Riese, aber er konnte 310 Passagiere mitnehmen. Und er war doppelt so schnell wie ein Segelschiff.

So weit, so gut, aber wer war eigentlich Helena Sloman? Helen Christina Rosalia Sloman war die älteste Tochter des Patriarchen und wurde am 29. Juli 1839 in Hamburg geboren, war also zehn Jahre alt, als "ihr" Schiff unsere schöne Stadt verließ. Die kleine Helen war ein zartes Persönchen und hing sehr an ihrer Stiefurgroßmutter Margarethe, der Witwe des Lotsenkommandeurs Hinrich Braxens aus Tönning, dem Vater ihrer Großmutter Jung Göntje.

Helen war ein freundliches, gottesfürchtiges Mädchen, das in liebevoller Umgebung mit ihren vier Schwestern Crisia, Anna, Stephani und Emmy Sophie aufwuchs. Mit 26 verlobte sie sich mit dem Gutsbesitzer Wilhelm Berndes, den sie dann am 14. Januar 1866 in Eppendorf heiratete. Das Ehepaar zog auf das Gut Lammershagen am Selenter See bei Plön. Die beiden führten eine glückliche Ehe, denn auch Wilhelm Berndes war ein ruhiger Mensch, der schon als Student in Göttingen wegen seiner bedächtigen Art den Spitznamen "der ältere Herr" erhielt. Sechs Jahre dauerte es, bis Helen schwanger war. Die ganze Familie freute sich auf den Nachwuchs, dann kam die Katastrophe. Helen erkrankte am Kindbettfieber und starb am 19. November 1872, eine Woche, nachdem sie einen gesunden Jungen zur Welt gebracht hatte. Eine alte Chronik zitiert einen Brief von Helens Vater, in dem er seine Freude für den Enkel äußert, der so kräftig sei, dass er wohl "die arme Helen vollständig absorbiert". Aus dem kleinen Kraftmeier wurde übrigens Dr. Robert Berndes, Oberregierungsrat in Hamburg.

Dem Schiff, das Helen Slomans Namen trug, erging es auch nicht sehr gut. Bereits auf der dritten Reise von Hamburg nach New York geriet die "Helena Sloman" am 28. November 1850 bei Neufundland in einen schweren Sturm und musste nach zähem elf Tage andauernden Ringen von Kapitän Paul Nickels Paulsen aufgegeben werden. Die 180 Passagiere und 34 Mann Besatzung wurden von der englischen "Devonshire" übernommen und gerettet.

Übrigens: Passagiere der Jungfernreise waren auch ein gewisser Heinrich Engelhard Steinweg, seine Frau Juliane, seine vier Söhne Heinrich, Wilhelm, Hermann und Albert sowie die Töchter Wilhelmina und Anna. 1853 gründete Heinrich Steinweg an der Varrick Street in Manhattans West Side ein Geschäft und baute dort Pianos. 1854 änderte die Familie ihren Namen in Steinway und "Steinway & Sons" wurde weltberühmt. Aber das ist eine andere Geschichte ...