Dierk Strothmann über maßgebliche Unterschiede, frisches Bier und die richtigen Bäume

Biergarten geht irgendwie gar nicht in Hamburg. Zwar wurde schon im Frühjahr 1852 der erste in den Großen Bleichen im Beckerschen "Hotel D'Angleterre" eröffnet, aber mit dem, was man in Bayern findet, hatte das nicht viel zu tun. Und das ist bis heute so.

So war "Biergarten" in Hamburg immer schon ein anderer Name für Gartenlokal, auch wenn es hin und wieder Versuche gegeben hat, bayerische Kultur eins zu eins an die Elbe zu transportieren. Dass dies stets zum Scheitern verurteilt war, ist einfach nachzuvollziehen. Zunächst gehören in jeden ordnungsgemäßen Biergarten Kastanien. Und nicht etwa Sonnenschirme. Und der Boden muss mit Kies bedeckt sein und um Himmels willen nicht gepflastert. Das hat gute Gründe, denn als in München die ersten Biergärten entstanden, war der Kühlschrank noch weit davon entfernt, erfunden zu werden. Und das damals gängige untergärige Bier kann nur bei Temperaturen zwischen vier und acht Grad gebraut werden, also seinerzeit praktisch nur im Winter. Doch die Bayern hatten auch und gerade im Sommer Lust auf "a Helles". Damit es nicht verdarb, halfen nur Schatten und kühlender Bodenbelag. Kastanien konnten diesen Anforderungen standhalten, auch weil sie Flachwurzler sind; unterhalb ihrer Wurzeln konnten zur Kühlung des Bieres Gruben ausgehoben werden. Zum Weiteren ist es unablässig, dass jeder, der Lust hat, sich seine Brotzeit mitbringen und diese unbehelligt von Bedienungspersonal verspeisen darf. Das ist bis heute so, auch wenn es inzwischen in den meisten Biergärten Bereiche gibt, in denen die Zenzi oder die Liesl Hendl, Weißwürst, Schweinsbraten und Obatzten an den Tisch bringt.

Die Maß ist dem Norddeutschen peinlich Solche Madln kann man übrigens nicht ohne Weiteres auf dem Arbeitsamt finden. Im Idealfall müssen sie kräftig sein, mit ausladender Oberweite zum Transport möglichst vieler Krüge und schlagfertig. Wer außerhalb von Weißblau käme schon auf die Idee, einem Preußen, der ein "kleines Pils" bestellt, zuzurufen: "Kommst wiader, wennst a Durscht hast" und mit wallendem Dirndl davonzurauschen. Unverzichtbar ist im Biergarten auch die Maß. Der Einliterkrug war ursprünglich gedacht als Transportmittel, um den Hopfensaft nach Hause zu schaukeln, aber meist wurde er dann doch gleich vor Ort geleert. Nun ist eine solche Maß ein ziemliches Trumm, und deshalb ist es norddeutschen Menschen immer ein wenig peinlich, den Riesenkrug anzusetzen, weil sie fürchten, sich als unmäßige Trinker zu outen. Wobei man berücksichtigen muss, dass es natürlich ganz anderes Bier ist, das die Bayern trinken. Einen Liter Holsten oder einen Liter Paulaner auf einen Sitz zu konsumieren, sind schon zwei Paar Schuhe.

Der wichtigste Grund aber, warum Biergarten in Hamburg gar nicht geht, ist ein anderer. Man stelle sich vor: Eine fast leere Kneipe, nur ein Tisch ist besetzt. Schneit nun ein Norddeutscher hinein, so setzt er sich prompt in eine möglichst weit entfernte Ecke, der Bayer hockt sich immer dazu. Er liebt halt das Ratschen, schwadroniert gern über Gott und/oder Beckstein und macht gern den dicken Max. Norddeutschen ist ein solches Verhalten höchst unangenehm. Man ist lieber für sich und pustet allein in sein Bier. Auch das ständige Zuprosten nervt gewaltig. Aber das macht ja eigentlich gar nichts. Auch in Hamburg kann man draußen und unter Bäumen sitzen und sein Bier trinken. Zum Beispiel im Stadtpark im Landhaus Walter mit dem mit 800 Sitzplätzen größten "Biergarten" unserer schönen Stadt (im Münchner Hirschgarten sind es 8000). Wen stört es schon wirklich, dass man nicht unter Kastanien, sondern unter Linden entspannt, und dass es Brezeln und nicht Brez'n gibt?