Für den Filmpreis war sie nominiert, jetzt debütiert Schauspielerin Ina Weisse mit ihrem Film “Der Architekt“ bei den Hofer Filmtagen als Regisseurin. Bis das Projekt mit Stars wie Matthias Schweighöfer und Josef Bierbichler wirklich stand, wurde manche Straße freigeräumt und der eine oder andere Drehort wieder verworfen. Besuche am Set.

Der Weg zum Film kann steinig sein, verschneit, langwierig, voller Umwege und Änderungen. Ina Weisse kann ein Lied davon singen. Aber jetzt ist er endlich gegangen, dieser Weg, und die Schauspielerin steht vor der Premiere ihres Regiedebüts, das bei den Hofer Filmtagen (21. bis 26.10.) gezeigt wird. "Der Architekt" heißt das Familiendrama, für das sie eine erstklassige Besetzung zusammenbekommen hat: Josef Bierbichler, Matthias Schweighöfer, Sophie Rois, Sandra Hüller und Hilde van Mieghem spielen mit. Gedreht wurde in Österreich und Deutschland.

In Tirol beginnt das Unterfangen, es ist einige Monate her, bei den Dreharbeiten liegt kniehoch Schnee. Schon vor der Anreise in die Alpen heißt es, man solle sich warm anziehen. Die Anfahrt zum Drehort gestaltet sich lang, aber malerisch. Vorbei geht es an Plakaten, die für das Hahnenkammrennen werben, vorbei an halb zugefrorenen Seen - und dann ist plötzlich Schluss. Die Straße ist gesperrt. Steinschlag. Der Berg ruft nicht nur, er kommt auch. Erst nach einer Weile sind die Brocken von der Straße geräumt, und die Fahrt kann fortgesetzt werden.

Das Ziel heißt Nesselwängle, hat 485 Einwohner, ist 1147 Meter hoch gelegen und wirbt auf seiner Homepage "Hier können Sie auftanken und in langen Spaziergängen Ihren Gedanken nachhängen und die Seele baumeln lassen." Danach ist dem Filmteam allerdings weniger zumute. Gedreht wird an diesem Tag an einer kleinen Tankstelle. Regisseurin Ina Weisse sieht in ihrer Pelzmütze fast aus wie Frances McDormand in "Fargo". Sandra Hüller hat sich gerade ein zweites Paar Moonboots neben ihren Klappstuhl gestellt. Matthias Schweighöfer fährt immer wieder in einem BMW an die Zapfsäulen. Eigentlich soll er anschließend ein paar Fragen beantworten. Aber der Schauspieler, der als "Der rote Baron" in den Kinos abstürzte und momentan den Störtebeker-Film "Zwölf Meter ohne Kopf" dreht, springt wieder ans Steuer und fährt weg. Stefan Raab hat ihn an diesem Abend in seine Sendung "TV total" eingeladen. "Ciao Bello", ruft ihm eine Frau aus dem Team hinterher. Er antwortet: "Ich komme wieder." Schweighöfer spielt einen jungen Mann, der im Schatten seines Vaters steht und seine Probleme im Alkohol zu ertränken versucht. Später, am Telefon, sagt der Vielbeschäftigte, der gerade als Marcel Reich-Ranicki vor der Kamera stehen wird, "mir hat die komplexe Schwere des Drehbuchs gefallen. Und wie sich alle im eingeschneiten Dorf ihren Lebenslügen stellen mussten." Allerdings stieß der Schauspieler dabei außerhalb des Skripts an Grenzen: "Ich hatte einen Alpen-Koller und brauchte andere Horizonte", sagt er.

Ganz anders dagegen der Hauptdarsteller. Bierbichler kommt drehbuchgemäß aus der Toilette des Gebäudes, hält einen Moment inne und geht weiter. Später steht er noch mit Sophie Rois und der Regisseurin zusammen und bespricht die nächste Szene. Bierbichler darf aber an diesem Tag nur besichtigt werden, denn mit Journalisten spricht er nicht. Der urwüchsige Bayer spielt den erfolgreichen Hamburger Architekten Georg Winter, der zur Beerdigung seiner Mutter zurück in sein Heimatdorf kommt, wo er zwanzig Jahre nicht mehr gewesen ist. Er bringt Frau und Kinder mit, erzählt ihnen aber nicht, dass im Dorf seine alte Liebe wohnt, mit der er einen Sohn hat. Als das Wetter umschlägt, sitzen die Winters im Dorf fest, und die Wahrheit kommt ans Licht.

Bierbichler war der erste Schauspieler, der zusagte, erinnert sich Produzent Peter Schwartzkopff, danach sei die Besetzung der anderen Rollen einfach gewesen: "Sie haben einfach Lust mit ihm zu spielen." Der Hamburger Produzent hat mit seiner Firma Reverse Angle zunächst einige Filme von Wim Wenders produziert, sich dann aber auf die Zusammenarbeit mit jungen Filmemachern spezialisiert. So ist er auch auf Ina Weisse gestoßen. Die Schauspielerin ("Duell in der Nacht", "Schneeland") hat vor sechs Jahren ihr Regiestudium an der Hamburger Universität abgeschlossen, Hark Bohm war ihr Lehrer und hat im Film einen Kurzauftritt. Wim Wenders kannte Weisses Kurzfilme und gab seinem Partner Schwartzkopff einen Tipp: "Da ist ein Regietalent. Schau dir doch mal die Ina an!" Das machte er. Sie trafen und mochten sich.

Das klingt so einfach, ist es dann aber wieder nicht, so entsteht kein Filmprojekt. Ina Weisse schrieb einen Entwurf, für ein Drehbuch namens "Rigor Mortis", der medizinische Fachbegriff für die Todesstarre. "Die Vorbereitungszeit war für mich sehr langwierig und mühsam", sagt sie. Plötzlich kamen ihr Zweifel an der Geschichte. "Ich fand sie zwar immer noch gut, aber sie war mir zu fern, zu allgemein. Ich musste etwas über Leute erzählen, die ich besser kannte." Also schrieb sie noch einmal etwas anderes und holte sich Daphne Charizani als Koautorin dazu. Dann musste noch die Finanzierung aufgestellt werden. Als das Drehbuch dann auch noch Doris Heinze, der Leiterin der Abteilung Fernsehfilm beim NDR, gefiel, konnte es schließlich losgehen.

Fast. Denn die Handlung spielte im Harz. Aber das norddeutsche Mittelgebirge und der Bajuware Bierbichler - das war keine gute Paarung. Also suchten die Filmemacher nach einer Gegend, die besser zum Schauspieler passte. Urwüchsig, marode, aber auch charmant sollte sie sein. In Bayern fanden die Filmemacher nicht das Richtige - und kamen auf Tirol. Die dortige Filmförderung, Cine Tirol, gab 100 000 Euro zum 1,2 Millionen Euro großen Budget dazu. Geschäftsführer Johannes Köck möchte seine Region nicht nur als Urlaubsziel, sondern auch als Filmland vermarkten. Gedreht wurden dort schon Szenen für Hans Weingartners "Die fetten Jahre sind vorbei", den schwedischen Film "Wie im Himmel" sowie zahlreiche Bollywood-Produktionen. Köck, ein smarter Manager, sagt, er sei an Anrufe gewöhnt, die ungefähr so verliefen: "Wir brauchen Berge, können Sie helfen?" Jetzt hat er mit seinem Panorama geholfen und hofft, dass der Film später auch Tirol hilft.

Das ein oder andere Mal hat Tirol aber auch übertrieben, denn an einem der Drehtage fielen 70 Zentimeter Neuschnee. Ähnlich, wie es im Drehbuch stand, wurde das Tal gesperrt. Niemand konnte hinein, niemand heraus.

Trotz all solcher Änderungen und Hindernisse konnten die Dreharbeiten dort abgeschlossen werden, und der Tross zog weiter nach Hamburg, wo unter anderem in der HafenCity noch einige Einstellungen gedreht wurden. Dann war Schluss.

Bierbichler hatte während der Dreharbeiten seinen 60. Geburtstag gefeiert, Schwartzkopff für "Prinzessinnenbad" den Deutschen Filmpreis gewonnen. Der Film erhielt einen anderen Titel und heißt jetzt "Der Architekt".

Und die Regisseurin? Ina Weisse, geboren 1968, war nach Ende der Dreharbeiten und dem Wechselbad der Gefühle erschöpft und machte ein paar Tage Pause. Zeit zum Nachdenken. Sie war für ihre Rolle in "Duell in der Nacht", bei dem ihr Partner Matti Geschonneck Regie führte, für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Sie hat überlegt, seit wann sie eigentlich weiß, dass sie Filmemacherin werden will. Dabei ist ihr wieder eingefallen, dass sie schon als Kind "Drehbücher" geschrieben hat. Ihr Vater stand an der Super-8-Kamera, sie hat gespielt. Das machen jetzt andere für sie. "Die Drehzeit war anstrengend", erinnert sie sich. "Manchmal habe ich gewünscht, dass sich der Boden unter mir aufgetan hätte. Aber es gab auch immer wieder Glücksgefühle, wenn eine Szene gelang."

Jetzt, fast vier Jahre nach der ersten Idee, ist der Film endlich fertig. "Das Schreiben hat zwar auch Spaß gemacht, es war nur ein langwieriger Prozess. Was ich dabei wirklich gelernt habe, ist durchhalten, nicht aufzugeben." Denkt sie, dass die Zeit der Änderungen nun vorbei ist? Sie verneint. "Es ändert sich pausenlos etwas. An den Zustand des Gleichbleibens glaube ich schon lange nicht mehr. Das ist gut. Man darf sich dem nur nicht verweigern."

"Der Architekt" soll 2009 in die Kinos kommen.