Liebe, Hingabe, Vertrauen - ein Kuss ist ein wahres Lippenbekenntnis. Kurz vor dem Fest der Liebe ist es Zeit, sich Gedanken über die schönste Nebensache der Welt zu machen: das Küssen.

Wie man einen Song komponiert? Keine Ahnung! Schließlich weiß man ja auch beim Küssen nicht, was die Zunge macht." Was Carla Bruni kürzlich in einem Interview sagte, klingt einleuchtend. Und die halb Französin, halb Italienerin versteht was vom Mund-Werk, ist erfolgreich als Model und Sängerin, berühmt-berüchtigt wegen ihrer prominenten Affären mit Mick Jagger, Kevin Costner und Eric Clapton. Kurz: Sie dürfte die durchschnittlich 100 000 Küsse, die ein normaler Mensch während seines gesamten Lebens genießt, schon jetzt mit ihren fast 40 Jahren locker erreicht haben. Trotzdem schreibt und singt sie weiterhin wunderbare Liebeslieder. Ihre Botschaft lautet: Verstehen muss man die Liebe nicht, ebenso wenig das Küssen. Warum also viele Worte verlieren über das schönste Kommunikationsmittel der Welt, das ohne ein einziges Wort auskommt, was also schreiben über das Küssen? Dass es eine wahre Kuss-Typologie gibt, vom zarten Luft-Kuss bis zu dem zur Schau getragenen Skandal-Kuss (zum Beispiel zwischen Madonna und Britney Spears). Vom echten innigen Mama-Kind-Kuss bis zum legendären Filmkuss wie in "Vom Winde verweht" (der vielleicht scheinheiligste Kusstyp, weil er nie so schön ist, wie er aussieht). Immer häufiger zu sehen ist der Erfolgskuss, der von Selbstliebe zeugt (zum Beispiel, wenn Fußballspieler einen Pokal herzen oder Schauspieler in Los Angeles ihren Stern auf dem Walk of Fame küssen). Vom Aussterben bedroht ist dagegen der distinguierte Handkuss, mit dem Jacques Chirac Angela Merkel beglückte. Sehr vornehm, dafür nicht besonders leidenschaftlich. Über all diese Formen und die dazugehörigen Techniken informieren jede Menge Ratgeber (zum Beispiel "Die Kunst des Küssens" von William Cane). Das Liebkosen und Züngeln ist damit ins Hobbythek-Regal gerutscht, direkt neben Bachblütentherapie, Welpenpflege und Orchideenzüchten. Natürlich gibt es auch einen Weltrekord im Küssen: Die Tschechen Miroslava und Michal gewannen am diesjährigen Valentinstag den "longest kiss contest" und haben damit für alle Verliebten-Feiertage der Zukunft ausgesorgt. Ihr Rekordkuss dauerte sagenhafte 42 Stunden und 30 Minuten! Bleibt noch zu erwähnen, dass Küssen gesund ist: Während sämtliche 34 Gesichtsmuskeln sich in Bewegung setzen, allen voran der Musculus orbicularis oris, der den Mund in die charakteristische O-Form, also in Kussstellung bringt, erhöht sich unser Blutdruck auf bis zu 180 Schläge pro Minute, die Körpertemperatur steigt um ein halbes Grad - was zur besseren Durchblutung der Haut führt. Küssen ist also ein effektives Antifaltenmittel. Wer morgens schon knutscht, das ergab eine US-Studie, verlebt seinen Tag erfolgreicher, wacher, unfallfreier. Auch für die körperliche Abwehr scheint es förderlich zu sein: So wollen amerikanische Ärzte herausgefunden haben, dass Vielküsser seltener zum Arzt gehen als Kussmuffel und im Schnitt fünf Jahre länger leben. Durch den erhöhten Speichelfluss sinkt der Säurespiegel im Mund, und die Entstehung von Zahnstein wird verringert. Außerdem verteilen sich Mineralien optimal im Mund und stärken den Zahnschmelz. Ein dreiminütiger Kuss verbrennt etwa zwölf Kalorien; um die üppige Weihnachtsgans zu verbrennen, ist also in diesem Jahr, sollen die Joggingschuhe im Schrank bleiben, Dauerknutschen angesagt (siehe Weltrekord!). Natürlich tauschen sich durch das Züngeln auch hervorragend Bakterien und Keime beider Münder aus. Nicht umsonst wird das Pfeiffersche Drüsenfieber auch "love disease" genannt ... Aber kehren wir zurück zur Romantik, sprechen wir von dem einen Kuss, der bedeutende Künstler von Auguste Rodin über Gustav Klimt bis zu Alfred Eisenstaedt zu Großem inspiriert hat. Der das deutlichste Signal für Liebe ist. Der tatsächlich mehr als tausend Worte sagt. Und niemals lügt. Der uns Selbstvertrauen schenkt und als den großartigsten Menschen fühlen lässt: der eine Kuss, der die Welt um einen herum verzaubert und alles andere unbedeutend macht (denken wir an "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" mit Hugh Grant und Andie MacDowell: "Ich weiß nicht - regnet es?") und sogar höhere Mächte ins Spiel bringt ("Es war wie Magie", Meg Ryan und Tom Hanks in "Schlaflos in Seattle"). Und den die Autorin Ingelore Ebberfeld ("Küss mich. Eine unterhaltsame Geschichte der wollüstigen Küsse") schon als sexuellen Akt und "sinnliches Gesamtkunstwerk" bezeichnet, weil wir bei einem innigen Zungenkuss riechen, schmecken, tasten und sehen. Letzteres ist ein heikles Thema, teilt es doch Frauen und Männer in zwei Lager: Während die Mehrheit der weiblichen Küsser die Augen beim Küssen schließt, tut dies nur gut die Hälfte der Männer (vermutlich, um zu kontrollieren, ob die Partnerin auch wirklich vor lauter Hingabe die Augen schließt). Dieses Kribbeln im Bauch (oft besungen, zum Beispiel von Juliane Werding), das Wechselbad aus heiß und kalt, wenn sich zwei Lippenpaare berühren und miteinander verschmelzen, ist schon ein Wahnsinnsgefühl. Wie im Liebesrausch. Und damit liegt man gar nicht so falsch. Denn anstatt Schmetterlinge sind Körperstoffe dafür verantwortlich, dass wir uns wie auf einem super Trip fühlen. Und es ist auch nicht nur das Herz, das aus unseren Küssen spricht, sondern das Gehirn. Während des Küssens leiten Rezeptoren die Berührung der Lippen an das Gehirn weiter; Hunderte Botenstoffe machen sich auf den Weg vom Thalamus über den Cortex bis zum Limbischen System. Die Nebennierenrinde setzt verstärkt Adrenalin frei, Glückshormone wie Serotonin und das Verliebtheitshormon Phenylethylamin werden ausgeschüttet und sorgen dafür, dass wir in einen positiven Stresszustand versetzt werden. "Zwischen uns stimmt die Chemie" ist also keineswegs unromantisch. Es ist die schönste Liebeserklärung der Welt!