Was hat Frank Sinatra mit Chopin zu tun? HipHop mit Mozart? Der 53-jährige Kabarettist verrät im Journal, warum Musik die universelle Weltsprache ist und wie musikalisch der Papst ist.

Mit zwei Nordic-Walking-Stöcken bewaffnet stürmt Hans Liberg auf die Bühne. Natürlich wie immer im schwarzen Frack und mit weißen Gamaschen. Der Mann liebt es zu verwirren. Besonders, wenn es um Musik geht. Deshalb erklingt zu seinem Walk-in auch Beethovens Neunte. Was wohl zu seinem durchaus festlichen Outfit passt, aber irgendwie gar nicht zu den neumodischen Sportgeräten. Bis sich die vertonte "Ode an die Freude" plötzlich auf wundersame Weise in ein chinesisches Volkslied verwandelt. Und schon befindet sich das Publikum mitten in einem rasanten Crashkurs in Sachen Tonschöpfung.

Viele sehen in dem 53-jährigen Niederländer den legitimen Erben des legendären Musikkabarettisten Victor Borge. Wie Liberg genoss auch der Däne (gestorben 2000 in den USA) eine klassische Ausbildung als Pianist. Um alsbald festzustellen, dass ihn die Ernsthaftigkeit des konservativen Konzertbetriebs nicht vollends zu befriedigen vermochte. Deshalb würzte er sein Klavierspiel mit humoristischen Einlagen und Parodien, was ihm seine beständig wachsende Fangemeinde mit wahren Begeisterungsstürmen dankte.

Diesem Konzept folgt auch Liberg mit Liebe und Leidenschaft. Und so mixt der Vater von drei Kindern wild und anarchisch, was angeblich gar nicht zusammengehört. Weshalb Chopin eine musikalische Liaison mit Frank Sinatra eingeht und Joseph Haydn als Imagesound-Schöpfer für einen namhaften Telekommunikationsmulti entlarvt wird. Völlig verrückt wird es, wenn der virtuos improvisierende Komiker, der 1997 den Emmy-Award erhielt, den Beweis antritt, dass der nervige Kroko-Hit Schni-Schna-Schnappi in Wahrheit einer Mozartschen Verirrung entsprang.

Dur? Moll? Liberg ist das egal. Der Vollblutmusiker seziert Musik gegen alle Regeln der Kunst. Und zeigt so, warum die universelle Weltsprache eben überall verstanden wird. Besonders natürlich in der Heimat der großen Komponisten von Bach bis Telemann.

Journal: Während Ihrer Tournee "Die Neunte" haben Sie allein 40 Auftritte in Deutschland. Mögen Sie Deutschland?

Hans Liberg: Natürlich, schließlich habe ich ein Haus am Timmendorfer Strand. Da sind meine Vorfahren - Großvater Bengt Magnus Liberg war Schwede - immer vorbeigesegelt. Und die Familie meiner Großmutter Emily Friederike Schwabe stammt aus Holzminden bei Hannover.

Dann hätte sich für Sie vielleicht auch eine Karriere als Seemann gelohnt?

Liberg: Um Gottes willen, nein. Ich liebe zwar Segelboote, kann aber nicht segeln. Das große, weite Meer macht mir Angst.

Die offene Antipathie zwischen Niederländern und Deutschen - gibt es die nur in Fußballstadien oder auch im Konzertsaal?

Liberg: Diese Rivalität habe ich noch nie gespürt, da ist auch viel Klischee dabei. 30 Prozent meiner internationalen Auftritte habe ich in Deutschland. Musik ist für die Deutschen die zweite Sprache. Da sind sie wesentlich kundiger als Niederländer. Die kennen sich eher bei Malern aus.

Wie stehen Sie zu Ihrem Landsmann Andre Rieu?

Liberg: Es gibt keine Rivalität. Ich mache Satire mit Musik. Rieu hat einen ganz anderen Beruf. Er entfaltet ständig Walzer-Atmosphäre. Wem's gefällt...

Persiflieren Sie ihn deshalb so gern?

Liberg: Ich mache doch nur gute Witze. Dagegen kann er gar nichts haben. Sein ganzes Orchester war jedenfalls schon bei mir und hat sich totgelacht.

Aus Ihrer Heimat stammen auch Endemol-Segnungen wie "Deutschland sucht den Superstar". Braucht die Welt solcherart Castingshows?

Liberg: Ja, anscheinend. Mit seinem Satz "In Zukunft wird jeder für 15 Minuten berühmt sein" hat Andy Warhol prophetische Begabung bewiesen. Das nimmt immer verrücktere Formen an. Mit meinen Kindern muss ich mir das auch anschauen. Aber das ist Popkultur. Seit Warhol ist man praktisch verpflichtet, sich so was anzusehen. Da werden Stars geboren, von denen man drei Jahre später nichts mehr hört.

Gibt es Musik, die Sie kalt lässt?

Liberg: Ich bin kein Fan von HipHop. Das ist für mich Macho-Popkultur, die nur mit Sex und Macht zu tun hat. Das finde ich nicht ehrlich. Ich benutze allerdings Hip-Hop-Bewegungen, wenn ich Mozart spiele.

Wer ist für Sie der größte Musiker aller Zeiten?

Liberg: Beethoven hat die totale Kontrolle. Beethoven spielt einfach überall hinein.

Sie haben mal gesagt, Musik an sich sei nicht witzig. Doch Sie haben Spaß daran, Musik zu sezieren.

Liberg: Musik macht schlauer, intelligenter, fördert die Integration, verbrüdert. Musik kann tröstend, rührend, erotisch sein, aber nicht per se witzig. Erst wenn man den Kontext ändert, entsteht der Humor. In meinem Programm "Tatatata" startet Beethoven seine Karriere bei "DSDS". Da sitzt Dieter Bohlen in der ersten Reihe, und Beethoven muss ihm was vorsingen. Wussten Sie eigentlich, dass der aktuelle Papst nicht nur sehr deutsch, sondern auch überaus musikalisch ist? Er hat in seinem Häuschen in Rom einen Flügel stehen, er kommt aus einer musikalischen Familie und ist ein Mozartkenner. Für mich ein gefundenes Fressen.

Was legen Sie in Mußestunden für sich selbst auf?

Liberg: Ich kann gut ohne Musik sein. Ich lebe im Wald und höre dann am liebsten den Vögeln zu. Das ist ja auch irgendwie Musik. Ich bin stets auf der Suche, auch wenn ich Musik höre. Für mich ist das wie ein Buch lesen. Ich will wissen, welche tollen Geschichten und Ideen hinter den Melodien stecken.

Sie beherrschen rund 30 Instrumente. Welches ist Ihnen am liebsten?

Liberg: Ganz klar: das Klavier. Von dem kann man sich auch mal entfernen, das hängt nicht ständig um einen rum. Saiteninstrumente mit Bogen liegen mir nicht. Es fällt mir schwer, einer Violine glaubwürdige Töne zu entlocken.

Hätten Sie bei Ihrer soliden Ausbildung nicht auch Konzertpianist werden können?

Liberg: Sie machen Witze! Es gibt eine Million Konzertpianisten allein in China. Lang Lang ist doch nur der bekannteste. Außerdem konnte ich mich nur schwer entscheiden zwischen all den Instrumenten. Früher habe ich jede Nacht in einem Jazzklub gespielt, das hat Spaß gemacht.

Mit wem würden Sie gern mal im Duett auftreten?

Liberg: Mit Andre Rieu. Der ist eigentlich ganz locker. Und mit Janine Jansen. Die ist Holländerin, sieht gut aus und spielt auch noch fabelhaft Geige.

Was ist Ihre Definition von Musik?

Liberg: Musik ist eine Sprache, man kann in Musik denken. Ich glaube nicht an U und E. Das ist doch eine Erfindung der Deutschen. Wo hört E auf und fängt U an? Es gibt viele Mischformen.

Sind unmusikalische Menschen arme Menschen?

Liberg: Es gibt keine unmusikalischen Menschen. Wenn es an der Wohnungstür klingelt, reagiert jeder und macht auf. Das ist doch sehr beruhigend.

Man hat Sie Musik-Kabarettist, Klavierkomiker, Entertainer genannt - wie sehen Sie sich selbst?

Liberg: Als komischen Musikguru vielleicht. Ich würde eine "ideale Musikstunde" abhalten, habe ich mal gelesen. Das hat mir gefallen. Ich will den Leuten sagen, dass alles gar nicht so schlimm ist, wie es oft erscheint.

Hans Liberg: "Die Neunte": St.-Pauli-Theater, 31. August-5. September (jeweils 20 Uhr). Karten 16,75-40,90 Euro im Abendblatt-Center, Caffamacherreihe 1. Abendblatt-Ticket-Hotline: 040/3037320.