Der Sänger mit dem Blues im Blut. Er nimmt nicht nur seine schottische Abstammung aufs Korn. Die vierte Ehe ist sein dauerhaftes Glück.

Er kann vom Swingen nicht lassen. Und auch nicht vom Witzeerzählen. Das eine hat Bill Ramsey, 79, der legendäre Blues- und Jazzsänger, im Blut. Der weiße Sänger aus einer erzkonservativen Familie in Cincinnati, von dem die berühmte farbige Jazzsängerin Ella Fitzgerald einst sagte, er singe wie ein Schwarzer. Bei dem anderen sorgen Freunde in aller Welt unermüdlich für Nachschub.

Mit seiner unvergleichlichen Mischung aus Swingrhythmen und Humor hat er Ende der 50er- und Anfang der 60er-Jahre die gerade erst wieder von den nationalsozialistischen Fesseln befreite deutsche Dixieland-Revival-Szene aufgemischt; hat im groß karierten Jackett, augenzwinkernd, mit amerikanischem Akzent und knarziger rauer Stimme mit "Pigalle, Pigalle", "Das ist die Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe" und dem "Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer", begleitet von großen Orchestern wie der Bigband von Kurt Edelhagen, einen Abstecher in die Schlagerwelt gewagt und ist später zur Jazzmusik zurückgekehrt. Erfolgreich bis in die 2000er-Jahre mit Tourneen und Alben.

Dazwischen liegen Jahrzehnte. Die gehören aufgearbeitet. Und das tun wir lachend bei ihm zu Hause an der Elbchaussee. Schon auf der Türschwelle macht sich Heiterkeit breit. "Oh no, not you again", steht auf der Fußmatte. "Kümmern Sie sich nicht drum und nennen Sie mich einfach Bill", sagt die überaus agile Swing-Legende. Bill Ramsey strahlt gemütliche Gelassenheit aus. Kichert darüber, dass man ihn mit diesem schlohweißen Bart für Santa Claus halten könne. Die achtjährige Foxterrierhündin Ango wuselt um unsere Füße. Die Wände sind vom Boden bis zur Decke mit Bildern zugepflastert und bis in die Gästetoilette mit skurrilen Sprüchen und Witzen.

Seine sympathische und genauso heitere Ehefrau Petra bringt Kaffee und gleich darauf auch noch ihr Cape in den prägnanten rot-schwarzen Clanfarben der schottischen Familie, von der Bill Ramsey abstammt. Der Beweis dafür, dass sein Markenzeichen der 50er- und 60er-Jahre kein Abklatsch des groß kariert auftretenden, großartigen deutschen Entertainers Peter Frankenfeld war, sondern ein als Gag missbrauchter Teil der ihm lästigen Familiengeschichte samt all ihren Traditionen und großen Namen: der letzte Vizekönig von Indien, ein Erzbischof, der erste Richter am Obersten Gerichtshof der USA, ein Mitbegründer der Yale-Universität.

Vor diesem ganzen exklusiven gesellschaftlichen Quatsch sei er damals geflüchtet, sagt Bill Ramsey. Und kennen Sie den? Den Witz vom Amerikaner, dem Briten und einem Hamburger, die sich auf genealogischer Spurensuche übertrumpfen wollen? Also der Amerikaner, dessen Vorfahren bis zur "Mayflower" (1620) zurückgehen; der Brite, der seine bis zu Wilhelm dem Eroberer (1066) zurückverfolgen kann, und dann der Hamburger, der sagt: "Die Eva von Adam, das war eine geborene Petersen." Bill Ramsey kichert.

Bill Ramsey wollte seinen eigenen Weg gehen. "Ja", sagt Ehefrau Petra von hinten, "aus Trotz wie immer." Er wollte weit weg von der Enge einer Welt, in der Rassentrennung noch eines der obersten Gebote war. Wo der schwarze Chauffeur der Familie den fünfjährigen Bill zum Angeln in den Klub bringen sollte, aber nicht mitangeln durfte. Bis heute noch sind ihm alle Ismen zuwider. Rassismus, Fundamentalismus, Nationalismus, übersteigerter Patriotismus. Heimat sei für ihn nicht da, wo man aufgewachsen ist, sondern da, wo man sich zu Hause fühle und glücklich sei. Das sei für ihn Hamburg, wo er schon seit mehr als 20 Jahren lebt. Diese Ottenser Ecke, in der sie vor drei Jahren nur von einer Seite, der Eggersallee, nach gegenüber an die Elbchaussee gezogen sind.

Wir hangeln uns zurück zu seinen Frankfurter Jahren. Da waren seine Tourneen mit Entertainer Eddie Fisher, einem der Ex-Männer von Liz Taylor, und Raymond Burr (bekannt in der Rolle des Anwalts Perry Mason in einer der ersten großen US-Serien im deutschen Fernsehen), seine Arbeit beim US-Soldatensender AFN, die freiheitsdurstige Aufbruchsstimmung in Deutschland, der Frankfurter Jazzkeller, seine große Freude daran und seine Abkehr von der Freejazz-Bewegung, die ihm allzu egoistisch erschien. Nur Orientierung an den anderen Musikern auf der Bühne!

Und dann sind wir plötzlich bei seinen vier Ehen. Und bei diesem Witz von dem über 100-jährigen Ehepaar, das sich endlich scheiden lassen will. Warum jetzt erst, fragt der Anwalt. Wir wollten warten, bis die Kinder tot sind, ist die Antwort. Oh, wie makaber!

Also Ramseys drei Ehen gingen schnell zu Ende. Mal mehr, mal weniger gruselig. Die vierte sei ein dauerhaftes Glück. Vielleicht ist er weiser geworden. Nee, sagt er, sie seien einfach zu alt, um sich noch ändern zu wollen. Könnten sich mit- und aneinander freuen: auf der Couch sitzen, Kamin anmachen, Fußball gucken und reden. Sollte das das Geheimnis einer glücklichen Ehe sein - beim Fußball auch die Frau reden lassen? "Oh no, Misses Geitschen, warme Socken sind es." Und dann - sechs Witze weiter - bringen mich beide, sehr vertraut miteinander lachend, zur Tür.