Dieter Pfaff gibt sich so verletzlich wie die Figuren, die er spielt. Heike Gätjen über einen TV-Star zwischen Witz und Melancholie.

Hamburg. Das ist schon alles sehr massiv. Hier in der Bibliothek des Hotels The George in St. Georg. Die Ledercouch. Der Zigarrenrauch, der in der Luft hängt. Und natürlich auch er, Dieter Pfaff, einem Millionenpublikum vertraut. Als abtrünniger Pfarrer in "Bruder Esel" (RTL) als Kommissar der leisen Töne in "Sperling" (ZDF), als manchmal ratloser Psychologe in "Bloch" und als Anwalt für kleine Leute in "Der Dicke" (ARD). Und in vielen anderen Geschichten. Ungewöhnliche alle, sagt er ein bisschen stolz, die man sonst gar nicht mehr im Fernsehen zu sehen bekomme. Wie diese eine: "Bloch - Tod eines Freundes". In der Bloch einem in Afghanistan schwer traumatisierten Soldaten helfen will und dabei selbst am Rand seiner eigenen arg lädierten Seele entlangschrammt.

Ja, sagt Dieter Pfaff, das sei ja das Tolle. Diese Figuren hätten alle keine glatten Seelen. Und er? Blöde Frage, murmelt er. Wer hätte das schon gern! Und erzählt von dieser einen Szene im Film, die ihn immer wieder zu Tränen rühre. Als das Mädchen das Fontane-Gedicht "Das Trauerspiel von Afghanistan" vorträgt. Diese Stelle: " ... vernichtet ist das ganze Heer, mit dreizehntausend der Zug begann, einer kam heim aus Afghanistan." 1859 geschrieben, sagt er. Und so erschreckend aktuell. Und so absurd.

In der Folge greift Bloch auch zur Gitarre, singt sanft, zärtlich und anrührend "The Ring of Fire". Diesen Johnny-Cash-Song von der Liebe, diesem brennenden Gefühl. So was mache er gern, sagt Dieter Pfaff. Er sei ein leidenschaftlicher Sänger. In allen Lebenslagen. Und am liebsten am Set. Das entkrampfe total.

Mit dem Singen begann alles. Mit Schlagern der 50er-Jahre. Damals als seine Großmutter ihn, "diesen zarten weißblonden Jungen mit der tiefen Stimme, der Schlagertexte auswendig kannte" überall hin mitnahm. Ihn beim Friseur, beim Krämer auf den Tresen stellte und singen ließ. Diese Scham zu überwinden, sagt er. Sich zu präsentieren. Diese Angst. Diese große Erleichterung, wenn der Applaus kam. Das könne er heute noch spüren. Wir bleiben in seiner Kindheit. Ein sehr strenger Vater. Mit 15 in den Krieg gezogen. Mit 18 schon Vater. Bedrückende angespannte Situationen am Küchentisch. Da hätte er dann mit einer witzigen Bemerkung, die Mutter und Bruder das Herz stocken ließ, den Vater zum Lachen gebracht. Eine Fähigkeit zu haben, Menschen zu berühren, wie auch immer - das, sagt er, gehöre zu den vielen Geschenken, die er im oder vom Leben bekommen habe. Auch Demut. Und die Liebe. Eine langjährige Beziehung sei vor allem ein Geschenk.

Ein Gespräch mit Dieter Pfaff ist kein heiteres Geplänkel. Kein Smalltalk. Er lässt sich nicht auf Halbheiten ein. Hasst allzu Belangloses. Sagt schon mal lachend, natürlich habe er auch Laster: "ich fresse zu viel." Und dass er Witze liebe. Und kehrt sofort wieder zurück. Zum Grübeln, zum Seelestöbern. Das sei eine ernste Sache. Über sein Leben reden. Oder liegt es an diesem düsteren Novembertag? Nein, sagt er. Aber das stimme. Diese Düsternis bis Ende Januar würde ihn auch schon mal verzweifeln lassen. Dann müsse er raus, brauche Sonne "auf die Fontanelle." Sein Tee wird gebracht. Die Tür fällt wieder zu. Dieter Pfaff zündet sich eine Zigarette an.

Wo also waren wir stehen geblieben? fragt er. Irgendwo bei ihm. Gut, sagt er. Als junger Mann will er einfach nur ausbrechen. Aus dem Regelkreis der Familie. Will Seemann werden, Musiker, Schauspieler. Das eine ist schnell vergessen, das andere traut er sich nicht. Da waren so viele, die das besser konnten. Das Dritte braucht einen langen Umweg. Als Regisseur in den 70er-Jahren ist es immer noch da. Dieses Gefühl, dass andere es besser können. Einen Tschechow inszenieren. Und dann steht er wieder mal selbst auf der Bühne. Spielt eine Rolle und weiß plötzlich, nein spürt es: Das ist es. Davon werde er nie wieder lassen können. Ohne das werde er sterben müssen. Und erschrickt über diesen Gedanken. Aber seine Frau habe ihn verstanden.

Ein großer Sprung. Die Jahre in Graz als Dozent an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Die sichere Basis für eine Familie. Die Angst, dass er so enden könne. Als verbeamteter Professor. Er, der so randvoll mit Ideen ist. Ein Fass nah dran am Überlaufen.

Und dann entstehen sie langsam. Mithilfe von Drehbuchautoren, Regisseuren, Redakteuren. All diese wunderbaren Charaktere und Geschichten. Figuren, sagt er, die all das in sich tragen, was auch ihn ausmache. Diese Sehnsüchte, diese Albträume, diese Melancholie.

Dieter Pfaff erzählt von quälenden Jahren. Die magische Zahl 58. Das Alter, in dem sein Vater und Großvater gestorben sind. Seine Angst davor. Und dann sein 60. Geburtstag. Ein grandioses Fest. Ein großes Glück. Und das Ende seiner Sorgen um sich.

Ja, sagt er, so sei es, wenn die Nervenenden oben auf der Haut liegen. Das mache total verletzlich. Privat und beruflich. Den Schalter könne er nicht einfach umlegen, wolle es auch nicht. "Einmal", sagt er, "aber nein, lieber nicht" ... das gehöre nicht hierher. Aber das habe so verdammt wehgetan. Und da habe er begriffen: abtauchen, sich einnieten bringe nichts. Sei der falsche Weg. Eine Stärke daraus zu entwickeln, das könne er jetzt. Das sei so was wie Altersweisheit. Mit der naiven Neugierde eines Kindes, die er sich erhalten wolle.

Sein Handy klingelt, Er geht kurz ran. Sagt, dass er jetzt nicht könne. Sein bester Freund sei das gerade gewesen. Der mit dem Spruch, dass es auch in einer Ehe stürmische Zeiten gebe, in denen man lernen müsse, sich mal zu ducken. Weil es eh vorüberginge. Amüsiert sich. Lacht.

Ein heiteres Ende für diesen Psychotalk. Ja, sagt er, die Zeit sei schnell vergangen. Und nett war es auch. Genau wie er, der Dieter Pfaff. Nett!, sagt er. Nein! Nicht dieses furchtbare Wort. Dieses unpositive. Das klinge so oberflächlich. Was also hätte er lieber? Keine Ahnung, sagt er, das, was Ihnen so einfällt. Tja!?