Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute war sie mit der Soulsängerin Oceana im Hirschpark verabredet.

Diese Frau hat Power. In der Stimme sowieso. Aber auch in jeder Pore. Jeder Bewegung. Und in ihrem Lachen. Rauchig klingt es, kehlig, mit sanftem Schnurren auch, einem guten Schuss Subkultur, und es könnte selbst die Säulen des ehrwürdigen Godeffroy Hauses hier im Hirschpark zum Beben bringen. Sie selber nennt es Feuer im Hintern haben. Oceana mit dem weichen S. Die Sängerin, die gerade mit ihrem Debütalbum "Love Supply" groß rausgekommen ist. Einer Mischung aus Soul, Reggae, Pop und auch Jazz. Eine Melange so wie sie selbst, sagt Oceana.

Im Magazin "Stern" wurde sie als Sound des Sommers begrüßt, bei "Metropolis" auf Arte als verheißungsvolle Neuentdeckung gefeiert und bei uns im Journal als die Frau mit der phänomenalen Stimme. Das macht sie glücklich. Denn Oceana hat den großen Schritt gewagt. Endlich. Ist im Alleingang durchgestartet. Nach Jahren als Backgroundsängerin und auf Tour mit Gruppen wie Seeed, Boundzound und Fettes Brot. Der "Dinosaurier der Soul Musik", so Oceana, der amerikanische Funk-Soul- und Jazz- Saxofonist Maceo Parker, ein Freund ihrer Familie, gab letztlich den Ausschlag. Do your own thing, hat er zu ihr gesagt. Du bist jetzt so weit. Mach dein eigenes Ding. Leg einfach los, just do it.

Das alles erzählt sie mit Händen und Füßen und heftig klingenden Riesenohrringen unter den Bäumen vorm "Witthüs".

Und dann sind wir plötzlich mittendrin. Im Thema Liebe. Reingestolpert, nicht wegen des Titels ihres Albums, sondern, ja, warum eigentlich? Weil sie doch gerade ein Single sei, sagt Oceana. Drum. Und weil Sie wissen wollten warum. Ganz einfach: Beides laufe nicht zusammen. Karriere und Liebe. Ihr erstes Album, auf PR-Tour sein, Konzerte von Münster bis Moskau, von Paris bis Kiew, das erfülle gerade ihr Leben. Sei so irre. Und da sei nicht mehr viel Platz übrig für etwas anderes. Aber, sagt sie und lacht so heftig, dass die Kaffeetassen klirren, ein bisschen verliebt sei sie immer. Das müsse man einfach sein. Das versüße das Leben! Schwärmen auch. Selbst für den Ehemann. Sie habe das bei ihren Großeltern gesehen, die über fünfzig Jahre miteinander verheiratet gewesen seien. Eine wirklich enge Verbindung. Und auf das hoffe sie auch. Einen Soulmate zu finden, einen Seelenverwandten. Aber das habe Zeit. Sie könne warten.

Wie wäre es denn jetzt mal damit, ihr buntes Leben aufzurollen? Gleich, sagt sie, nur kurz das noch. Sie sei eine unabhängige junge Frau, und wie! Aber trotzdem. Männer seien einfach das schönste Geschenk Gottes. Eine Welt ohne Männer - einfach furchtbar! Außerdem, sagt sie, du musst die Stärke in dir selber finden, nicht in einem Mann. Aus dir selbst heraus muss es kommen. So wie bei ihrer Musik. Die Fröhlichkeit ausstrahlen soll, die Leute aus dem Alltag rausholen könne. Musik mit einem guten hype, good vibrations eben. Puh!

Nun aber. Von Anfang an? Ja. Schwierig, schwierig, sagt sie, da sei doch gar nichts drin in ihrem Leben. Sie sei ja nicht mal in Paris geboren, wie überall stünde. Gezeugt ja, aber geboren in Wedel bei Hamburg. Einem süßen kleinen Dorf, sagt sie. Gerade richtig für eine glückliche Kindheit wie ihre. Und, sagt sie schnell, genauso eng wie in jedem kleinen Dorf zwischen Frankreich und den USA. In ihrem kleinen Dorf ist sie immer ein bisschen was Besonderes. Die freche Göre mit der wilden Mähne, langen Dreadlocks wie Bob Marley und bernsteinfarbenen Augen. Das sagt zumindest ihre Mutter. Und dann diese große Traurigkeit als ihre Lehrerin in der ersten Grundschulklasse sagt, ihre Augen seien einfach nur braun. Vielleicht fühle sie sich in Städten wie London, New York oder Paris so wohl, weil man dort nicht so als Exot wahrgenommen wird. Sondern ganz normal abtauchen kann.

Oceanas Mutter, eine Modedesignerin, arbeitet für Jean Patou, Lacroix und Chanel in Paris. Ist hingerissen von den afrikanischen Rhythmen der Pariser Reggae-Szene. Verliebt sich in einen Musiker, Gitarristen, und DJ aus der französischen Karibik-Kolonie Martinique. Oceanas Vater, der heute zwischen Boston, wo seine Frau und Kinder leben, und seinem Restaurant auf St. Martin pendelt. Das hört sich doch alles ganz schön bunt an? Irgendwie ja, sagt sie, und neulich habe er sie sogar in der Karibik auf einem französischen TV-Sender gesehen, gleich angerufen und sei wahnsinnig stolz auf sie. Wo waren wir überhaupt noch?, sagt sie lachend. In Paris. Nein, sagt sie, jetzt kommt Wedel. Als Oceana vier Jahre alt ist, zieht ihre Mutter mit ihr nach Hamburg zurück. In das herrlich offene und gastfreundliche Haus von Oceanas heiß geliebten Großeltern, dem Malerehepaar Max Hermann Mahlmann und Gudrun Piper. Es wird auch ein Leben aus dem Koffer. Sie begleitet ihre Mutter immer wieder nach Paris, die Großeltern zu Ausstellungen quer durch Deutschland. Eine kreative Atmosphäre, sagt sie, anregend, bunt, mit einem großen Sinn für persönliche Freiheit und Eigenständigkeit. Die Mutter, die Großeltern unterstützen sie von Anfang an. Vor allem der vor neun Jahren verstorbene Großvater, ihr bester Freund mit dem Faible für die großen alten Jazzer Louis Armstrong und Duke Ellington. Von dem sie sicher ist, dass er sie immer noch ganz genau im Blick hat. All das geht mit ein in ihre Songs auf dem Album. Daran gebastelt hat sie schon lange. Hat all ihre Gedanken, Träume, Sehnsüchte, Alltagserlebnisse schon früh ins Diktiergerät gesprochen. Überall beim Herumziehen. Und jetzt wieder ausgegraben.

Früher, sagt sie, da sei sie ein wildes Kind gewesen. Lieb aber frech. Mit dem umbändigen Willen, zu tanzen und zu singen. Und notfalls dafür auch mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Kinder mit nem Willen kriegen was auf die Brillen, habe ihr Großvater immer zu ihr gesagt. Mit fünf Jahren bekommt sie Ballettunterricht, "ich hätte die sonst zu Hause alle zum Wahnsinn getrieben mit meiner Energie. Ich war einfach hyperaktiv."

Wir bleiben noch ein bisschen bei ihrer Rastlosigkeit hängen. Sie stehe einfach immer unter Strom, sagt sie. Habe viel zu viel Temperament, unglaubliche Energie und deshalb sei es dann auch so schnell gegangen mit dem Album. Im letzten Jahr. Sie will gerade nach London ziehen, hat ihre damalige Berliner Wohnung schon vermietet, will sich in der Londoner Szene mal umgucken. Ihr Manager Alex von Oswald überredet sie, wenigstens vorher noch einmal mit den Jungs ins Studio zu gehen, was auszuprobieren. So entsteht der Song "Pussycat On The Leash". Kommt gut an. Wird weitergereicht. Und dann der Vertrag mit edel records. Einem Label, das sich auf junge Künstler und Käufer spezialisiert hat. In einem Studio in New York, weil die Produzenten da eh an einem Projekt arbeiteten, singt sie sich bei den Studioaufnahmen fürs Album dann die Seele aus dem Leib. Endlich hat es geklappt. Mit ihren letzten Kröten auch noch. Das, was sie immer schon wollte. Ihr eigenes Ding. In das sie sich auch nicht reinreden lassen will. Von nichts und niemandem. Sie, das Kind der Neunziger. Aufgewachsen mit Pop, mit Viva und MTV. Mit Soul und Funk. Den Reggaerhythmen ihres Vaters und dem manchmal so sehnsüchtigen Jazzklängen ihres Großvaters, wenn er zusammen mit Maceo Parker zu Hause im Garten jammt. Das alles sei jetzt drin in ihrer Musik, ihren Songs, sagt sie. Musik, die alle berühren soll über Altersgrenzen und soziale Unterschiede hinweg. Alle vereinen soll, wie das Wasser, das irgendwann ins Meer fließt. Darüber habe ihr Vater immer philosophiert. Und seinetwegen heiße sie auch Oceana.

Dann bleibt ihr fast die Luft weg. Zu viele Sätze, ein zu schnelles Tempo und kein Kaffee mehr zum Nachspülen. Von Tina Turner müsse sie schnell noch erzählen. Wenn sie die auf der Bühne gesehen habe, damals als sie selbst noch ein Kind war, habe sei immer nur gedacht. Oh wow, das ist eine Frau, die hat ihr Leben in der Hand, hat eine Power, so möchte ich auch mal sein! Und sie sei doch dicht dran, oder?

Hat sie denn jemals Angst vor diesem schnelllebigen Geschäft? Vor dem Tempo, mit dem man genauso schnell aufsteigen und wieder untergehen kann. Ach was, sagt sie. Das sei doch überall so. An der Börse, im Job. Da geht's rauf und runter. Man wird geheuert und gefeuert. Ihrs sei ein schwieriges Geschäft. Aber ich liebe es!! Von noch viel mehr Alben träumt sie. Von der großen Weltbühne, ah ja. Von der großen Liebe auch. Und es wird kommen, ruft sie rauf zu den Baumwipfeln. Man kann alles haben. Ich kann alles haben. Nur nicht auf einmal. Das geht nun mal nicht im Leben.