Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute Friedrich Dönhoff, Autor.

Was für ein toller Beruf. Schriftsteller. Im Cafe sitzen, Cappuccino schlürfen, denken, reden und dabei viel Geld verdienen. Das habe ihm doch neulich tatsächlich eine Frau gesagt. Und das ihm, der schon die Bezeichnung Schriftsteller für sich ablehnt. Friedrich Dönhoff, Autor mehrerer biografischer Bücher, der sich jetzt mit seinem sympathischen, seelisch leicht zerrissenen Hauptkommissar Sebastian Fink in "Savoy Blues" auf die Krimischiene wagt.

Dass er sich über solche Klischees ärgert, mag man ihm kaum glauben. Diesem Mann, der sich so höflich und freundlich gibt. Einfach nur nett. Er sei Waage, sagt er, und die sind so. Also machen wir uns doch mal ran an diesen net-ten Mann. Bestellen Kräuter-tee mit Ingwer statt Cappuccino. Hier in der Cafebar "Berliner Betrüger" in der Schanze. Selbst Sandra, die Kellnerin, weiß nicht, warum der Laden so heißt. Aber sie hat, als sie hier anfing, vorsichtshalber mal im Internet geguckt. Man weiß ja nie, was sich dahinter verbirgt.

Friedrich Dönhoff weiß es auch nicht. Er sitzt hier nur gerne, trinkt Tee, trifft Freunde, spricht mit ihnen über gemeinsame Projekte und über das Leben. So sei wohl auch der Ruf entstanden, dass Schriftsteller ein Traumberuf sein müsse, sagt er. Er aber sei wirklich kein Schriftsteller. F. Scott Fitzgerald, dessen "Der Große Gatsby" er gerade mal wieder gelesen habe, das sei ein Schriftsteller. Ein großer Schriftsteller. Davon sei er noch weit entfernt.

Sabbeln, rumsitzen und schreiben also. Nicht gerade ein Traumberuf in den Augen vieler Eltern. Nein, sagt er freundlich. Eigentlich nicht. Und muss dann doch mal herzhaft lachen. In seiner Familie gab es damit keine Probleme. Seine Großtante hatte schließlich einen sehr hohen Stellenwert in der Familie. Die Tante, das ist Marion Gräfin Dönhoff, die 2002 verstorbene Publizistin und Herausgeberin der "Zeit". In ihrem Verlag respektvoll "die Gräfin" genannt, in der Familie "Tante Marion" und von Friedrich Dönhoff, dem Großneffen, schon mit siebzehn einfach nur Marion, weil ihm das besser zu passen schien. Zu ihrem freundschaftlichen und sehr nahen Verhältnis über viele Jahrzehnte. Trotz des großen Altersunterschiedes. Sie habe überhaupt kein Verhältnis zum Alter gehabt. Und sei sogar einmal der Meinung gewesen, er müsse Jahrgang 43 und nicht erst 1967 geboren sein.

Die Tante war es auch, die die Eltern auf ihn ansetzten, als er das Studium abbrach, um Bücher zu schreiben. Sich an der Filmhochschule München anmeldete, um Drehbuchschreiben zu lernen. Diese konkreten Pläne hätten sie dann auch überzeugt, dass er seinen Weg gehen würde, sagt er. Sie fand es ungeheuer wichtig, dass jemand genau wusste, was er tun wollte und es dann auch tat.

Zwei Bücher hat er über Marion Gräfin Dönhoff gemacht. Liebevoll anrührende Alltagsgeschichten aus der gemeinsam verbrachten Zeit und Reisebilder, zusammengestellt aus den in ihrem Nachlass gefundenen Fotos.

Sein erstes jedoch war das über den Hambur-ger Hafenarbeiter und Kommunisten Tönnies Hellmann. Opfer der Nazis und später von Stalin. Und auch die Geschichte des deutschen Industriemanagers Helmut Bleks, der in Namibia ein zweites Leben begann, erzählt er. Dessen Grundschule und Hauswirtschaftsschule für die Einheimischen zu einem Erfolgsprojekt wurden.

Drei Menschen, die er bewundert. Sind Vorbilder ihm so wichtig? Eigentlich nicht, sagt er. Zusammengefasst klinge das so. Er lächelt freundlich und schweigt. Also? Was ihn fasziniert habe, sei dieses Zurückblicken können ohne Groll. Ja, das habe ihn beeindruckt.

Friedrich Dönhoff also jetzt. Der Mann mit dem großen Namen. Eine Riesenfamilie. Engmaschig miteinander verknüpft. Über die Welt verstreut. Und doch jederzeit ansteuerbar. Allein 20 Cousins und Cousinen in seiner Generation. Der Name aber, nein, der habe ihm nichts genützt. Erst als er im zweiten Anlauf den fertigen Krimi statt des Exposes schickte, hat es geklappt. Der Verleger rief persönlich an. "Das war, als wenn man geboxt wird." Er habe erst mal eine Freundin angerufen, um zu fragen, was man denn bei einer so guten Nachricht machen müsste. Sich hinsetzen, eine Kerze anzünden und in totaler Stille die Freude zirkulieren lassen, war die Antwort. "Was würden Sie machen?", fragt er. Auf einem Bein hüpfen und kreischen vielleicht. Nein, das sei nicht so sein Ding. Eine ganze Krimireihe wird es jetzt geben, mit dem Hamburger Hauptkommissar Fink. Dieser Mann, der sich selbst seinem Schöpfer immer wieder überraschend entzieht und ein Eigenleben entwickelt.

Aber nun wirklich mal zu Friedrich Dönhoff. Gut, sagt er, das wird Ihnen gefallen. Er sei in Kenia aufgewachsen. Am Fuße der Ngong Berge. Oh nein, nicht das. Nicht so wie im Film "Jenseits von Afrika" von Sidney Pollack, in dem die Schriftstellerin Tania Blixen ihre Heldin Meryl Streep erzählen lässt: Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngong Berge. Doch, sagt er. Genau so. Dort sei seine Mutter mit ihm und den beiden Geschwistern immer spazieren gegangen. An der Stelle, wo Robert Redford und Meryl Streep . . . "Wir wussten gar nicht, wie kitschig das war. Wir kannten nur das Buch, den Film gab es noch nicht."

Friedrich Dönhoffs Vater arbeitet in der Entwicklungshilfe, die Kinder gehen auf eine englische Schule, sprechen die Landessprache Suaheli und zu Hause Deutsch. Als die Eltern sich trennen, zieht die Mutter mit den Kindern nach Bonn, die jährlichen Besuche in den Sommerferien in Kenia sind jahrelang ein festes Ritual.

Heimweh? Nein, sagt Friedrich Dönhoff. Eigentlich nicht. Aber als er viele Jahre später nach Südafrika reist, aus dem Flugzeug steigt, überkommt ihn ein seltsames Heimatgefühl. Das Klima, die Menschen, die Geräusche. Alles zutiefst vertraut. Und sehr berührend.

Sollte er etwa leicht zu rühren sein, dieser Mann, der sich so gerne bedeckt halten möchte. Ja, sagt er. Schon. Wenn jemand durchhalte trotz aller Härten im Leben. Nicht verbittert wird, das rühre ihn. Wie damals, als er seine Großtante nach Königsberg begleitete. Diese Frau, die dort bis zu ihrem 36. Lebensjahr gelebt hat und alles aufgeben musste, sagt er. Wie sie auf Menschen zuging und die auf sie. Menschen, die sich auf der menschlichen Ebene verstehen. Frei von Politik und Ideologie. Das habe ihn schon sehr angerührt. So wäre er auch gern. Eigentlich ja.

Wir bleiben an seiner Zivizeit hängen. Den Monaten in einem Altenheim in Rissen. Menschen, die ihr Leben gelebt haben. Dieses Warten auf den Tod, sagt er. Der Wechsel dann in eine Sozialstation in Mümmelmannsberg. Die Betreuung einer behinderten Frau. Der 18-jährige Sohn. Ohne Ausbildung, mehrfach aus der Schule geflogen, durch Heime gewandert. Und auch in einer Warteschleife. Der wartete auf das Leben, sagt Friedrich Dönhoff.

Menschen interessieren ihn. Und alles , was da so verborgen liegt. Intensive Menschen mit intensiven Seiten. Nervige und schöne. Und nicht nur diese heile Welt in Blankenese, wo er manchmal denke, das sei wie bei David Lynch: Hinter den Mauern könnte auch das Grauen lauern.

Für Friedrich Dönhoff braucht es einige Liter Kräutertee, um ihn hinter seiner Mauer hervorzulocken. "Finden Sie?", fragt er. Von Waagemenschen sage man ja auch, dass sie oberflächlich seien, sagt er. Und nett. Auch völlig problemlos?

Nun ja, sagt er zögernd. Da gäbe es schon was. Sein Privatleben bleibe etwas auf der Strecke. Beim Schreiben. Er sei oft total asozial. Schirme sich völlig ab. Jeden Tag wieder aufs Neue in eine Welt eintauchen, die es nicht gibt, sich mit Menschen beschäftigen, die nur man selber kennt und sich dann wieder da herausbuddeln, sei schon heftig. Kein Beruf, den er empfehlen könne.