Zum vierten Mal steht Penélope Cruz für Pedro Almodóvar vor der Kamera, den, der aus ihr die erfolgreichste Schauspielerin Spaniens machte.

Sein Film "Zerrissene Umarmung" ist gerade in den Kinos angelaufen.

Journal:

Herzlichen Glückwunsch nachträglich zu Ihrem Oscar für Ihre Rolle in "Vicky Crístina Barcelona". Wo heben Sie die Statue auf?

Penélope Cruz:

In meinem Haus. Aber noch wechselt sie ständig ihren Platz. Ich habe noch nicht den optimalen Standort für das gute Stück gefunden.

Aber Sie verstecken sie nicht in einem Safe oder so?

Nein! Im Gegenteil! Ich hatte sie sogar schon am Strand dabei! Die ersten paar Tage habe ich sie überallhin mitgenommen, wie eine Fünfjährige, die endlich das ersehnte Spielzeug bekommen hat. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte mit der Figur gesprochen!

Hat der Oscar auch ideell eine Wirkung? Müssen Sie nun anderen - oder auch sich selbst - nichts mehr beweisen?

Der Oscar ist vor allem eine große Ehre. Gerade bei meiner Herkunft! Schon allein die Vorstellung, dass ich in meiner Heimat mal als Schauspielerin arbeiten könnte, erschien mir als Kind total verrückt. Damals lebten wir in einem Ort, in dem es nicht einmal ein Kino gab. Ich wurde mit acht, neun Jahren zum Filmfan, als meine Eltern einen Betamax-Videorecorder kauften, eines der ersten Modelle, die auf den Markt kamen, ein monströser Apparat! Ich habe mir jeden Tag Filme ausgeliehen und entdeckte das große Vergnügen an der Filmkunst.

Warum haben Sie dann Theaterwissenschaften studiert?

Weil der Wunsch, Schauspielerin zu werden, überhaupt keine Perspektive hatte. Niemand in meiner Familie, keine Freunde noch überhaupt jemand, den ich kannte, hat seinen Lebensunterhalt mit etwas verdient, das auch nur entfernt etwas mit Kunst zu tun hatte.

Welche Filme sahen Sie auf Ihrem Video-Monster zuerst?

Natürlich viele Kinderfilme, ich war ja noch ein Kind. Aber ich erinnere mich auch an Meryl Streep, an Billy Wilder, und dass ich anfing, Almodóvar zu entdecken. Ich weiß noch, wie es war, als ich zum ersten Mal einen Film von Pedro sah: Ich war ich hin und weg. Ich wollte sofort alle seine Filme sehen. An meinem 13. Geburtstag durfte ich dann endlich alleine in die Stadt ins Kino fahren und sah mir "Fessle mich!" an - alleine! Dem Kassierer habe ich einfach gesagt, ich sei siebzehn. Nach dem Film machte ich erst mal einen Spaziergang und weiß noch, dass ich genau dann beschloss, zumindest zu versuchen, Schauspielerin zu werden. Wegen dieses Filmes!

"Zerrissene Umarmungen" ist Ihr vierter Film mit Pedro Almodóvar, der Ihr Freund und Förderer wurde. Erinnern Sie sich an Ihr erstes Treffen mit ihm?

Ich war 17 Jahre alt und sehr, sehr aufgeregt. Er bat mich zu sich nach Hause, und ich war eine halbe Stunde zu früh da. Ich bin um das Haus spaziert, in der Nachbarschaft, habe auf seine Terrasse gespitzelt und dachte immerzu: "Ist das wirklich wahr? Wohnt er da oben? Werde ich wirklich mit ihm sprechen?" Bei diesem Treffen sagte er mir, ich sei zu jung für "Kika", den Film, den er damals plante. Aber er würde mir eine Rolle in einem anderen Film auf den Leib schreiben. Und zwei Jahre später rief er mich an, um mich zu engagieren.

Was hielten Ihre Eltern damals von Ihrer Sehnsucht, Schauspielerin zu werden?

Ich ging ja tagsüber aufs Gymnasium, abends besuchte ich eine Theaterschule und ging zum Ballett. Ich war noch ziemlich zwischen der Schauspielerei und dem Tanz hin- und hergerissen - ich tanze seit meinem vierten Lebensjahr. Meine Eltern ahnten daher früh, dass man mich nicht an einen Büroschreibtisch fesseln konnte.

In "Zerrissene Umarmungen" spielen Sie mehrere Rollen. Wie gefielen Ihnen die Verwandlungen? Mal imitieren Sie Marilyn Monroe, mal Audrey Hepburn ...

Es war toll, diesen Prozess mit Pedro durchzuspielen, als er die verschiedenen Looks für die Rolle entwickelte - es sind an die dreißig! Wir haben vier Monate lang geprobt und die meiste Zeit damit verbracht, Lenas Looks zu finden. Pedro ist sogar selbst nach Paris geflogen, um Klamotten für meine Figur zu kaufen. Er selbst war es, der die Vintage-Kleider von Pierre Cardin fand! Er lief durch die Straßen, rief mich dauernd an und erzählte mir, welches Kleid er für welche Szene gefunden hatte. Er liebt diese Details!

Haben Sie es genossen, blond zu sein?

Es geht. Eigentlich wollten wir noch mehr Szenen mit der blonden Perücke drehen, aber das hat nicht funktioniert. Wir haben im Sommer in Spanien gedreht, da war es so heiß, dass die Perücke mir förmlich vom Kopf geschmolzen ist!

Was ist besser: mit jemandem zu arbeiten, der einem so vertraut ist wie Ihnen Almodóvar, oder mit jemand Neuem, von dem man überhaupt nichts weiß?

Es ist schwierig, meine Beziehung zu Pedro mit einer anderen zu vergleichen. Ich kenne Pedro seit ich 17 Jahre alt war. Er ist nicht einfach nur je-mand, mit dem ich arbeite, er ist schon eher wie ein Familienmitglied! Wenn wir am Set sind und drehen, ist das Verhältnis aber ein anderes. Da ist er der Regisseur und ich seine Schauspielerin. Natürlich ist ein vollkommenes Vertrauen da, aber wir tratschen nicht, wir bequatschen keine privaten Dinge, wir trennen das völlig von der Arbeit. Sobald der Dreh vorbei ist, hängen wir wieder zusammen. Das ist eine Art, das Arbeitsverhältnis unabhängig von der Freundschaft zu schützen.

Gibt es Parallelen zwischen großen Regisseuren, zum Beispiel zwischen Almodóvar und Woody Allen?

Eine Gemeinsamkeit fällt mir sofort ein: Wenn man Zeit mit Menschen wie Woody oder Pedro verbringt, ist man total fasziniert. Alles, was sie sagen oder tun, haut dich komplett um! Sie sind immer unberechenbar, man weiß nie, was als Nächstes aus ihrem Mund rauskommt. Es ist ein sehr großes Privileg, Zeit mit diesen beiden verbringen zu dürfen.

Ein weiteres Mammutprojekt startet im Herbst: "Nine", frei nach Fellinis "8 1/2" ...

Ich wollte schon immer ein Musical machen! Und dieses Projekt, von Drehbuch über Regisseur Rob Howard bis hin zu den Kollegen, war einfach perfekt. Es ist wirklich ein Glückstreffer, wenn man so etwas findet. Viermal musste ich für diesen Film vorsprechen, bis ich die Zusage bekam. Ich lag gerade auf dem Massagetisch, als dann die endgültige Zusage kam. Ich habe vor Freude so laut geschrien, dass die Masseurin dachte, ich sei verrückt geworden.

Schon das Training für diesen Film dauerte sechs Monate. Sind Cruz, Cotillard, Loren, Kidman und Co. in dieser Zeit zu Komplizinnen geworden?

Ja, es war einfach eine großartige Erfahrung: Wir waren ein Team, haben zusammen geschwitzt und uns gegenseitig geholfen. Viele von uns muss-ten mit ganz neuen Elementen umgehen: der Musik, dem Singen et cetera. Ich hatte zum Beispiel noch nie vorher gesungen! Das Tanzen war nicht neu, aber ich war ja echt aus der Übung. Insofern haben wir uns alle gegenseitig moralisch unterstützt, jeder wusste, was der andere gerade durchmacht. Wir hatten alle die gleichen Ängste und die gleiche Aufregung. Es war großartig, so viel Zeit zum Proben zu haben. Es gab einen Raum zum Singen, einem zum Tanzen, einen für die Choreografie - das war, als würde man noch mal zur Schule gehen!

Sie verbringen sechs, sieben Monate mit einem Filmdreh. Da will man natürlich die richtige Wahl treffen. Wie stellen Sie das an: Sehen Sie sich viele Drehbücher an?

Um das eine zu finden, das einem gefällt, muss man sich viele ansehen. Es ist immer knifflig, die richtige Entscheidung zu treffen. Man muss sich selbst vertrauen und auf die innere Stimme hören, die sagt: dieses oder keins. Und manchmal ...

... bedauerten Sie die eine oder andere Entscheidung.

Ja, aber das würde ich nie laut sagen. Denn jede Entscheidung hat mir etwas gebracht. Sei es auch nur die Erfahrung, so etwas nie wieder erleben zu wollen.

Sie wollen sich in nächster Zeit etwas rarer machen. Warum?

Früher habe ich drei, vier Filme im Jahr gemacht - jetzt nur noch einen. Früher war es aber auch genau das, was ich wollte: so viel wie möglich zu drehen! Und es war richtig, diesem Verlangen nachzugehen. Jetzt aber fühle ich mich anders. Mir genügt jetzt ein Film im Jahr. Ich habe einfach das Bedürfnis, mehr Zeit für mich selbst zu haben.

Womit verbringen Sie Ihre Zeit denn lieber?

Einfach mit Leben! Es gibt so viele Sachen, zu denen man sonst nicht kommt. Wenn man einen Film dreht, dann dauert das manchmal sechs, sieben Monate. Dann bleiben einem oft nur drei, vier Monate für sich selbst, um die Dinge zu tun, die man gerne tut. Es geht gar nicht um etwas Konkretes, sondern darum, Zeit zu haben, sich auch mal mit anderen Dingen zu beschäftigen und etwas Neues zu lernen!