Faszination Samurai. Der Stoff, aus dem Japans Helden sind, fasziniert bis heute im Osten wie im Westen. Was ist eigentlich dran an den traditionellen Kämpfern, und wie viel bedeuten ihnen Schwert und Ehre?

Die Samurai sind zurück. Zumindest auf der Leinwand feiern die uralten japanischen Werte derzeit ein großes Comeback. In "Last Samurai" entdeckt Hollywood-Beau Tom Cruise alias Captain Algren die Schönheit der traditionellen Kriegskunst im Japan um 1870. Zuvor hatte Quentin Tarantino Uma Thurman in "Kill Bill" zu den Japanern geschickt - wenn auch mit ironischen Untertönen. Demnächst soll Takeshi Kitanos enthusiastischer Film "Zatoichi" über einen blinden Schwertkämpfer in die Kinos kommen.

Keine Frage: Der Geist des Samurai ist lebendig, und er fasziniert den Westen wie kaum zuvor.

Möglicherweise liegt das daran, dass der Begriff Samurai nicht selten in einem Atemzug mit Zen genannt wird. Zen ist eine Philosophie, die ihren Weg von Indien über China nach Japan gemacht hat und ihr Wesen in langgeübter Meditation offenbart. Grob vereinfacht, handelt es sich hierbei um das Lösen vom eigenen Ich in Wechselwirkung mit der Umwelt.

Was sich für den modernen Menschen wie ein Ausweg aus seiner spirituellen Verwirrung anbietet, zeigte sich bei den alten Kriegern viel elementarer: in ihrer legendären Todesverachtung. Im Zen sahen sie ursprünglich das geeignete Mittel zum Zweck. Denn, richtig ausgeübt, erlaubte diese Praxis eine Erhöhung der Konzentration und eine Schärfung der Sinne, was für den Kampf von unschätzbarem Wert war. Zen wurde zum Lebensinhalt der Samurai.

Was davon ist im Krieger-Epos "Last Samurai" enthalten? Wie im Rausch werden hier die Klingen geschwungen, treffen archaische Kampftechniken auf den plumpen Einsatz von Maschinengewehren, legen sich Pathos und Ehrgetöse bleischwer über die Handlung. Während ein Teil der Zuschauer die Auferstehung eines Mythos feiert, bemängeln andere die historischen Unzulänglichkeiten des Werkes. Sie kritisieren vor allem die Vermittlung eines verzerrten Bildes von Moral und Ehre, wenn etwa Hunderte von Leuten in eine völlig aussichtslose Schlacht ziehen und damit in den sicheren Tod. Wie ist so eine Darstellung historisch zu bewerten?

Tatsächlich nahm für den Krieger die Ehre den höchsten Stellenwert ein. War sie verloren, konnte nur der Tod sie wiederherstellen.

Doch nicht jedes Eingeständnis einer Niederlage bedeutete den Ehrverlust. Wenn dem so gewesen wäre, dann hätte Japan nach der Meiji-Restauration 1868 Zigtausende von Selbstmorden zu beklagen gehabt. Soeben hatte die neue Kaiserregierung damit begonnen, die Kriegerkaste nach und nach um ihre Privilegien zu bringen. Tatsächlich wehrten sich die Samurai vereinzelt gegen Modernisierung und Traditionsverfall. Die letzte und wichtigste Rebellion wurde - fast deckungsgleich mit der Darstellung im Kinofilm - 1878 in Kagoshima von den Regierungsstreitkräften niedergeschlagen.

Wer waren diese Samurai, von denen viele gegen Ende des 16. Jahrhunderts das Schwert gegen den Pinsel eingetauscht hatten und beschaulich als Beamte lebten?

Das Wort Samurai leitet sich ab von "saburau": jemandem aufwarten oder dienen. Samurai waren also Gefolgsleute. Für Krieger gibt es noch die Übersetzung Bushi, die sich aus den Schriftzeichen für Militär und Edelmann/Ritter zusammensetzt. Bushido heißt der Ehrencodex der Samurai, wörtlich: Weg des Kriegers.

Die Ursprünge einer berittenen Eliteklasse von Kämpfern gehen bis ins dritte Jahrhundert zurück. 400 bis 500 Jahre später stieg eine kleine Gruppe zum Hofadel auf, das Gros blieb in den Provinzen. Als Verwalter von aristokratischem Grundbesitz oder unabhängige Landbesitzer lebten sie auf Gehöften, die kleinen Festungen glichen. Sie bestellten ihr Land und sicherten gleichzeitig für den kaiserlichen Hof in lokalen Kriegerbündnissen den öffentlichen Frieden. Kam es zu Auseinandersetzungen, wurden diese gewöhnlich nicht von Massenarmeen ausgetragen, sondern durch kleinere Gruppen von ein paar Dutzend bis zu wenigen hundert Mann.

Von seinen Gefolgsleuten erwartete der Anführer absolute Loyalität bis zum Tod. Im Gegenzug erhielt der Samurai materielle Güter - häufig Beuteanteile aus gewonnenen Schlachten. Der ethische Kodex gebot aber auch Tugenden wie Mut, Ehre und Großherzigkeit. In mittelalterlichen Erzählungen wurde Krieg als ein herrliches Unternehmen geschildert, in dem die Männer ihre Verwegenheit zeigen konnten. Unmittelbar bevor ein Samurai sich ins Schlachtengetümmel warf, rief er lautstark seinen Namen und seine Herkunft aus.

Gegen Ende des zwölften Jahrhunderts begann die Kriegerklasse die verachteten Aristokraten aus ihren Ämtern zu verdrängen. Um 1335 folgte eine Periode von mehr als hundert Jahren fortdauernder Kämpfe zwischen lokalen Kriegerbünden um Landbesitz.

Aus den endlosen Kämpfen gingen bis zum 16. Jahrhundert lokale Magnate hervor, die Daimyos. Sie regierten über größere Domänen und stellten große Heere von Fußsoldaten auf. Dem Daimyo Ieyasu Tokugawa gelang es 1600, endlich für Ruhe im Land zu sorgen. Sein Clan regierte Japan in den folgenden 250 Jahren mit eiserner Hand. Die neue Ordnung schrieb vor, dass nur die Samurai die für sie typischen Schwerter tragen durften: ein langes, das Katana, für den Kampf, ein kleineres, das Tanto, für den rituellen Selbstmord Seppuku. Alle anderen Bevölkerungsschichten mussten ihre Waffen abgeben.

Die neue Situation machte einen Großteil der Samurai überflüssig. Mitglieder der hohen Ränge verdingten sich fortan als Berater, die der mittleren in der Justiz oder Städteverwaltung, die niedrigsten Ränge als Buchhalter oder Lagerwärter. Um die Nachfolge für kompetente Beamte zu sichern, hatte man Daimyatsschulen eingerichtet, in denen man eine neue Elite heranzog. Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Samurai eine hochgebildete Klasse.

Die neue Kaiserregierung setzte ab 1868 der einstigen Elite ein Ende. Dem Staat wurde es zu teuer, hohe Pensionen an die Samurai auszuzahlen. Nach und nach stellte man sie dem Volk gleich - viele Familien stürzten in den Ruin.

Die Samurai gibt es nicht mehr, bis heute zeigt sich jedoch ihr Erbe in der Wirtschaft: Häufig zitieren die Japaner den Satz "Business ist Krieg". Als Angestellte setzen sie die Firma mit der Familie gleich und opfern sich selbst auf. Manchmal bis zum Erschöpfungstod.