Das heutige Thema hat mit Meryl Streep zu tun, mit gut zwei Dutzend Knoblauchzehen und mit einer Frau, die in den USA Koch-Geschichte schrieb.

Könnte man Kolumnen nicht nur lesen, sondern auch riechen, wäre das heutige Thema aus sehr großer Entfernung zu erkennen. Es hat mit Meryl Streep zu tun, mit gut zwei Dutzend Knoblauchzehen und mit einer Frau, die in den USA Koch-Geschichte schrieb. Julia Child, in den 60er-Jahren Star der legendären Brutzel-Show "The French Chef". Vor einigen Monaten hatte ich gelesen, dass diese drollige Küchen-Heldin in der Komödie "Julie & Julia" von Streep gespielt würde.

In dem Artikel stand auch, Child sei "ein Baum von einer Frau" gewesen, 1,88 groß, "mit einer Stimme, die Eigelb zum Gerinnen brachte". Oha. Und als der Film kürzlich in die Kinos kam, fiel mir wieder ein, was mich am meisten beeindruckt - oder vielleicht eher eingeschüchtert - hatte: Ihr Kartoffelpüree reicherte die Pfannen-Walküre mit 28 (in Worten: achtundzwanzig) geschmorten Knoblauchzehen an. "Wenn Sie weniger nehmen, werden Sie es bereuen", war ihr Kommentar, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Das Pürieren der Erdäpfel erledigte Child bestimmt à la "Seewolf" mit bloßen Händen und entspanntem Lächeln. Von drohender Reue bei mehr als 28 Zehen war übrigens nicht die Rede.

Schon die Vorstellung des Aromas - vom Nachgeschmack der Mutprobe gar nicht zu reden - jagte Schauer über meinen Rücken. Waffenscheinpflichtiges Kartoffelpüree, ja, Wahnsinn! In meiner Fantasie beschlugen Küchenfenster, Nachbarkinder wurden beim Gang durchs Treppenhaus ohnmächtig, Tauben fielen beim Lüften vom Dach. Auch die Szene aus "Alien", wo sich das auf den Boden getropfte Blut des Weltraum-Monsters glattweg durch mehrere Raumschiff-Etagen frisst, kam mir in den Sinn. Childs Rezept wurde mir immer sympathischer.

Wie gut für mich, dass Kartoffelpüree an sich nicht besonders schwierig ist, ebenso wenig das Schmoren von Knoblauchzehen. Beides ist unfallfrei schaffbar. Die beiden wichtigsten Rezept-Komponenten waren schnell besorgt. Beim Schälen der abgezählten, möglichst großen Zehen spürte ich ein leicht bedenkliches Klaus-Kinski-Grinsen, außerdem musste ich ständig an einen gewissen Ilja Rogoff und seine Knoblauchpillen denken. 28 Knoblauchzehen für ein einziges Gericht und nicht als Wochenration zu schälen und zu zerkleinern, das hat schon etwas Sprengmeisterliches. Der weiße Hügel auf dem Küchentisch wuchs und wuchs, die geschmacklichen Dimensionen dieser Rezeptur wurden immer konkreter und bedrohlicher. Egal. Die nächste Eskalationsstufe war beim Pürieren der köstlichen kleinen Stinker erreicht. Hinein damit in die Kartoffeln, gut durchrühren, tief durchatmen und: kosten.

Der Rest war genüssliches Schweigen.

Die Tauben blieben auf dem Dach, die Kinder unversehrt, die Fensterscheiben durchsichtig, mein Magen hielt tapfer durch. "Zu viel Knoblauch? So was gibt's nicht", hat Julia Child gesagt. Doch zum Nachkochen ihrer Küchenkreation sind nur freie Wochenenden oder Urlaubstage zu empfehlen. Knoblauch mag ja die Blutgefäße pflegen und das Leben verlängern. Aber was nützen einem die gut durchbluteten Extra-Jahre, wenn niemand mehr mit einem spricht.