Reisen bildet, heißt es. Ist ja auch was dran. Doch in den letzten Tagen konnte ich eine ganz neue, viel preiswertere Variante entdecken, mich für ein fernes Land zu interessieren, von dem ich vorher so gut wie nichts wusste.

Ganz ohne Verreisen, ohne Koffer, man muss nicht fliegen und bekommt auch keinen Jetlag. Mehrmals täglich ruft mich ein Mann aus Ghana an.

Er klingelt immer nur kurz auf meinem Handy an, und wenn ich drangehe, beschimpft er mich wütend auf Englisch, ich soll ihn verdammt noch mal nicht mehr anrufen. Als ob ich das je getan hätte. Diskutieren ist zwecklos. Aus der Überraschungs-Retourkutsche wird leider nichts. Denn wenn ich ihn mit unterdrückter Nummer anrufe, werden wir auch keine Freunde. Er geht nach dem ersten Klingeln dran, meldet sich nur mit "Hello". Clever ist er ja. Ich frage ihn, noch relativ freundlich, was das alles soll. Er beschimpft mich genauso herzhaft wie zuvor und legt flott wieder auf.

Meinen Vornamen kennt er mittlerweile auch. Woher? Keine Ahnung. Ich kenne niemanden aus Ghana, war noch nie in Ghana und hatte das bislang auch nicht vor. Wenn ich mir das mit dem Vornamen so durch den Kopf gehen lasse, ist das vielleicht keine ganz schlechte Idee. Dass es Ghana ist, beweist die Vorwahl 00233. Die kannte ich bis vor Kurzem genauso wenig wie den Rest von Ghana, aber das Internet hat ja auch praktische Seiten.

Vielleicht ist dieses Angerufenwerden die Mobilfunk-Variante von "Verstehen Sie Spaß?", und irgendwann ist nicht mehr mein unbekannter Beschimpfer, sondern ein öffentlichrechtlich kichernder Frank Elstner dran, und ich bekomme zur Belohnung für meine Nervenstärke einen Packen Lotterielose? Oder ist es eine Hightech-Variante des guten alten Klingelstreichs, und in irgendeiner Büro-Ecke sitzen feixende Kollegen, die mich mit einer Prepaid-Handykarte aus Ghana nach und nach in den Irrsinn klingeln wollen? Dass ich nicht paranoid bin, heißt ja nicht, dass man nicht trotzdem hinter mir her ist.

Es passt zu meinen Recherche-Ergebnissen, dass man mich nicht auf Französisch beschimpft: Die Amtssprache in Ghana ist als Gegengewicht zur landestypischen Vielfalt Englisch. Ansonsten ist Ghana ziemlich groß, hieß früher Goldküste, grenzt an den Atlantik, die Elfenbeinküste, an Burkina Faso und Togo. Die Hauptstadt ist Accra. Es hat viele Rohstoffe, die Fußball-Nationalmannschaft wurde bei der WM 2006 in Deutschland als sympathische Truppe gefeiert. Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan stammt aus Ghana. Man bemüht sich um Touristen, die Landesküche klingt lecker, Natur und Klima sind tropisch. Auf den ersten, flüchtigen Blick von hier aus ein afrikanisches Land, das man durchaus gut finden kann.

Mit dieser Meinung bin ich in prominenter Gesellschaft. Frank-Walter Steinmeier sieht das genauso - aber der bekommt bestimmt nicht solche Anrufe wie ich. Auf der Internetseite des Außenministeriums heißt es: "Die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Ghana sind traditionell freundschaftlich und umfassend. Gemessen an demokratischen Grundsätzen, guter Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte und innerer Stabilität ist Ghana für Deutschland ein Modellland in Afrika. Es lebt mit allen seinen Nachbarn in Frieden." Ich werd's mit dem nötigen Nachdruck ausrichten, beim nächsten Ferngespräch.