Dierk Strothmann über Aufblasgelände, fliegende Schafe und lauter “Ooohs“.

Sensationsgier ist durchaus keine Erfindung unserer Zeit. Zum Platzen neugierig waren Menschen auch früher. Was könnte dies besser nachweisen als jenes Ereignis am 23. August 1786, als der französische Ballonfahrer Jean-Pierre Blanchard mit seinem "mit brennbarer Luft" gefüllten Ballon von der Sternschanze aufstieg und mehr als 100 000 begeisterten Menschen jede Menge "Aaahs" und "Ooohs" entlockte.

Zwei Stunden dauerte es, bis Blanchard seinen Ballon flugbereit hatte. Wer dabei sein wollte, der musste tief in die Tasche greifen. Immerhin kostete ein Eintrittsticket für das "Aufblasgelände" zwei Reichstaler, eine sehr ansehnliche Summe. 2000 Billets wurden verkauft. Das Ganze war ja schließlich auch eine kommerzielle Angelegenheit. Der zu Zeiten des Hamburger Spektakels 33 Jahre alte Blanchard war nämlich Ballonflugprofi, einer der viel Geld damit verdiente, den staunenden Menschen zu zeigen, dass es möglich ist zu fliegen und sich so einen uralten Menschheitstraum zu erfüllen.

Schließlich war es keine drei Jahre her, dass die Brüder Montgolfier einen Hammel, eine Ente und einen Hahn von Versailles aus auf eine Luftreise schickten. Da die Tiere das Experiment unbeschadet überstanden, gab König Ludwig XVI. die Erlaubnis, das Experiment mit Menschen zu wiederholen, was dann am 21. November 1783 geschah.

Es war also alles noch ganz neu, und so kann man die Begeisterung verstehen, als Blanchard begleitet von drei Kanonenschüssen in den Himmel aufstieg. Der kühne Luftschiffer trug einen weißen Matrosenanzug, einen runden Hut mit seidener Schärpe, und er schwenkte zwei kleine Fähnchen mit dem Hamburger und dem Altonaer Wappen.

Dann folgte der Höhepunkt der Show: Blanchard ließ an einem Fallschirm ein Schaf zur Erde gleiten. Das war sensationell, denn auch der war erst drei Jahre zuvor erfunden worden. Das Hamburger Schaf schien seine Luftreise, die direkt über dem Heiligengeistfeld begann, zu genießen. Jedenfalls landete es sanft und begann in aller Ruhe zu grasen. Das heldenhafte Tier wurde sofort an die Sternschanze geschafft, wo sich die Menschen, die dafür bezahlt hatten, drängten, um es in Augenschein zu nehmen.

Meister Blanchard, der schon im Januar 1785 den Ärmelkanal überquert hatte und zuvor bereits in Frankfurt seine Künste gezeigt hatte, war damals in aller Munde, und viele waren sicher auch gekommen, um ein ähnliches Spektakel zu erleben wie an jenem Tag, als in seinem Ballon ein Überdruck entstanden war und er Löcher in die Hülle stieß, um ihn daran zu hindern zu platzen. Aber er war wohl etwas übereifrig, es waren zu viele Löcher und der Ballon schoss in atemberaubender Geschwindigkeit zur Erde. Zum Glück hatte Blanchard nicht nur für seine Tiere Fallschirme, sondern auch für sich.

Also rettete er sich und machte die Menschen nur umso neugieriger.

Er wiederholte seine Vorführungen unter anderem in Berlin (wo es seitdem einen "Ballonplatz" gibt), Wien und Hannover (wo er zum Ehrenbürger ernannt wurde) und in Philadelphia im Beisein der ersten US-Präsidenten George Washington. Er starb am 7. März 1809 an einem Schlaganfall - während einer Ballonfahrt, versteht sich.