Dierk Strothmann über einen Hamburger Unternehmer und seine berühmten Töchter.

Es gibt Leute, die haben es irgendwie im Blut, die wittern ihre Chance und nutzen sie. So einer war der Handwerkersohn Heinrich Christian Meyer. Dessen Vater kam irgendwann in napoleonischer Zeit aus dem Hannoverschen nach Hamburg. Er schlug sich mit der Produktion von Spazierstöcken durch schwierige Zeiten - unter anderem auch, weil sein kleiner Sohn Heinrich diese Produkte geschickt auf der Straße verscherbelte.

Es gefiel den Altvorderen, dass ihnen ein Knirps einen neuen Stock andrehte. So bekam der kleine Heinrich schon als Achtjähriger im Jahre 1805 halb bewundernd, halb belustigt den Beinamen "Stockmeyer", den er bis zu seinem frühen Tod (an Tuberkulose) am 26. Juli 1848 mit sich herumtrug.

Der junge Mann überwarf sich mit seinem Vater, ging nach Bremen, kam aber zurück, als die Fischbeinfabrik, in der er Arbeit gefunden hatte, Pleite machte. 1817, gerade mal 20 Jahre alt, gründete Stockmeyer eine eigene Tischlerei mit Laden an der Straße "Hinter St. Peter", der heutigen Bergstraße. Als die Geschäfte irgendwann besser liefen und er sogar Mitarbeiter einstellen wollte, suchte er einen neuen Standort. Er fand einen Kaufmann namens Assur Isaac, der ihm das Geld für den Erwerb eines neuen, größeren Gebäudes an der Straße Neue Burg an der Nikolaikirche, nicht weit entfernt vom alten Standort, vorstreckte.

Stockmeyer expandierte weiter, erschloss mit anderen den Grasbrook und den Hammerbrook und baute 1836 außerhalb der Stadtbefestigung eine für damalige Verhältnisse moderne Fabrik, in der er erstmals in Hamburg Dampfmaschinen einsetzte und so zum ersten Großindustriellen der Stadt wurde. Er gründete die Hamburg-Bergedorfer Eisenbahngesellschaft und tat sich bei der Modernisierung der Wasserversorgung hervor.

So ein erfolgreicher Unternehmer eckt natürlich an. Schon zu Lebzeiten warf man ihm vor, dass er nur so vorgebe, ein großherziger und patriotischer Mensch zu sein, in Wirklichkeit aber ein "Spekulant" sei. Das mag heute nichts Besonderes sein, Stockmeyer aber trafen die Vorwürfe tief.

Dass er tatsächlich ein überaus sozialer Mensch war, belegt schon die Tatsache, dass er eine Betriebskrankenkasse einführte und - vor allem - dass er seine elf Kinder im sozialen Sinne erzog. Das hatte bei zweien seiner Töchter sogar Folgen von historischer Bedeutung. Die eine, Bertha, rief zusammen mit anderen die "Hochschule für das weibliche Geschlecht" in Hamburg ins Leben, heiratete den Gründer des Deutschkatholizismus, Johannes Ronge, und führte die ersten Kindergärten in London.

Ihre Schwester Agathe Margarethe gilt als die "Mutter der Kindergärten" in den USA. Einer der Gründe, warum dort ein Kindergarten nicht etwa "House for Children" heißt, sondern auf gut deutsch Kindergarten. Außerdem heiratete sie Carl Schurz, der als General im amerikanischen Bürgerkrieg zum Volkshelden und als erster gebürtiger Deutscher Mitglied des US-Senats wurde. Außerdem war er Hapag-Vertreter in New York.

Es gibt also gleich mehrere Gründe, weshalb dieser Heinrich Christian Meyer in die Liste der bedeutenden Hamburger Persönlichkeiten gehört - ein Kandidat für Hamburgs "Hall of Fame", wenn es denn eine gäbe.